27. September 2010

Kraftprobe mit dem Kreml

Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau

Moskaus Bürgermeister Juri Luschkow soll von seinem Amt zurücktreten. Noch will er sich nicht beugen.

Für Moskaus Bürgermeister war es keine leichte Woche. Juri Luschkow hatte sich zu einem Kurzurlaub auf sein Anwesen in Österreich zurückgezogen, um dort seinen 74. Geburtstag zu feiern. Es gab Glückwunschtelegramme von Premier Wladimir Putin und der Präsidentengattin Swetlana Medwedjewa.

Doch ein Freudentag war es nicht für den Bürgermeister, der seit 1992 regiert. Denn die Feier war überschattet von den Gerüchten über seinen angeblich kurz bevorstehenden Rücktritt. Doch bisher denkt der 74-Jährige nicht daran, seinen Posten zu räumen. In einem Interview des privaten Fernsehkanals Rent TV erklärt Luschkow, aus eigenem Antrieb werde er nicht abtreten. „Ich gehören nicht zu denen, die desertieren und denen nachgeben, welche keinen Grund haben, mich zu so einer Entscheidung zu drängen.“

Gegen ihn laufe eine „Informationskampagne“. Der Grund für diese Kampagne sei, dass „bestimmte Personen“ in den „oberen Machtetagen“ seine „Selbstständigkeit“ nicht gefalle.

Die Rücktritts-Gerüchte waren durch Enthüllungsberichte der staatlichen Fernsehsender ausgelöst worden, in denen Luschkow Korruption und die Begünstigung seiner Ehefrau, der Bauunternehmerin und mehrfachen Milliardärin, Jelena Baturina, vorgeworfen wurde. Für Beobachter war klar, dass die Kampagne nur mit grünem Licht aus dem Kreml möglich war. Doch weder Präsident Medwedjew noch Premier Putin haben sich bisher zu den Berichten geäußert.

Die Abberufung von Luschkow als Bürgermeister würde sich logisch einreihen in die Strategie von Dmitri Medwedjew, die Leiter von Regionen, die seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion im Amt sind, der Reihe nach abzulösen. So wurden bereits die altgedienten Präsidenten der Teilrepubliken Tatarstan und Baschkirien in den Ruhestand geschickt.

Der Machtkampf um Moskau gilt als schwerste innenpolitische Krise Russlands seit Langem. Aus Sicht von Beobachtern wäre die Entlassung Luschkows ein Erdbeben in der Machtzentrale Moskau. Viele Russen, die sich an die blutigen Mafia- und Clankämpfe in den 1990er-Jahren erinnern, sehen in Luschkow einen Garant für Stabilität.

Die Anhänger von Medwedjew befürchten eine Niederlage in dieser Kraftprobe mit Luschkow, der als Vertrauter von Putin gilt. Der Regierungschef hatte Luschkow noch im Sommer gesagt, dass er bis zum Ende seiner Amtszeit 2011 regieren könne. (mit dpa)

"Sächsische Zeitung"

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