Hohe Militärs üben Druck auf Zeugen aus
Ein Peiniger des Soldaten Andrej Sytschow muss für vier Jahre ins Arbeitslager. Der Soldat Andrej Sytschow, dem nach Quälereien in der Panzerschule von Tscheljabinsk während der Silvesternacht beide Beine und die Genitalien amputiert werden mussten, liegt immer noch im Militärkrankenhaus Burdenko in Moskau. Sein Zustand verbessert sich. Doch über das Urteil des Militärgerichts von Tscheljabinsk, das einen seiner Peiniger gestern zu vier Jahren Arbeitslager verurteilte, freut er sich nach einem Bericht von "Radio Echo Moskwy" nicht.
Die Familie Sytschow, die in dem Prozess als Nebenkläger auftrat, kritisierte das Urteil als "zu milde". Das Gericht verurteilte den Sergeanten Alexander Sywjakow, weil er Sytschow gezwungen hatte, drei Stunden in der Hocke zu sitzen. Außerdem war Sytschow stundenlang getreten worden. Zwei andere Peiniger wurden lediglich zu Bewährungsstrafen von eineinhalb Jahren verurteilt. Der Anwalt des Opfers hatte die Höchststrafe von zehn Jahren Arbeitslager gefordert.
Der Prozess vor dem Militärgericht verlief dramatisch. Staatsanwälte und hohe Militärs drängten Soldaten zur Rücknahme ihrer Zeugenaussagen. Zeitungen berichteten, der Mutter von Andrej Sytschow seien 100 000 Dollar geboten worden, wenn die Familie ihre Klage zurückzieht und erklärt, dass der Wundbrand Folge einer angeborenen Krankheit ist.
Unausrottbares Übel
Der Fall Sytschow machte weltweit Schlagzeilen. Jedes Jahr sterben Soldaten in Folgen der "Dedowschina", der "Herrschaft der Großväter", wie die inoffizielle Hackordnung in der russischen Armee heißt. Doch der Fall Sytschow rüttelte die russische Öffentlichkeit auf, wegen seiner besonderen Grausamkeit.
Als der Skandal im Januar aufflog, gaben kritische Erklärungen einzelner Militärstaatsanwälte Anlass zu der Hoffnung, der Fall Sytschow könne den Anstoß für eine innere Reform der russischen Armee geben. Doch die Versuche der Armeeführung, den Skandal zu vertuschen, sprechen eine andere Sprache. Die russischen "Soldatenmütter" meinen, dem Übel könne man nur zu Leiben rücken, indem man eine Berufsarmee aufbaut.
veröffentlicht in: Sächsische Zeitung