Stalin, Truman und Churchill auf der Potsdamer Konferenz. Bild: U.S. Government.
Nicht nur SPD und KPD, auch die CDU orientierte sich in ihrem Ahlener Programm vom Februar 1947 am Potsdamer Abkommen. Das Ahlener Programm begann mit den Sätzen: "Das kapitalistische Wirtschaftssystem ist den staatlichen und sozialen Lebensinteressen des deutschen Volkes nicht gerecht geworden. Nach dem furchtbaren politischen, wirtschaftlichen und sozialen Zusammenbruch als Folge einer verbrecherischen Machtpolitik kann nur eine Neuordnung von Grund aus erfolgen."
In Hessen wurden im Dezember 1946 bei einer Volksabstimmung der Artikel 41 für die Landesverfassung angenommen. Der Artikel sah die Vergesellschaftung wirtschaftlicher Grundstoff- und Schlüsselindustrien und die Beaufsichtigung oder Verwaltung von Großbanken und Versicherungsunternehmen durch den Staat vor. Doch bei der Umsetzung später haperte es. Der Artikel 41 wurden nicht umgesetzt, weil sich die CDU und die amerikanische Besatzungsbehörde querstellten.
Der demokratisch-antifaschistische Impuls des Potsdamer Abkommens ging schnell verloren. Die Entnazifizierung in den Westzonen Deutschlands wurde nur halbherzig vollzogen. Am 12. März 1947 kündigte US-Präsident Harry S. Truman in einer Botschaft an den US-Kongress das freundliche Verhältnis zur Sowjetunion ganz offiziell auf. Die USA - so Truman - würden von nun an alle "freien Völker" gegen den Kommunismus unterstützen. Damit begann die Politik der "Eindämmung" der Sowjetunion. Staaten, die an die Sowjetunion grenzten, sollten zu antirussischen Bollwerken aufgebaut werden.
Das betraf auch Westdeutschland. Im März 1948 wurde von Frankreich, Großbritannien und den Benelux-Staaten der Brüsseler Pakt unterzeichnet. Mit dem Brüsseler Pakt wollte man die westlichen Militärkapazitäten gegen die Sowjetunion bündeln.
1948 wurde unter Ludwig Erhard die Bizone und die Bank deutscher Länder - eine Vorgängerin der Bundesbank - gegründet. Eine endgültige Teilung Deutschlands in zwei Wirtschaftsräume erfolgte im Juni 1948 durch die Währungsreform in Westdeutschland und West-Berlin. Die Sowjetunion reagierte im gleichen Monat mit der Blockade von Westberlin.
Die einseitigen Schritte zu einer Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitik in den Westzonen widersprachen dem Potsdamer Abkommen, in dem unmissverständlich geschrieben stand: "Während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten."
Der Aufbau eines westdeutschen Separat-Staates ging zügig voran. Am 23. Mai 1949 trat das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland in Kraft. Erst vier Monate später, am 7. Oktober 1949 erklärt sich der 2. Deutsche Volksrat zur Provisorischen Volkskammer und setzt die Verfassung der DDR in Kraft.
Nach der Gründung der Bundesrepublik erklärte Bundeskanzler Adenauer, dass allein die Bundesrepublik Deutschland das deutsche Volk vertrete, da es in Ostdeutschland keine freien Wahlen gäbe.
Die immer stärker werdende Verhärtung zwischen der Sowjetunion und den Westalliierten machte die Bedingungen für die Arbeit der KPD in Westdeutschland immer schwieriger. Die Partei musste sich in den Westzonen nicht nur mit revanchistischen Stimmungen in Teilen der Bevölkerung auseinandersetzen, die ein Ende der Entnazifizierung und eine Zurückgabe von Schlesien, Pommern und Ostpreußen forderten. Die Kommunisten in den westlichen Besatzungszonen Deutschlands mussten auch zu Vorwürfen westdeutscher Medien und Politiker Stellung nehmen, nach der die Vereinigung von KPD und SPD in der Sowjetischen Besatzungszone unter Zwang erfolgt und die Bevölkerung von Westberlin durch die "Berlin-Blockade" der Sowjetunion in eine Notlage gebracht worden war.
Zu dem ideologischen Druck von Politikern und Medien kamen juristische Maßnahmen. In den westlichen Besatzungszonen wurden immer wieder Zeitungen der KPD verboten oder mussten wegen kritischer Äußerungen über die westlichen Besatzungsmächte für Monate ihr Erscheinen einstellen. So wurde Ende August 1947 einem der Lizenzträger der Frankfurter Rundschau, dem Kommunisten und Journalisten Emil Carlebach, die Lizenz entzogen.
Alle Versuche der KPD, auch in den Westzonen eine Einheitspartei mit den Sozialdemokraten zu gründen, wurden von den westlichen Militärbehörden und dem Führer der westdeutschen SPD, Kurt Schumacher, hintertrieben oder administrativ unterbunden.
Die deutschen Kommunisten bezeichnete Kurt Schumacher wortgewaltig als "rotlackierte Nazis". Die KPD sei verantwortlich für den Zusammenbruch der Weimarer Republik. Auf ein Verhandlungsangebot der DDR-Volkskammer antwortete Schumacher am 30. Januar 1951 im Bundestag, "die deutschen Demokraten können nur mit Deutschen über Deutschland verhandeln, aber nicht mit Gesinnungsrussen, deren Deutschtum eine bloße Äußerlichkeit ist."
Während Schumacher sich von den Kommunisten mit viel Getöse abgrenzte, äußerte er sich - im Gegensatz zu dem ersten deutschen Bundeskanzler, Konrad Adenauer - zurückhaltend zu einer Integration der westlichen Besatzungszonen in Wirtschafts- und Verteidigungsbündnisse mit westlichen Staaten. Darin sah Schumacher eine Gefährdung der Wiedervereinigung Deutschlands. Stalins Vorschlag von 1952, Deutschland zu einem neutralen Staat zu machen, hätte man nach Meinung des damaligen SPD-Vorsitzenden zumindest prüfen müssen.2 Dass Schumacher zunächst nicht zu den Befürwortern der Westintegration gehörte, hatte auch damit zu tun, dass sechs Millionen Deutsche, die aus den Ostgebieten nach Westdeutschland geflüchtet waren, auf eine Rückkehrmöglichkeit in ihre alte Heimat hofften. Mit seiner Rhetorik für die Einheit Deutschlands wollte Schumacher diese Menschen für die SPD gewinnen.
Trotz ihrer Reputation als mutige Kämpfer gegen Hitler, waren die führenden Politiker der KPD einem Trommelfeuer westdeutscher Medien und Politiker ausgesetzt, welche Kommunisten als Anti-Demokraten und Gefolgsleute von Stalin verächtlich machten.
Führende Mitglieder der KPD waren während des Hitler-Faschismus in Gefängnissen und Konzentrationslagern eingekerkert.
Max Reimann, seit 1948 Vorsitzender KPD in den westlichen Besatzungszonen, war ab 1942 im KZ-Sachsenhausen eingekerkert.
Kurt Müller, seit 1948 stellvertretender KPD-Vorsitzender in Westdeutschland, war sechs Jahre Gefangener im Zuchthaus Kassel und danach im KZ Sachsenhausen.
Harry Naujoks, 1946 Vorsitzender der KPD Hamburg, war von 1933 bis 1945 Häftling in verschiedenen Konzentrationslagern.
Wilhelm Prinz, von 1949 bis 1951 Landesvorsitzender der KPD Hamburg, war ab 1941 Häftling im KZ Sachsenhausen.
Erich Otto Hoffman, von 1945 bis 1950 Chefredakteur des KPD-Organs "Hamburger Volkszeitung", war drei Jahre in Konzentrationslagern eingekerkert, zuletzt in Buchenwald.
Die KPD in Westdeutschland war keine reine Parlamentspartei. Sie hatte auch starke Organisationen in Betrieben und Stadtteilen. In den westdeutschen Betrieben hatte die KPD in den unmittelbaren Nachkriegsjahren erheblichen Einfluss. 1947 beteiligten sich Kommunisten führend an Demonstrationen und Streiks gegen Hunger und schlechte Versorgung. Am Arbeitsplatz wog das persönliche Verhalten der Kommunisten mehr, als die Frage, wie stehst du zur Sowjetunion?
Max Reimann, Vorsitzender der KPD (1950). Bild: Walter Heilig / Bundesarchiv, Bild 183-S99067 / CC-BY-SA-3.0
1946 waren die Betriebsräte der drei großen Hamburger Werften - Blohm & Voss, Deutsche Werft, Howaldtswerke - sowie der beiden mittelgroßen Werften - Norderwerft und Stülckenwerft - mehrheitlich Mitglieder der KPD.3 Im westdeutschen Bergbau waren Ende 1946 38 Prozent der Betriebsräte Mitglieder der KPD.4
Die Kommunisten in Westdeutschland hatten in den ersten zwei Nachkriegsjahren beachtliche Erfolge bei Wahlen und bei der Gewinnung von Mitgliedern. Der Faschismus war zerschlagen. Der Krieg hatte ungeheure Verwüstungen und soziales Elend angerichtet. Die Sowjetunion forderte zwar Reparationen aus Ostdeutschland. Aber viele Deutsche verstanden, dass der Krieg von deutschem Boden ausgegangen war und man froh sein konnte, dass dieser Krieg, der viele deutsche Städte in eine Trümmerwüste verwandelt hatte, beendet war.
Eine neue Ideologie gab es in Westdeutschland noch nicht. Die Mitläufer der NSDAP mussten sich politisch neu orientieren. In diese Lücke stieß die KPD mit ihrem Programm zu einem Aufbau eines friedlichen, demokratischen Deutschlands. Bis 1947 war die Partei - außer in Schleswig-Holstein - in allen westdeutschen Landesparlamenten vertreten. Die KPD stellte auch Minister und Senatoren in mehreren Landesregierungen.
In Niedersachsen war das KPD-Mitglied Karl Abel in den Jahren 1946 bis 1948 Minister für Gesundheit und Minister ohne Geschäftsbereich.
In Bremen wurden 1945 zwei KPD-Mitglieder zu Senatoren ernannt. Herrmann Wolters wurde Senator für Ernährung und Arbeitseinsätze, Adolf Ehlers Senator für Wohlfahrt. Nach dem Übertritt der beiden Politiker in die SPD, bekamen 1946 zwei andere KPD-Mitglieder Senatoren-Posten. Die KPD-Mitglieder Käthe Popall und Albert Häusler wurden Senatoren für Gesundheit sowie Wohnraumbeschaffung und Brennstoffbeschaffung.
Auch in Hamburg waren 1945/46 zwei Senatoren Mitglieder der KPD. Friedrich Dettmann war Senator für Gesundheit und Franz Heitgres Senator für Flüchtlingsfürsorge und Wiedergutmachung.
Hamburg war vor und nach dem Hitler-Faschismus eine Hochburg der KPD. Im April 1932, bei den letzten freien Bürgerschaftswahlen vor dem Machtantritt der Nazis, bekam die KPD in der Hansestadt 15 Prozent der Stimmen. Bei der ersten Bürgerschaftswahl nach der Befreiung vom Faschismus, im Oktober 1946, erhielt die KPD in Hamburg 10,4 Prozent der Stimmen.
Doch der 1947 beginnende Kalte Krieg zwischen den Westmächten und der Sowjetunion vergiftete das innenpolitische Klima in den Westzonen. Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl im Oktober 1949 sank das Wahlergebnis der Kommunisten auf 7,4 Prozent und bei den Bürgerschaftswahlen im November 1953 auf 3,2 Prozent der Stimmen.
Die Zeit von Faschismus und Krieg war für die KPD ein scharfer Einschnitt. 1933 hatte die Partei im Gebiet der späteren Westzonen 150.000 Mitglieder. Nach dem Zweiten Weltkrieg schlossen sich in Westdeutschland etwa die Hälfte dieser Mitglieder wieder der KPD an. Bis zum September 1947 konnte die KPD ihre Mitgliedschaft in den Westzonen nach eigenen Angaben auf 324.000 Mitglieder mehr als vervierfachen.
Doch ab 1947 sank der Einfluss der KPD kontinuierlich. Während die Partei bei den ersten Bundestagswahlen im August 1949 5,7 Prozent der Stimmen bekam - 1,3 Millionen Wähler hatten für die Kommunisten gestimmt -, stimmten bei der Bundestagswahl 1953 nur noch 2,2 Prozent der Wähler für die Kommunisten. Von Seiten der Militärverwaltungen in den westlichen Besatzungszonen, der sich neu bildenden westdeutschen Verwaltungen sowie von Seiten der Gewerkschaftsführer waren KPD-Mitglieder zunehmend Repressionen ausgesetzt.
Im November 1951 stellte die Bundesregierung einen Verbotsantrag gegen die KPD. Der Antrag wurde begründet mit der KPD-Parole vom "aktiven Widerstand" gegen die Remilitarisierung Westdeutschlands.
Am 17. August 1956 wurde die KPD dann vom Bundesverfassungsgericht verboten. Zum Zeitpunkt ihres Verbots war die KPD noch in den Landesparlamenten von Niedersachsen, Bremen und dem Saarland vertreten. Deutsche Gerichte nahmen 125.000 Ermittlungen gegen KPD-Mitglieder auf. 7.000 Personen wurden verurteilt.
Nicht nur die Verhärtung des außen- und innenpolitischen Klimas, auch eine innerparteiliche Verhärtung schwächte die KPD. In Bremen traten die beiden Senator Wolters und Ehlers zur SPD über. Sie kritisierten die KPD für eine nicht entschiedene sozialistische Politik und die Abhängigkeit der SED von der Sowjetunion.5
In Bayern trat Heinrich Schmitt, Minister für besondere Aufgaben, aus der KPD aus.
Die zwischen 1949 bis 1952 durchgeführten "Säuberungen" in der KPD haben tiefe Spuren hinterlassen. Gegen die Bremer Sozialsenatorin Käthe Popall eröffnete die KPD 1952 ein Ausschlussverfahren, welches aber wegen dem Widerstand der Parteibasis nicht zum Vollzug kam.6
Der bekannteste Fall der Partei-"Säuberungen" sind die Maßnahmen gegen den stellvertretenden KPD-Vorsitzende Kurt Müller. Er wurde 1950 von einem Beauftragten der SED nach Ost-Berlin geholt und dort verhaftet. Nach fünfjähriger Haft in der DDR und der Sowjetunion kehrte Müller nach Westdeutschland zurück. Er trat in die SPD ein und wurde Mitarbeiter der Friedrich-Ebert-Stiftung.
Die Politik der KPD bewegte sich bis 1947 in dem vom Potsdamer Abkommen gesteckten Rahmen. Die Partei forderte nicht den sofortigen Übergang zum Sozialismus, sondern beschränkte sich auf demokratische Forderungen wie die Entnazifizierung und die Zerschlagung der Monopole. Es gab in der KPD-Führung die Hoffnung, man könne die Großbetriebe nach einer Entnazifizierung gemäß dem Potsdamer Abkommen zum Teil einer friedlichen Wirtschaft machen.
Die ostdeutsche SED und die westdeutsche KPD arbeiteten bis 1947 noch mit dem gleichen strategischen Ziel. Der SED-Theoretiker Anton Ackermann hatte im Februar 1946 die These vom "besonderen deutschen Weg zum Sozialismus" vorgestellt und damit eine Beschränkung der KPD-Politik auf antifaschistische und demokratische Forderungen theoretisch begründet.
Nicht wenigen KPD-Mitgliedern war die Absage an sozialistische Forderungen suspekt. Sie forderten eine sofortige Verstaatlichung der Schlüsselindustrien und den Übergang zum Sozialismus. Die Parteiführung musste Überzeugungsarbeit leisten, denn die SPD redete unaufhörlich vom Sozialismus. Warum nicht auch die KPD?, fragten sich viele Kommunisten.
Auf dem "1. Bezirksparteitag der KPD Wasserkannte"7 im Mai 1946 begründete der damalige Bezirksvorsitzende Erich Hoffmann die Möglichkeit eines "unblutigen Übergangs zum Sozialismus" damit, dass "in großen Teilen Deutschlands die alte reaktionäre Staatsmaschinerie vollständig beseitigt ist" und "die kapitalistischen Kräfte (…) durch die Zerschlagung der Trusts (besonders in der sowjetischen Zone) weitgehendst geschwächt" sind. Im September 1946 erklärte der neue Vorsitzende des Bezirks Wasserkante, Gustav Gundelach, wenn der Prozess der demokratischen Erneuerung gelänge, sei "am Ende dieser Entwicklung ohne Blutvergießen der Übergang zum Sozialismus" möglich.
Da sich die Widersprüche zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion ab 1947 zuspitzten, gab die KPD 1948 die These vom "besonderen deutschen Weg" auf. Anton Ackermann erklärte nun, die These sei "zweifellos eine Konzession an die starken antisowjetischen Stimmungen in gewissen Teilen der deutschen Bevölkerung" gewesen. "Die Theorie von einem besonderen deutschen Weg zum Sozialismus lässt dem Antibolschewismus Raum, statt ihn zu bekämpfen [...] sie hindert schwankende und unklare Elemente daran, die richtige Position zu finden [...] Sie [...] muss [...] liquidiert und bis auf den letzten Rest ausgemerzt werden."
Dieser harte Kursschwenk hing mit der neuen Generallinie der KPdSU zusammen. Ab 1948 wurden überall in den ost- und westeuropäischen KPs angebliche "Agenten des Westens", "Titoisten" und "Trotzkisten" enttarnt. Es gab Parteiausschlüsse und in Osteuropa sogar Haftstrafen und auch Todesurteile gegen führende Kommunisten. In der Tschechoslowakei wurden im sogenannten Slansky-Prozess 1951 elf führende Funktionäre der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei als angebliche Titoisten, Trotzkisten und westliche Agenten gehängt.
Viele Opfer der Repressionen wurden in den Volksdemokratien Osteuropas nach Stalins Tod stillschweigend "rehabilitiert". In der SED/PDS begann 1989 eine öffentliche Aufarbeitung der Verbrechen gegen Parteimitglieder während der 1930er, 1940er und 1950er Jahre.
In dem Hauptreferat auf dem letzten Parteitag der SED im Dezember 1989 sprach der Hochschullehrer Michael Schumann über die Verbrechen an Mitgliedern der Parteien des sozialistischen Lagers, ohne dass er dabei den Sozialismus insgesamt verdammte. "Die Mehrzahl dieser Menschen ist, obwohl sie schlimmen Drangsalen ausgesetzt war, ihren sozialistischen und humanistischen Idealen treu geblieben. Soweit es sich um Genossen unserer Partei handelt, haben sich die meisten nach Wiedererlangung der Freiheit ohne zu zögern weiter in unseren Reihen für eine sozialistische Zukunft eingesetzt, (Beifall) und das, liebe Genossinnen und Genossen, obwohl ihre Rehabilitierung oft nur halbherzig, verklausuliert oder gar nicht erfolgt ist. Vielen können wir noch postum die Ehre zurückgeben."
In der neuen Linken in Westdeutschland wurde über den Stalinismus schon in den 1970er Jahren hart diskutiert. Doch die im Zuge der Perestroika Ende der 1980er Jahre bekanntgewordenen Fälle lösten in Westdeutschland erneute Debatte aus. Die neuen Fakten über den Stalinismus und der wirtschaftliche Kollaps der Sowjetunion Ende der 1980er Jahre beschleunigten den Auflösungsprozess der verschiedenen kommunistischen Parteien und Organisationen in Westdeutschland. Nicht wenige "harte Kommunisten" entdeckten plötzlich Vorzüge der Marktwirtschaft. Mit dem Ende des "realen Sozialismus" schien eine Alternative zum Kapitalismus in unerreichbare Ferne gerückt.
Für viele - auch undogmatische - Linke war das Ende des "realen Sozialismus" eine seelisch-moralische Katastrophe. Eine ganze Generation der westdeutschen Linken war der festen Überzeugung gewesen, Sozialismus sei auch in Westdeutschland möglich. Man hatte sich in den 1960er Jahren politisiert. Damals herrschte in der Linken Aufbruchstimmung. Begeistert sang man die Lieder von Ernst Busch und Lieder vom Widerstand gegen die Militärjunta in Chile. Viele westdeutsche Intellektuelle machten nicht Karriere in ihrem Beruf, sondern gingen in Betriebe und begannen mit kämpferischer Gewerkschaftsarbeit. Zahlreiche Mitglieder der DKP und Aktivisten der Neuen Linken wurden zu Betriebsräten und Jugendvertretern gewählt.
Linke Gedanken waren im westdeutschen Kulturbetrieb seit dem Ende der 1960er Jahre nicht mehr verpönt. Sie begannen wie Hefe in einem Teig die Jugend zu infizieren. Die Konservativen reagierten zunächst unbeholfen und repressiv. Erst ab Mitte der 1980er Jahre gelang es der politischen Elite die rebellische Jugend über die Partei Die Grünen wieder in das System zu integrieren.
Die Geschichte der Kommunisten in Westdeutschland ist äußerst wechselhaft. Nachdem die Kommunisten 1956 mit dem KPD-Verbot aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen worden waren, zeigte sich Ende der 1960er Jahre, dass dieser Ausschluss für die politische Elite mehr Probleme brachte als Nutzen. 1968 wurde mit der DKP wieder eine kommunistische Partei in Westdeutschland zugelassen. Für die Zulassung gab es innen- und außenpolitische Gründe.
In Westdeutschland entwickelte sich in den 1960er Jahren eine Protestbewegung, die - für Herrschenden überraschend - alle gesellschaftlichen Bereiche erfasste. Die Proteste richteten sich gegen den Krieg in Vietnam, die Notstandsgesetze, gegen Faschismus, Revanchismus (die NPD und CDU forderten die "Wiedergewinnung der verlorenen Ostgebiete") und gegen einen verknöchert-patriarchalen Alltag, indem Frauen nichts zu sagen hatten und Homosexuelle sich verstecken mussten.
Die deutsche Wirtschaft hoffte, angesichts der wirtschaftlichen Rezession 1966 - der ersten in der Nachkriegszeit -, ihre Position durch Geschäfte mit der Sowjetunion zu verbessern.
Doch wie sollte das bewerkstelligt werden, war doch die Ideologie des Antikommunismus zur tragenden Säule der Bundesrepublik geworden. In den 1960er Jahren gehörte die Bundesrepublik (mit Spanien, Portugal und Griechenland) zu den Staaten in Westeuropa in denen die Kommunistische Partei verboten war.
Italien - weniger belastet von der paranoiden Angst vor allem Linken und Kommunistischem - war Deutschland bei seinen Wirtschaftskontakten mit der Sowjetunion voraus. Fiat baute 1966 in der Stadt Toljatti an der Wolga das große Lada-Autowerk. Der Vorsitzende der Kommunistischen Partei Italiens, Palmiro Togliatti, hatte das Bauprojekt persönlich an der Wolga eingefädelt.
Für Westdeutschland gab es ein Problem. Es konnte nicht so einfach Wirtschaftsbeziehungen mit der Sowjetunion aufnehmen. Die Sowjetbürger hätten das, nur 25 Jahre nach dem deutschen Vernichtungskrieg, nicht verstanden. Ausgerechnet Westdeutschland! Dort feierte die NPD in den 1960er Jahren Wahlerfolge. Abgeordnete der NPD saßen in den Landesparlamenten von Hessen, Bayern, Bremen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und Schleswig-Holstein. Und die KPD war immer noch verboten.
In dieser Situation entschied die Bundesregierung die Neugründung einer kommunistischen Partei unter dem Namen DKP zuzulassen. Das Parteiprogramm der DKP war weniger scharf formuliert als das der KPD. Die Rede war nicht mehr von der "Diktatur des Proletariats", sondern von der "Macht der Arbeiterklasse" und einer "antimonopolistischen Demokratie".
DKP-Parteitag 1976 in Bonn. Bild: Detlef Gräfingholt / Bundesarchiv, B 145 Bild-F047883-0002 / CC-BY-SA-3.0
Mit der Zulassung der DKP hoffte die Bundesregierung wohl auch, ein Abdriften von Teilen der linken Protestbewegung in den Untergrund zu verhindern. Viele Linke meinten Ende der 1960er Jahre, die Gefahr eines neuen Faschismus in Deutschlan, sei nicht gebannt. Die im Mai 1968 vom Bundestag beschlossenen Notstandgesetze und ein Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger, welcher der NSDAP angehört hatte, zeigten nach Meinung vieler Linker, dass die Bundesrepublik noch nicht wirklich zur Demokratie entschlossen war.
Wie wichtig es für die sowjetische Führung war, dass es in der Bundesrepublik eine legale kommunistische Partei gab, zeigte sich im September 1971 beim Besuch des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt auf der Krim. Dort führte der westdeutsche Kanzler mit dem damaligen KPdSU-Generalsekretär Leonid Breschnew Gespräche über einen Vertrag8 zur Entspannung der Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik Deutschland.
In seinen Erinnerungen schreibt9 Brandt: "Beiläufig fragte Breschnew, ob es den Tatsachen entspreche, dass "die Partei von Herrn Bachmann"10 (die DKP) in der Bundesrepublik legal tätig sei. (Dies war sein Weg, vom offensichtlich lästigen KPD-Thema wegzukommen.) Ich bestätigte, die DKP sei aktiv und legal tätig. Sie könne konkurrieren wie jede andere Partei. Mir gegenüber sei sie nicht freundlich, aber das erwarte ich natürlich auch nicht. Bei uns gäbe es Kreise, die ein Verbot wünschten, aber dies sei nicht meine Meinung."
In keinem Land Westeuropas ist der Antikommunismus bis heute so ausgeprägt wie in Deutschland. Das 1956 vom Bundesverfassungsgericht verhängte KPD-Verbot ist immer noch in Kraft. Warum? Weil Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg seine faschistische Vergangenheit nur schleppend und widerwillig aufgearbeitet und sich stattdessen als Frontstaat im Kalten Krieg eingerichtet hat.
Um tausende Kommunisten, die während der Nazizeit in deutschen KZs gequält und ermordet wurden, trauert das offizielle Deutschland heute nicht. Bei Gedenkveranstaltungen zum Zweiten Weltkrieg und der Hitler-Zeit werden sie nicht erwähnt.
Der im KZ Buchenwald 1944 ermordete Vorsitzende der KPD und Abgeordnete der Hamburger Bürgerschaft, Ernst Thälmann11, muss sich in Westdeutschland mit einem "Stolperstein" vor dem Hamburger Rathaus begnügen. Sein Antifaschismus wiegt in der öffentlichen Debatte weniger schwer als sein "Stalinismus". Dass Thälmann von 1933 bis 1944 in Einzelhaft saß, dass er bei Verhören mit einer Nilpferdpeitsche misshandelt und ihm vier Zähne ausgeschlagen wurden, verschweigen die großen deutschen Medien.
Dass man Thälmann nicht ehrt, habe er selbst verschuldet, so die weitverbreitete Meinung unter westdeutschen Intellektuellen. Warum hat er auch die KPD nach den Stalinschen Prinzipien strenger Parteidisziplin aufgebaut und die SPD vor dem Machtantritt Hitlers als den Hauptfeind bezeichnet? Dass die gegen die SPD gerichtete Sozialfaschismus-These von den Kommunistischen Parteien 1935 aufgegeben wurde, wird nur von Wenigen zur Kenntnis genommen.
Aufschlussreich ist, dass sich die großen deutschen Medien für ermordete Kommunisten dann interessieren, wenn sie von den eigenen Leuten umgebracht wurden. Als Ende der 1980er in der Sowjetunion - im Zuge der Perestroika unter Gorbatschow - bekannt wurde12, dass deutsche Kommunisten, die in den 1930er Jahren vor Hitler in die Sowjetunion geflüchtet waren, dem Terror von Stalin zum Opfer fielen, berichteten die deutschen Medien ausführlich. Und Anfang der 2000er Jahre stellten13 sich die großen Medien dann wie selbstverständlich auf die Seite derjenigen in der Partei Die Linke, die forderten, man müsse an der Parteizentrale der Partei Die Linke in Berlin eine Gedenktafel für die "Tausenden in der Sowjetunion verfolgten und ermordeten" deutschen Kommunisten anbringen.
Die westlichen Besatzungsmächte hatten der SED nach ihrer Gründung 1946 verboten, sich in den Westzonen auszubreiten. Doch es war wie ein Witz der Geschichte, dass mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik, die SED-Nachfolgepartei PDS ganz legal in Westdeutschland politisch aktiv wurde.
Ich erinnere mich noch gut an einen Auftritt von Gregor Gysi 1990 im alten Hörsaal der Universität Hamburg. Die Stimmung unter den Hamburger Linken war nach dem Zusammenbruch des realen Sozialismus mau. Und da kam dieser Gysi, der in seiner humorvollen Art ganz anders rüberkam als die bekannten Partei-Oberen aus DDR. Der PDS-Vorsitzende erzählte, fast wie in einem schönen Märchen, die Geschichte des Sozialismus sei noch nicht zu Ende. Es gäbe einen dritten Weg, jenseits von Stalinismus und Kapitalismus.
Die Zuhörer in Hamburg waren fasziniert von diesem Mann, für den das Ende des "realen Sozialismus" kein Grund für Trauer war, sondern Anlass, frohen Herzens neue Wege zu beschreiten. Doch nicht Wenige blieben skeptisch. Mit dem "dritten Weg" hatte doch schon Lenin in seinen Werken abgerechnet. War diesem Gysi zu trauen?
Gregor Gysi bei einer PDS-Wahlkundgebung in Schwerin (1990). Bild: Wolfried Paetzold /Bundesarchiv, Bild 183-1990-0215-023 / CC-BY-SA-3.0
Für die Medien war der neue Polit-Star Gysi ein gefundenes Fressen. Einige Zeit konnten sich Zeitungen und Fernsehsender nicht entscheiden, ist Gysi nun gut und schlecht für Deutschland?
Dann begann man dem Parteivorsitzenden aus Ost-Berlin und der PDS Steine in den Weg zu legen. Es durfte einfach nicht sein, dass die Nachfolgepartei der SED sich völlig gleichberechtigt am deutschen Politik-Betrieb beteiligt.
Wieder und wieder wurde der Vorsitzende der PDS vom "Spiegel" ohne Beweise als informeller Mitarbeiter der Stasi verdächtigt. Jahrelang hagelte es Vorwürfe, die PDS habe sich ungesetzlich "Milliarden" der SED angeeignet.
Das Kuckucks-Ei, welches die DDR der BRD ins Nest gelegt hatte, wurde vom Verfassungsschutz beobachtet. Im März 2014 teilte Innenminister Thomas de Maizière dem damaligen Fraktionsvorsitzenden Gregor Gysi mit, dass Bundestagsabgeordnete seiner Partei nicht mehr vom Verfassungsschutz beobachtet werden.
Doch diese Erklärung war unglaubwürdig. Ein Beispiel: Die Linke-Politikerin und Vizepräsidentin des Bundestages, Petra Pau, bekam zwar Einsicht in ihre Akte, die der Verfassungsschutz über sie führte. Große Teile der Akte waren jedoch geschwärzt.14
Das Schwärzen von Akten schürt Unsicherheit. Für ein Land, welches international für Demokratie und Menschenrechte eintritt, ist so eine Praxis höchst fragwürdig.
Bis heute steht die Partei Die Linke unter strenger Beobachtung der deutschen Medien. Immer wenn Jemand aus der Partei Die Linke direkte Kritik an der NATO und der USA übt, kommt eine Gegenattacke von den "Leitmedien". Als der Linken-Abgeordnete Alexander Neu im Bundestag am 10. März 2020 eine Veranstaltung der Linken-Fraktion zur Verbesserung der deutsch-russischen Beziehungen15 organisierte, auf der eine der russischen Regierung nahestehende russische Politologin ein Referat hielt, lief "Spiegel Online" Sturm und drohte unterschwellig mit staatlichen Maßnahmen gegen die Partei Die Linke.
Beim Lesen des Artikels von Spiegel-Online-Autor Jonas Schaible über die Linken-Veranstaltung hat man den Eindruck, dass der Artikel nicht von einem unabhängigen Journalisten, sondern von einem Pressesprecher des Verfassungsschutzes geschrieben wurde. In dem Spiegel-Artikel heißt es, "die Linke steht derzeit unter Beobachtung wie lange nicht. Nach diesem Abend noch etwas mehr."16
Die Veranstaltung der Linken mit einer russischen Politologin sei eine "heikle Veranstaltung in einem heiklen Moment", schreibt Spiegel-Online. Warum heikel? Weil der Abgeordnete Neu "als Initiator einer Strafanzeige gegen die Bundeskanzlerin wegen des US-Drohnenmordes am iranischen General Qassim Soleimani gerade erst den Zorn vieler in Partei und Fraktion auf sich gezogen hat und jetzt ein Podium bekommt."
"Heikel" ist also, wenn ein deutscher Bundestagsabgeordneter Willkürakte der USA von deutschem Boden aus unterbinden will und russische Politologen auf Veranstaltungen sprechen lässt. Kaum zu glauben, dass solche Artikel heute als "Journalismus" anerkannt werden, wo sie doch eigentlich PR für die Regierung sind.
SPON-Autor Schaible fordert von der Partei "Die Linke" absolute Treue zur Nato und zur USA. Er schreibt: "Heikel ist die Veranstaltung, weil die Partei schon lange damit ringt, dass immer wieder Linke Diktaturen und Menschenrechtsverletzungen allenfalls halbherzig kritisieren, wenn es um linke Regierungen wie in Kuba und Venezuela, oder eben um Russland geht. Das aber wirft die Frage auf, ob man mit dieser Partei regieren kann. Und mehr noch: ob alle in der Partei bedingungslos zur liberalen Demokratie stehen."
Dass die Dienste und "Leitmedien" gegen Linke Misstrauen schüren, ist seit 1945 eine Konstante in der westdeutschen und Politik. Die Öffentlichkeit hat sich an diesen Zustand gewöhnt, aber mit Demokratie hat das nichts zu tun. Demokratie heißt, gleiche Chancen für alle, auch für die kleineren Parteien. Die folgende historische Untersuchung ist eine überarbeitete Fassung meiner Magisterarbeit, die 1990 von der Historischen Fakultät der Universität Hamburg angenommen wurde.
nachgedruckt in: Telepolis