Goldene Brücken für Saakaschwili
Ein Jahr nach dem russisch-georgischen Krieg ist kein Frieden für die Region in Sicht. An der Grenze zwischen Südossetien und Rest-Georgien wird tagtäglich geschossen
Das Verteidigungsministerium in Moskau warnt mit Nachdruck, bei "weiteren Provokationen“ Georgiens werde man zum Schutz der Bevölkerung und der Soldaten in Südossetien „alle Mittel“ zur Gegenwehr einsetzen.
Den Moskauer Militärspezialisten und Kreml-Kritiker, Pawel Felgenhauer, veranlasst dies zu der düsteren Prognose, schon in den nächsten Tagen werde es zu einen russischen Blitzkrieg gegen Georgien kommen. Beweise konnte er allerdings nicht vorlegen.
Dass es in der Region zu einer erneuten Konfrontation kommt, ist angesichts des verbesserten Gesprächsklimas zwischen Moskau und Washington höchst unwahrscheinlich. Die USA, die Saakaschwili immer noch stützen, brauchen Russland, um ihre Probleme mit dem Iran und in Afghanistan zu lösen. Barack Obama sprach sich in einem Telefonat mit Präsident Medwedjew für Konfliktschlichtung in Georgien aus. Und der Moskauer Kommersant zitiert das US-Verteidigungsministerium, Georgien erhalte nur noch „dosierte Hilfe“, unter anderem bei der Ausbildung seiner Armee, seit August 2008 aber keine Waffen mehr.
Heftige PR-Gefechte
Die georgische Opposition, die im Frühsommer wochenlang das Stadtzentrum von Tiflis belagert und in Massen-Demonstrationen den Rücktritt von Saakaschawili gefordert hatte, räumte Ende Juli, kurz vor dem Besuch von US-Vizepräsident Biden, die Straßenblockaden in der Innenstadt von Tiflis. Einige Oppositionsführer sprechen nun wieder mit Saakaschwili und hoffen offenbar auf Erfolge bei kommenden Wahlen. Andere wie Ex-Außenministerin Salome Zurabishwili kündigen erneute Massen-Proteste für den Herbst an und warnen, es könnte einen spontanen Aufruhr gegen den autoritären Präsidenten geben.
Ansonsten nutzen Moskau und Tiflis den Jahrestag des Krieges, um einander heftige PR-Gefechte zu liefern, mit dem Ziel, der jeweils eigenen Sicht über den Kriegsverlauf im August 2008 Nachdruck zu verleihen. Dadurch wollen offenbar beide Seiten auf den für September angekündigten Bericht einer EU-Kommission Einfluss nehmen, der Auskunft darüber geben soll, wer den Krieg angefangen hat. Dieser Report ist für Georgien von großer Bedeutung, denn Saakaschwili hat sein Ziel, das Land in die NATO zu führen, nicht aufgegeben. Wenn Brüssel indes ohne Einschränkungen feststellt, der georgische Staatschef sei Auslöser der Kämpfe vor einem Jahr gewesen, wären die Chancen für einen baldigen Beitritt verbaut. Als im Juni durchsickerte, die Kommissionsmitglieder seien mehrheitlich zu dem Schluss gekommen, dass Georgien mit dem Angriff auf Südossetien am 7. August begonnen habe, schlugen sofort die Wellen hoch – und die dafür verantwortlich gemachte Kommission der EU wiegelte ab.
Wie bei Gamsachurdia
Aber auch der kremlkritische Kommersant hat inzwischen unter Berufung auf anonyme Quellen über die Stimmung unter den Kommissions-Mitgliedern berichtet. Aus ihrer Sicht sei Saakaschwili zuständig gewesen für den Einmarsch georgischer Truppen in Südossetien, allerdings durch das Verhalten Russlands zu seinem Handeln veranlasst worden. Außerdem betrachte man die Moskauer Reaktiion als „nicht verhältnismäßig“. Es würde kaum verwundern, wenn die EU-Kommission Saakaschwili noch einmal eine goldene Brücke baut. Nicht das erste Mal würde man ihm im Westen vieles nachsehen. Anstatt die schon 2004 geäußerten Kriegs-Drohungen des „Rosenrevolutionärs“ gegen Abchasien und Südossetien ernst zu nehmen, berauschte man sich in Berlin, Paris und Rom an Saakaschwilis Demokratie-Bekenntnissen und der Aussicht, dass da jemand im Kommen sei, der westliche Energie-Interessen im Kaukasus zu schützen wisse.
Es wurden die Fehler wiederholt, wie es sie schon 1991 beim ersten postsowjetischen Präsidenten Georgiens, Swiad Gamsachurdia, gab. Der hatte 1991 nach dem Zerfall der Sowjetunion am Autonomie-Status der georgischen Provinzen gerüttelt und so dazu beigetragen, dass es 1991 in Abchasien und Südossetien zu blutigen Bürgerkriegen mit Tausenden von Toten und Zehntausenden von Flüchtlingen kam. Die nationalistischen Eskapaden von Gamsachurdia und Saakaschwili wollte der Westen nicht wahrhaben. Stattdessen suchte man die Schuld immer reflexartig bei Moskau.
"Der Freitag"