30. April 2012

Kreml geht auf Distanz zu Kiew

Fünf Wochen vor der Fußball-EM spitzt sich die politische Situation in der Ukraine zu. Nachdem die Haftbedingungen und der Hungerstreik der inhaftierten ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko in einer Strafkolonie in Charkow internationale Proteste ausgelöst hatten, gibt es für den ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch mit den Terroranschlägen von Dnjepropetrowsk am Freitag ein zweites Problemfeld.

Bei dem Anschlag wurden 30 Menschen verletzt. Im Fall von Julia Timoschenko wird in Moskau Kritik an Kiew laut.
Der ukrainische Ministerpräsident Nikolai Asarow stellte die jüngsten Bombenanschläge in Zusammenhang mit dem Kampf zwischen Regierung und Opposition, nannte aber für seine Behauptung keine Beweise. Auf seiner Facebook-Seite erklärte Asarow, die Anschläge nützten den Kräften, die „an der Destabilisierung im Land interessiert sind“. Diese Erklärung steht im Gegensatz zur Erklärung von Chefermittler Wasili Farinnik, wonach kein politischer Hintergrund vorliege.
Es scheint auch möglich, dass es sowohl wirtschaftliche als auch politische Hintergründe gibt. So hatte eine unbekannte Terrorgruppe im November nach einem Bombenanschlag in Dnjepropetrowsk erklärt, man werde weitere Bomben in den Städten zünden, wo die Fußball-EM stattfindet. Die Industriestadt Dnjepropetrowsk ist aber kein Austragungsort der EM.
Unterdessen spitzt sich der Konflikt um Julia Timoschenko zu. Ein zweites Strafverfahren gegen sie sollte am Sonnabend beginnen, wurde aber auf 21. Mai verschoben. Bei dem Verfahren geht es um Betrugsvorwürfe aus der Zeit vor 15 Jahren, als Timoschenko Unternehmerin war und die Firma „Vereinigte Energiesysteme der Ukraine“ leitete. Die Gerichtsverhandlung am Sonnabend fand ohne die Oppositionspolitikerin statt, deren Verteidiger erklärten, die Angeklagte könne aus gesundheitlichen Gründen nicht teilnehmen.
Unterdessen wird die Kritik aus Moskau an dem Verhalten der ukrainischen Regierung gegenüber der Oppositionspolitikerin lauter. Präsident Dimitri Medwedew erklärte, die Verfolgung von politischen Gegnern sei „absolut nicht zulässig.“ Diese Methode werfe „einen Schatten auf den Staat“. Man könne „sich hassen“ und sich „politisch bekämpfen“, aber wenn auf der Anklagebank eine Präsidentschafts-Kandidatin sitze, „weckt das Zweifel“. Der Kreml geht offenbar davon aus, dass sich die russlandfreundliche ukrainische Regierung durch ihr Vorgehen gegen Timoschenko von Europa isoliert und damit auch Russland schadet.

veröffentlicht in: Südkurier

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