Gipfel in Alaska – Gesten der Versöhnung, aber kein Deal (Overton-Magazin)

16. August 2025 Ulrich Heyden 219 Kommentare
Das Treffen von Trump und Putin in Alaska ging ohne konkreten Plan für ein Ukraine-Friedensabkommen zu Ende. Trotzdem gibt es Hoffnung, dass das Treffen der Beginn einer neuen Entwicklung ist, bei welcher Russland und die USA sich wieder annähern und ein Frieden in der Ukraine möglich wird.
Das Treffen in Alaska begann mit Gesten der Versöhnung. Trump holte Putin vom Flugzeug ab. Gemeinsam fuhren sie mit dem gepanzerten Auto des US-Präsidenten, genannt the Beast, zum Ort des Treffens auf der Militärbasis bei Anchorage.
Dass man sich in Alaska traf, hatte verschiedene Gründe. Zum einen ist der US-Bundesstaat Russland geografisch nah. Zum anderen gibt es in Bezug auf Alaska historische Ereignisse, welche Russland und die USA verbinden. Alaska war einmal russisches Territorium. Es wurde 1867 vom damaligen Zaren an die USA verkauft, weil Russland Geld brauchte.
Und nicht weit vom Ort des Treffens von Trump und Putin gibt es ein Grab von sowjetischen Piloten, die abstürzten, als sie während des Zweiten Weltkrieges ein amerikanisches Flugzeug im Rahmen des Land-lease-Programms in die Sowjetunion überführen wollten.
Bereits vor dem Treffen hatte Trump Hoffnung gemacht, dass man nicht nur bei der Ukraine-Frage mit Russland zusammenarbeiten könne, sondern auch bei einem neuen Abkommen zur Begrenzung strategischer Waffen. Trump erklärte auch, er sei erfreut darüber, dass zur russischen Delegation zahlreiche Geschäftsleute gehören. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den USA und Russland habe ein großes Potential.
Das Treffen von Trump und Putin war aber kürzer als geplant. Das geplante Arbeitsfrühstück der beiden Delegationen fiel aus. Doch die beiden Staatsmänner demonstrierten am Schluss des Treffens in ihren Statements vor der Presse Zufriedenheit und sie äußerten die Hoffnung, dass man noch zu einer Friedensvereinbarung in der Ukraine kommt.
Putin dankte Trump für seine Bemühungen um den Frieden in der Ukraine. Er hoffe, dass Kiew und die Hauptstände in Europa das Treffen Alaska konstruktiv annehmen und keine Widerstände aufbauen, dass es keine Versuche „von Provokationen und Intrigen hinter den Kulissen“ geben werde. Der Krieg in der Ukraine sei eine große Tragödie für Russland und das ukrainische Volk. Deshalb sei Moskau an einem schnellen Frieden interessiert.
Was war der „wichtigste Punkt“?
Trump erklärte, es sei auf dem Gipfel gelungen, sich in einigen Punkten zu verständigen. „Das Wichtigste ist, dass wir eine gute Chance haben, den Frieden zu erreichen.“ In dem „wichtigsten Punkt“ in Bezug auf die Ukraine habe man mit Russland aber kein Einverständnis erzielt. Was dieser „wichtigste Punkt“ ist, sagte Trump nicht. „Wir konnten uns nicht vollständig einigen. Einen Deal gibt es leider nicht“, sagte Trump. Die Kontakte mit Moskau würden aber weitergehen. Er werde die Ergebnisse des Treffens mit den Hauptstädten Europas und Kiew besprechen, kündigte der US-Präsident an. Trump hofft, dass sein Kurs in der EU und in Kiew letztlich doch noch gebilligt wird, wenn auch mit Murren. Gegenüber Fox-News erklärte Trump später, „der Deal ist noch nicht fertig. Und die Ukraine muss zustimmen. Selenski muss zustimmen.“
Die ARD-Korrespondentin, die vom Konferenzort in Alaska berichtete, gefiel nicht, was sie in Anchorage gesehen und gehört hatte. Sie verzog ihr Gesicht mehrmals zu bedeutungsvollen Grimassen. Wie konnte Trump Putin nur den Vortritt lassen bei den abschließenden Statements vor der Presse? Das sei doch eine „Verletzung des Protokolls“ gewesen, wonach der Gastgeber mit einem Statement beginnt und nicht der Gast.
Ein negativer, ja fast feindlicher Ton, durchzog die gesamte Berichterstattung der deutschen Mainstream-Medien vor und nach Gipfel in Alaska. Dabei konnte man Trump Konkretes nicht vorwerfen. Denn über die Frage, warum es nicht zu einem Deal kam, sprachen die beiden Staatsmänner in ihren Statements vor der Presse nicht.
Historische Wende
Unabhängig von dem, was der deutsche Mainstream schreibt, war das Treffen der beiden Staatsmänner in Alaska von historischer Bedeutung. Wenn die Macht, welche den Staatsstreich in Kiew im Februar 2014 unterstützte und die Ukraine nach dem Einmarsch der russischen Armee mit Waffen ausrüstete, nun einen neuen Akzent setzt und das Gespräch mit Moskau sucht, ist das zweifellos eine Kursänderung. Und diese Kursänderung wird umso bedeutsamer, riskiert sie doch ein Zerwürfnis mit Berlin, London und Paris.
Insgesamt sprachen Putin und Trump zwei Stunden und 45 Minuten miteinander. Das Gesprächsformat war vor Beginn noch geändert worden. Statt einem Gespräch unter vier Augen – Putin und Trump, plus zwei Dolmetscher – wählte man das Format drei plus drei. Neben den Staatsoberhäuptern saßen während des Treffens der russische Außenminister Sergej Lawrow, Putin-Berater Juri Uschakow sowie der Trump-Sondergesandte Steve Witkoff und Außenminister Mark Rubio.
Frieden oder Krieg?
War der Gipfel in Alaska nun ein Schritt zum Frieden oder nicht? Dass der Gipfel überhaupt stattfand, war ein deutliches Signal, dass beide Seiten aufeinander zugehen wollen. Vermutlich gibt es über die Grundzüge eines Friedensabkommens schon eine Verständigung. Über Details will man aber deshalb noch nicht sprechen, weil diese erst von Experten aus dem militärischen und diplomatischen Bereich ausgearbeitet werden müssen.
Der Krieg in der Ukraine wird also vorerst weitergehen. Aber es ist nicht ausgeschlossen, dass sich der Druck auf Selenski und seine Unterstützer in der EU von Seiten Trumps erhöht und es irgendwann zu einem Kompromiss kommt, der auch von Berlin, London und Paris unterstützt wird.
Denn die von den Falken in den europäischen Hauptstädten geforderte Zerrüttung Russlands durch Sanktionen und westliche Waffenlieferungen an die Ukraine hat es bisher nicht gegeben. Dieses anvisierte Ziel rückt sichtbar in die Ferne. Denn die russische Wirtschaft wächst trotz Sanktionen und die russische Armee rückt in der Ukraine weiter vor. Russland hat genug Waffen, während die westlichen Waffenlager bedenklich schrumpfen.
Russische Kommentatoren meinten, eine unsichtbare Kraft habe in Alaska mit am Tisch gesessen: die russische Armee. Sie rücke in der Ukraine täglich vor.
Trump hat Selenskij in den letzten Monaten mehrmals öffentlich düpiert, indem er ihm zu verstehen gegeben hat, dass der Kampf gegen die russische Armee erfolglos war und dass man mit dem Sterben von ukrainischen und russischen Soldaten Schluss machen muss.
Trump scheint nach der Devise zu handeln, lieber ein „Deal“ als sinnloses Abschlachten, bei dem der Westen eine immer schwächere Figur macht.
Worüber gibt es noch keine Einigung?
Wie ein Frieden in der Ukraine hergestellt werden kann, ist bisher unklar. Donald Trump hatte Anfang August einen „Gebietstausch“ in der Ukraine ins Spiel gebracht. Was das genau bedeuten soll, bleibt aber bisher unklar. Der US-Präsident erklärte: “Sehen Sie sich die Gebiete an, um die seit dreieinhalb Jahren gekämpft wird — viele Russen sind gestorben. Viele Ukrainer sind gestorben. Es ist sehr kompliziert. Es wird einen Gebietstausch geben, um eine Besserung für beide Seiten zu erreichen.”
Moskau hatte daraufhin erklärt, von Gebietstausch könne keine Rede sein. Der Sprecher des russischen Außenministeriums, Aleksej Fadejew, sagte am 13. August, das russische Territorium sei in der russischen Verfassung verankert. „Hier braucht man nichts erfinden. Damit ist schon alles gesagt.“ Man muss wissen: Die Gebiete, Lugansk, Donezk, Saporischschja und Cherson gehören laut russischer Verfassung seit den Referenden 2022 zu Russland.
Der ukrainische Präsident Selenskij erklärte nach Trumps Äußerung über einen „Gebietstausch“, in einer Video-Ansprache, „die Ukrainer werden ihr Land nicht an den Okkupanten verschenken. .Das Territorium der Ukraine sei in der ukrainischen Verfassung verankert. Darauf frotzelte Trump, Selenski habe „die Genehmigung für den Krieg und den Mord aller, aber er braucht eine Erlaubnis für den Tausch von Territorien.“
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Selenskij nicht immer gegen Gebietstausch war. Im August 2024, als ukrainische Truppen Teile des russischen Kursk-Gebietes besetzten, hatte er gegenüber dem Guardian gesagt: „Wir werden das Territorium für ein anderes tauschen.“ Gemeint war offenbar der Tausch von Teilen des Kursk-Gebietes gegen von Russland im Südosten der Ukraine erobertes Gebiet.
Die New York Times schreibt, die Zahl der Ukrainer, die für Gebietsabtretungen sind, um den Krieg zu beenden, sei in den letzten zwei Jahren von zehn auf 38 Prozent gestiegen. Die Zeitung bezieht sich auf eine Umfrage des Kiewer Instituts für Soziologie. Natürlich sind solche Umfragen in denen es keine freie Presse in der Ukraine gibt, mit äußerster Vorsicht zu genießen. Aber warum findet man diese Zahlen nicht in den Zeitungen des deutschen Mainstreams? Passen sie nicht in das Bild von der Ukraine, welche angeblich geschlossen hinter Selenski steht?
Die Tagesschau und das Völkerrecht
Tagessschau.de veröffentlichte am 12. August unter der Überschrift „Was das Völkerrecht zu Gebietsabtretungen sagt“ Ausführungen von Pierre Thielbörger, Professor für Völkerrecht an der Ruhr-Universität Bochum. Er gestand ein, dass es in bestimmten Fällen ein Recht von Völkern auf Abtrennung vom Mutterland gibt. Das Völkerrecht setze da aber „enge Grenzen.“
„Eine ‚äußere‘ Selbstbestimmung, also die Abspaltung vom Mutterstaat, ist hingegen nur unter extremen Umständen möglich. Ein Volk muss systematisch unterdrückt werden und unter schweren Menschenrechtsverletzungen leiden, um sich abspalten zu dürfen. Im Fall der Krim und der Ost- und Südukraine gab es solche schweren Rechtsverletzungen durch die ukrainische Regierung jedoch nicht.“
Mit einem Handstreich wischt Thielbörger vom Tisch, dass die ukrainische Armee und rechtsradikale Bataillone seit dem April 2014 mit schweren Waffen eine „Antiterroristische Operation“ (ATO) gegen die Zivilbevölkerung in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk begann. Diese Operation stieß auf erbitterten Widerstand von bewaffneten Separatisten, die nach dem Staatsstreich in Kiew, das Verbot ihrer Muttersprache – Russisch – und den ukrainischen Nationalismus fürchteten.
Das Abkommen von Minsk? Nie gehört!
Dass es im Donbass Separatisten gab, darüber wurde in den Jahren 2014 und 2015 immerhin noch von den großen deutschen Medien berichtet. Immerhin wurden die Kämpfe zwischen Separatisten und ukrainischer Armee 2015 mit dem Minsk-2-Abkommen beendet. Dieses Abkommen trägt die Unterschriften von dem früheren Präsidenten der Ukraine, Leonid Kutschma, sowie von den damaligen Präsidenten der beiden selbsternannten Republiken Donezk und Lugansk, Aleksandr Sachartschenko und Igor Plotnizki.
Der von der Tagesschau.de zitierte Rechtsprofessor Thielbörger, behauptet, es habe „keine schweren Rechtsverletzungen“ der Ukraine gegenüber der Zivilbevölkerung im Südosten der Ukraine gegeben. Doch was ist mit dem ukrainischen Beschuss von Wohngebieten in den „Volksrepubliken“? Was ist mit dem Angriff auf das Gewerkschaftshaus von Odessa, das von Ultranationalisten abgefackelt wurde, während die Polizei zuguckte? 42 Menschen starben.
Professor Thielbörger behauptet auf Tagesschau.de, man müsse völkerrechtlich „zwischen ´innerer´ und ´äußerer´ Selbstbestimmung unterscheiden. ´Innere´ Selbstbestimmung bedeutet: Nationale Minderheiten bekommen innerhalb des Mutterstaates besonderen Schutz, also zum Beispiel Selbstverwaltung oder Schutz ihrer Kultur und Traditionen.“
Mit keinem Wort erwähnte der Professor, dass das Minsk-2-Abkommen eben Selbstverwaltung und Schutz der Kultur für die russischsprachige Bevölkerung in den Volksrepubliken Donezk und Lugansk vorsah. Das ukrainische Parlament weigerte sich aber über Jahre, das Abkommen zu ratifizieren und Donezk und Lugansk Sonderrechte einzuräumen.
Es ist erschreckend, mit welcher Leichtigkeit ein Rechts-Professor auf Tagesschau.de Raum bekommt, sich auszubreiten ohne mit einem Wort auf die Entstehung des Konfliktes zischen ukrainischen Nationalismus und dem Widerstand der russischen Bevölkerung in der Südostukraine einzugehen. Damit übergeht Tagesschau.de die Interessen von Millionen Menschen in der Südostukraine, die sich gegen den Staatsstreich in Kiew im Februar 2014 auf verschiedene Weise zur Wehr setzten. Mit einseitiger Berichterstattung, welche wesentliche Fakten verschweigt, wird der Boden bereitet, für eine aggressive deutsche Politik, welche die Ukraine zur Speerspitze gegen Russland ausbauen will.
Was wollen die Menschen in der Südostukraine?
Verfälschend berichtet Tagesschau.de auch über die Stimmung in der ostukrainischen Bevölkerung. Es wird behauptet, dass wenn Russland, die noch nicht eroberten Gebiete in den Oblasten Donezk, Saporischschja und Cherson im Rahmen einer Friedensvereinbarung zugestanden werden, würde das bedeuten, dass aus diesen Gebieten Hunderttausende in die Zentralukraine fliehen, weil sie nicht unter „brutalen russischen Methoden“ leben wollten.
Sicherlich wird es Menschen geben, die nicht in einem Gebiet leben wollen, welches Russland erobert hat. Aber was ist mit den Menschen, die heute schon in diesen Gebieten leben? Warum flüchten sie nicht? Warum haben Hunderttausende von ihnen 2022 russische Pässe beantragt? Warum kehren sogar in die Zentral-Ukraine geflüchtete Menschen in die von Russland besetzte Stadt Mariupol zurück, wie Christoph Wanner, in einer Live-Schaltung für Welt.de berichtete? Diese Menschen – so Wanner – seien in der Ukraine nicht ausreichend versorgt worden. Sie hätten sich deshalb unter russische Besatzung begeben.
Die deutschen Mainstream-Medien wollen einfach nicht wahrhaben, dass die ukrainische Bevölkerung gespalten ist. Einige fühlen sich zu Russland hingezogen, andere nicht. Was ist daran so schwer zu verstehen? Gibt es nicht auch in der Schweiz Kantone mit verschiedenen Sprachen? Die ukrainische Regierung wollte der russischsprachigen Bevölkerung ab 2022 keine Autonomie gewähren. Ein Bürgerkrieg war die Folge. Dass nun ausgerechnet ein US-Präsident kommen muss, um Selenskij und auch den Deutschen zu erklären, dass mit dem Krieg jetzt Schluss gemacht werden muss, sagt Einiges über die antirussische Verbohrtheit der deutschen Elite aus.
Von Ulrich Heyden erschien „Der längste Krieg in Europa seit 1945. Augenzeugenberichte aus dem Donbass.“ Tredition, Hamburg 2022
veröffentlicht in: Overton-Magazin
