30. November 2011
Ihr Vater war Stalin
Swetlana, die einzige Tochter des sowjetischen Diktators, ist im Alter von 85 Jahren in den USA gestorben. Sie war eine traurige Wanderin zwischen den Welten.
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Es gibt nur wenige Fotos, die Swetlana zusammen mit ihrem Vater zeigen. Auf einem von ihnen trägt Josef Stalin seine Tochter auf Händen. Doch auch dieses private Bild diente der Parteipropaganda, die den Diktator als treusorgenden Familienvater zeigen wollte – eine Rolle, die er nie wirklich angenommen hatte. Unter der Unnahbarkeit des Vaters litt die gesamte Familie und auch Swetlana ein Leben lang. Nun starb Stalins Tochter im Alter von 85 Jahren. Sie erlag bereits vor einer Woche einem Krebsleiden, wie eine Gerichtsmedizinerin des Bezirks Richland (US-Staat Wisconsin) mitteilte. Dort hatte sie in einem Altersheim gelebt, offenbar in großer Einsamkeit.
Schwerer Schicksalsschlag
Obwohl Swetlana selbst unter ihrem autoritären Vater litt, hatte sie ihr ganzes Leben lang in der Öffentlichkeit die Bürde zu tragen, dass sie die Tochter eines brutalen Diktators war. Bis zuletzt hat Swetlana, die nach ihrer Emigration 1967 die US-Staatsbürgerschaft annahm, keine Ruhe gefunden. Sie war eine Wanderin zwischen den Welten. Swetlana lebte in Großbritannien, aber vor allem in den USA, wo sie 1970 den Architekten William Peters heiratete, mit dem sie die Tochter Olga hatte. Die Ehe wurde 1973 geschieden.
Der erste Schicksalsschlag für Swetlana kam, als sie sechs Jahre alt war. Ihre Mutter, Nadeschda Allilujewa, beging Selbstmord. Zeitzeugen berichten, Stalin habe Nadeschda oft brutal behandelt und sie einmal an den Haaren auf die Tanzfläche gezerrt.
„Nach dem Tode der Mutter gab es keine Familie mehr“, erinnert sich Swetlana. Aber auch schon davor sei es mit dem Familienleben schwer gewesen. Beim Frühstück habe immer das ganze Politbüro mit am Tisch gesessen. Stalin liebte seine Tochter über alles und wollte sie immer an seiner Seite sehen. Er wollte schließlich auch bestimmen, mit wem Swetlana eine Liebesbeziehung eingeht und wen sie heiratet.
1949 schloss Stalins Tochter an der Moskauer Universität eine Ausbildung als Historikerin ab. Danach arbeitete sie als Lehrerin und Übersetzerin. Die Tochter Stalins war dreimal verheiratet, hatte zwei Töchter und einen Sohn. Nach dem Tod Stalins im Jahr 1953 nahm sie den Mädchennamen ihrer Mutter an: Swetlana Allilujewa.
Ihr Weg aus der Sowjetunion war ungewöhnlich. Die Tochter Stalins verliebte sich 1963 in Brajesh Singh, einen Kommunisten aus Indien. 1966 starb er. Daraufhin brachte Swetlana seine Asche zu Singhs Familie. Am 6. März 1967 wurde Swetlana vom US-Botschafter in Neu Delhi empfangen. Dieser bot der berühmten Sowjetbürgerin politisches Asyl an. Über die Schweiz emigrierte Swetlana dann in die USA. Dort rechnete sie auf einer Pressekonferenz scharf mit dem Kommunismus ab. Die berühmte Sowjetbürgerin erklärte, das sowjetische Politbüro müsse man für die gleichen Verbrechen anklagen wie ihren Vater. Ihr zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution veröffentlichtes Buch „Zwanzig Briefe an einen Freund“, in dem Swetlana über ihren Vater und das Leben im Kreml schreibt, wurde zum Bestseller. In der Zeit des Kalten Krieges wurde die Tochter Stalins zu einer Kronzeugin gegen das sowjetische Regime. Mit den Verkaufseinnahmen von 2,5 Millionen Dollar konnte sie ihr Leben in den USA finanzieren.
Überraschende Rückkehr
Überraschend kehrte Swetlana 1984 mit ihrer Tochter Olga noch einmal in die Sowjetunion zurück. Dort erklärte sie auf einer Pressekonferenz, sie sei im Westen „nicht einen Tag frei gewesen“. Doch es gab neue Probleme. Sie fand keinen Draht mehr zu ihren beiden Kindern Josef und Jekaterina, die sie 1967 in der Sowjetunion zurückgelassen hatte. Swetlana lebte dann mit ihrer Tochter Olga kurze Zeit in Georgien. Doch Swetlana überwarf sich mit ihren Verwandten, und auch mit der sowjetischen Führung nahmen die Spannungen wieder zu. 1986 ging Stalins Tochter endgültig zurück in den Westen, nachdem sich der damalige KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow persönlich für ihre Ausreisegenehmigung stark gemacht hatte.
In den russischen Medien wurde ausführlich über den Tod der berühmten Russin berichtet. Der Fernsehkanal NTW hob hervor, dass sich Swetlana Allilujewa als Kosmopolitin verstanden habe. In einer Fernsehreportage erklärte Swetlana, sie habe sowohl die amerikanische als auch die sowjetische Atombombe abgelehnt. Sie stehe „in der Mitte“.
veröffentlicht in: Sächsische Zeitung
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Es gibt nur wenige Fotos, die Swetlana zusammen mit ihrem Vater zeigen. Auf einem von ihnen trägt Josef Stalin seine Tochter auf Händen. Doch auch dieses private Bild diente der Parteipropaganda, die den Diktator als treusorgenden Familienvater zeigen wollte – eine Rolle, die er nie wirklich angenommen hatte. Unter der Unnahbarkeit des Vaters litt die gesamte Familie und auch Swetlana ein Leben lang. Nun starb Stalins Tochter im Alter von 85 Jahren. Sie erlag bereits vor einer Woche einem Krebsleiden, wie eine Gerichtsmedizinerin des Bezirks Richland (US-Staat Wisconsin) mitteilte. Dort hatte sie in einem Altersheim gelebt, offenbar in großer Einsamkeit.
Schwerer Schicksalsschlag
Obwohl Swetlana selbst unter ihrem autoritären Vater litt, hatte sie ihr ganzes Leben lang in der Öffentlichkeit die Bürde zu tragen, dass sie die Tochter eines brutalen Diktators war. Bis zuletzt hat Swetlana, die nach ihrer Emigration 1967 die US-Staatsbürgerschaft annahm, keine Ruhe gefunden. Sie war eine Wanderin zwischen den Welten. Swetlana lebte in Großbritannien, aber vor allem in den USA, wo sie 1970 den Architekten William Peters heiratete, mit dem sie die Tochter Olga hatte. Die Ehe wurde 1973 geschieden.
Der erste Schicksalsschlag für Swetlana kam, als sie sechs Jahre alt war. Ihre Mutter, Nadeschda Allilujewa, beging Selbstmord. Zeitzeugen berichten, Stalin habe Nadeschda oft brutal behandelt und sie einmal an den Haaren auf die Tanzfläche gezerrt.
„Nach dem Tode der Mutter gab es keine Familie mehr“, erinnert sich Swetlana. Aber auch schon davor sei es mit dem Familienleben schwer gewesen. Beim Frühstück habe immer das ganze Politbüro mit am Tisch gesessen. Stalin liebte seine Tochter über alles und wollte sie immer an seiner Seite sehen. Er wollte schließlich auch bestimmen, mit wem Swetlana eine Liebesbeziehung eingeht und wen sie heiratet.
1949 schloss Stalins Tochter an der Moskauer Universität eine Ausbildung als Historikerin ab. Danach arbeitete sie als Lehrerin und Übersetzerin. Die Tochter Stalins war dreimal verheiratet, hatte zwei Töchter und einen Sohn. Nach dem Tod Stalins im Jahr 1953 nahm sie den Mädchennamen ihrer Mutter an: Swetlana Allilujewa.
Ihr Weg aus der Sowjetunion war ungewöhnlich. Die Tochter Stalins verliebte sich 1963 in Brajesh Singh, einen Kommunisten aus Indien. 1966 starb er. Daraufhin brachte Swetlana seine Asche zu Singhs Familie. Am 6. März 1967 wurde Swetlana vom US-Botschafter in Neu Delhi empfangen. Dieser bot der berühmten Sowjetbürgerin politisches Asyl an. Über die Schweiz emigrierte Swetlana dann in die USA. Dort rechnete sie auf einer Pressekonferenz scharf mit dem Kommunismus ab. Die berühmte Sowjetbürgerin erklärte, das sowjetische Politbüro müsse man für die gleichen Verbrechen anklagen wie ihren Vater. Ihr zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution veröffentlichtes Buch „Zwanzig Briefe an einen Freund“, in dem Swetlana über ihren Vater und das Leben im Kreml schreibt, wurde zum Bestseller. In der Zeit des Kalten Krieges wurde die Tochter Stalins zu einer Kronzeugin gegen das sowjetische Regime. Mit den Verkaufseinnahmen von 2,5 Millionen Dollar konnte sie ihr Leben in den USA finanzieren.
Überraschende Rückkehr
Überraschend kehrte Swetlana 1984 mit ihrer Tochter Olga noch einmal in die Sowjetunion zurück. Dort erklärte sie auf einer Pressekonferenz, sie sei im Westen „nicht einen Tag frei gewesen“. Doch es gab neue Probleme. Sie fand keinen Draht mehr zu ihren beiden Kindern Josef und Jekaterina, die sie 1967 in der Sowjetunion zurückgelassen hatte. Swetlana lebte dann mit ihrer Tochter Olga kurze Zeit in Georgien. Doch Swetlana überwarf sich mit ihren Verwandten, und auch mit der sowjetischen Führung nahmen die Spannungen wieder zu. 1986 ging Stalins Tochter endgültig zurück in den Westen, nachdem sich der damalige KPdSU-Generalsekretär Michail Gorbatschow persönlich für ihre Ausreisegenehmigung stark gemacht hatte.
In den russischen Medien wurde ausführlich über den Tod der berühmten Russin berichtet. Der Fernsehkanal NTW hob hervor, dass sich Swetlana Allilujewa als Kosmopolitin verstanden habe. In einer Fernsehreportage erklärte Swetlana, sie habe sowohl die amerikanische als auch die sowjetische Atombombe abgelehnt. Sie stehe „in der Mitte“.
veröffentlicht in: Sächsische Zeitung
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