Goldgräberstimmung im Eis
Mit der Verankerung seiner Staats-Flagge unter dem Eis der Arktis unterstrich Russland seine territorialen Ansprüche. Bodenschätze versprechen gigantische Verdienstmöglichkeiten.
Als Im Sommer russische Forscher mit dem Mini-Tauchboot "Mir-1" eine russische Staatsflagge aus Titan mehr als viertausend Meter tief unter dem Eis des Nordpols in den Meeresboden rammten, standen die Medien im Land Kopf. "Wir haben gezeigt, dass die Arktis unser ist", titelte das Massenblatt "Moskowski Komsomolez" in patriotischem Überschwang. Andere Nordpol-Anrainer reagierten dagegen sauer. Der kanadische Außenminister Peter McKay polterte angesichts des Kosaken-Stücks: "Wir leben nicht im 15. Jahrhundert! Man könne nicht einfach um die Welt reisen, eine Flagge hissen und sagen: ´Wir beanspruchen das Gebiet´."
Außenminister Sergej Lawrow konterte, "ich bin sehr verwundert, Entdecker haben immer Fahnen aufgestellt". Ziel der Expedition sei es - so Lawrow - wissenschaftliche Beweise dafür zu sammeln, dass der unterseeische Lomonossow-Rücken am Nordpol mit dem russischen Festland verbunden ist. Die Frage der Nutzungsrechte müsse auf Grundlage des internationalen Rechts neu geregelt werden.
Russland ist nicht das einzige Land, das Nutzungsrechte am Lomonossow-Rücken beansprucht. Dänemark, es vertritt die autonome Region Grönland außenpolitisch, versucht ebenfalls zu beweisen, dass der Lomonossow-Rücken mit Grönland verbunden ist.
Bis zum Jahresende wollen die Russen nun Beweise vorlegen, dass ihre Ansprüche berechtigt sind. Russland beansprucht den größten Teil der Arktis, ein Dreieck von Murmansk im Westen, über Tschukotka im Fernen Osten bis zum Nordpol; insgesamt 1,2 Millionen Quadratkilometer.
Seit das arktische Eis mit beängstigender Geschwindigkeit schmilzt, werden die Stimmen aller Nordpol-Anrainer, die Ansprüche auf das nördlichste Territorium der Erdkugel anmelden, immer lauter. Das Abschmelzen der Eisdecke könnte die Hebung der Bodenschätze erleichtern und die Schifffahrt in der Arktis beleben. Der Nordpol könnte also schon bald zur wirtschaftlich und geopolitisch bedeutenden Region werden.
Nach russischen Schätzungen lagern in der Arktis 100 Milliarden Tonnen Kohlenwasserstoffe, insbesondere Öl und Gas. Das sei etwa doppelt soviel wie die russischen Vorräte auf dem Festland. Die Technologie für Bohrungen und Pipelines am Nordpol müsste allerdings erst entwickelt werden. Bisher gelangen nur Bohrungen in der 400 Meter dicken Tiefseeschlammschicht, die über dem Meeresboden liegt.
Von einigen deutschen Forschern wird allerdings bezweifelt, dass es direkt am Nordpol Öl- und Gaslagerstätten gibt. Sie vermuten derartige Lager eher in den Randgebieten des Arktischen Ozeans, etwa im ostsibirischen Kontinentalschelf.
Nach internationalem Recht gehört der Nordpol niemandem. Seine Anrainer haben im Grunde nur Anspruch auf eine 370 Kilometer breite Wirtschaftszone vor den Küsten des jeweiligen Landes. Wenn jedoch einer der Anrainer nachweisen kann, dass einer der unterseeischen Rücken am Nordpol mit dem eigenen Festland verbunden ist und dies durch Gesteinsuntersuchungen belegen kann, kann bei der Uno-Kommission, die die Grenzen des Kontinentalschelfs festlegt, ein Antrag auf die Erweiterung der Nutzungszone gestellt werden. Russland machte 2001 den Anfang. Zur Prüfung des Antrags forderte die Kommission jedoch weitere Daten an. Dazu hat Russland bis 2009 Zeit. Dann endet auch ein internationales Polarforschungsjahr, während dem Experten aus aller Welt Erkentnnisse über den aktuellen Zustand am Nordpol zusammentragen sollen.
"Thüringer Allgemeine"