25. November 2007
Kremlkritiker vor der Wahl festgenommen
Eine Woche vor der Parlamentswahl in Russland geht die Polizei in Moskau und Petersburg mit massiver Gewalt gegen die Opposition vor.
"Freies Russland – Russland ohne Putin“, riefen die Demonstranten. Zwischen 1500 und 3000 Menschen hatten sich am Sonnabend trotz diesig-kalten Wetters in Moskau am Sacharow-Prospekt versammelt. Wie schon bei vorherigen Kundgebungen des von Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow geführten Bündnisses „Das andere Russland“ waren die Omon-Sonderpolizei und die Truppen des Innenministeriums massiv präsent.
Kasparow hielt eine kämpferische Rede. Russland werde vom „Regime“ beleidigt und ausgeplündert. Und er versprach, sobald 150000 Menschen auf die Straße gingen, werde das Regime „zusammenbrechen“. Als die Kundgebungsteilnehmer dann zu einem nicht genehmigten Marsch zur Zentralen Wahlbehörde aufbrechen wollten, traten die mit schwerer Schutzkleidung ausgerüsteten Omon-Polizisten in Aktion.
Kasparow fünf Tage in Haft
Zusammen mit Zivilbeamten wurden gezielt etwa 15 Oppositionspolitiker und Aktivisten verhaftet, darunter auch Garri Kasparow. Der Oppositionspolitiker wurde wegen der Nichteinhaltung der Versammlungsordnung und dem Rufen von Parolen gegen Putin am Abend vom Meschanski-Gericht zu fünf Tagen Haft verurteilt. Keiner der Polizisten konnte jedoch sagen, was Kasparow genau gerufen hatte. Außerdem legte der Omon-Polizist, der den Oppositionsführer verhaftet hatte, zwei verschiedene Protokolle vor, die sich in einigen Teilen widersprachen.
Kasparow wird nach Angaben des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), völlig isoliert in Haft gehalten. Nach Gesprächen mit Kasparows Familie sagte Nooke dem „Tagesspiegel“ (Montagausgabe), weder Verwandte noch Anwälte hätten bis Sonntagnachmittag Zugang zu Kasparow bekommen. Nooke forderte die Freilassung von Kasparow und kritisierte das Verhalten der russischen Behörden scharf. „Man muss davon ausgehen, dass Wladimir Putin von der geplanten Verhaftung wusste und diese billigt“, sagte er.
Opposition behindert
In St. Petersburg sollte am gestrigen Sonntag ein „Marsch der Nichteinverstandenen“ stattfinden. Die Veranstalter hatten sich mit der Stadtverwaltung jedoch nicht auf eine Route einigen können. Eine Kundgebung auf dem Schlossplatz vor der Ermitage wollte die Stadt auf keinen Fall zulassen. Der Platz war von der Polizei abgeriegelt.
Trotzdem gelangten 100 von insgesamt 500 Demonstranten an den geschichtsträchtigen Ort. Während der Proteste in St. Petersburg wurden drei führende Politiker der liberalen „Union der Rechten Kräfte“ (SPS) festgenommen, darunter der erst vor wenigen Tagen vom Parteirat nominierte Präsidentschaftskandidat Boris Nemzow.
Gegenüber Journalisten berichtete er per Telefon über seine Verhaftung. „Ich stand auf dem Schlossplatz und unterhielt mich mit Rentnern und Lehrern. Wir waren absolut friedlich und unterhielten uns über die Preissteigerungen für Lebensmittel und Wohnungsbetriebskosten. Plötzlich kamen die Omonzy, stießen die Leute zur Seite, ergriffen mich und warfen mich in einen Gefangenentransporter.“ Nach einiger Zeit wurde Nemzow wieder freigelassen. Noch am Sonnabend hatte der frühere Vizeregierungschef Putin vorgeworfen, ein „Feigling“ zu sein, der Angst vor friedlichen Menschen habe.
Die liberalen Oppositionsparteien SPS und „Jabloko“ sowie die von Garri Kasparow geführte „Vereinigte Bürgerfront“ beklagen zunehmende Behinderungen im Wahlkampf. Im Moskauer Büro der SPS – die Partei bekommt nach Umfragen nur zwei Prozent der Stimmen – schlugen Unbekannte die Scheiben ein. Außerdem beschlagnahmten Sicherheitskräfte Werbematerial für den Wahlkampf.
Die SPS, deren Vertreter unter Jelzin noch in der Regierung saßen, seit 2003 aber nicht mehr im Parlament vertreten sind, sieht sich auch vermehrt mit Verleumdungen konfrontiert. Nach Aussagen von Spitzenkandidat Nikita Belych gäbe es Flugblätter, in denen SPS-Wahlkampfhelfer als Aids-Kranke bezeichnet werden, die man nicht in die Wohnung lassen dürfe.
Spitzenkandidat erschossen
Außerdem waren Flugblätter mit SPS-Logo aufgetaucht. Darin war die Ausgabe von Rabattkarten für Rentner im SPS-Büro angekündigt worden. Über die Karten gäbe es angeblich Preisnachlässe bei Stromrechnungen, Supermärkten und in Apotheken.
Der schwerste Zwischenfall am Wochenende ereignete sich jedoch im kaukasischen Dagestan, wo der Spitzenkandidat von Jabloko, Farid Babajew, am Sonnabend von Unbekannten mit vier Kugeln erschossen wurde. Babajew hatte sich in der russischen Teilrepublik Dagestan mit seinem Kampf gegen Polizeiwillkür und Korruption einen Namen gemacht.
"Sächsische Zeitung"
"Freies Russland – Russland ohne Putin“, riefen die Demonstranten. Zwischen 1500 und 3000 Menschen hatten sich am Sonnabend trotz diesig-kalten Wetters in Moskau am Sacharow-Prospekt versammelt. Wie schon bei vorherigen Kundgebungen des von Ex-Schachweltmeister Garri Kasparow geführten Bündnisses „Das andere Russland“ waren die Omon-Sonderpolizei und die Truppen des Innenministeriums massiv präsent.
Kasparow hielt eine kämpferische Rede. Russland werde vom „Regime“ beleidigt und ausgeplündert. Und er versprach, sobald 150000 Menschen auf die Straße gingen, werde das Regime „zusammenbrechen“. Als die Kundgebungsteilnehmer dann zu einem nicht genehmigten Marsch zur Zentralen Wahlbehörde aufbrechen wollten, traten die mit schwerer Schutzkleidung ausgerüsteten Omon-Polizisten in Aktion.
Kasparow fünf Tage in Haft
Zusammen mit Zivilbeamten wurden gezielt etwa 15 Oppositionspolitiker und Aktivisten verhaftet, darunter auch Garri Kasparow. Der Oppositionspolitiker wurde wegen der Nichteinhaltung der Versammlungsordnung und dem Rufen von Parolen gegen Putin am Abend vom Meschanski-Gericht zu fünf Tagen Haft verurteilt. Keiner der Polizisten konnte jedoch sagen, was Kasparow genau gerufen hatte. Außerdem legte der Omon-Polizist, der den Oppositionsführer verhaftet hatte, zwei verschiedene Protokolle vor, die sich in einigen Teilen widersprachen.
Kasparow wird nach Angaben des Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung, Günter Nooke (CDU), völlig isoliert in Haft gehalten. Nach Gesprächen mit Kasparows Familie sagte Nooke dem „Tagesspiegel“ (Montagausgabe), weder Verwandte noch Anwälte hätten bis Sonntagnachmittag Zugang zu Kasparow bekommen. Nooke forderte die Freilassung von Kasparow und kritisierte das Verhalten der russischen Behörden scharf. „Man muss davon ausgehen, dass Wladimir Putin von der geplanten Verhaftung wusste und diese billigt“, sagte er.
Opposition behindert
In St. Petersburg sollte am gestrigen Sonntag ein „Marsch der Nichteinverstandenen“ stattfinden. Die Veranstalter hatten sich mit der Stadtverwaltung jedoch nicht auf eine Route einigen können. Eine Kundgebung auf dem Schlossplatz vor der Ermitage wollte die Stadt auf keinen Fall zulassen. Der Platz war von der Polizei abgeriegelt.
Trotzdem gelangten 100 von insgesamt 500 Demonstranten an den geschichtsträchtigen Ort. Während der Proteste in St. Petersburg wurden drei führende Politiker der liberalen „Union der Rechten Kräfte“ (SPS) festgenommen, darunter der erst vor wenigen Tagen vom Parteirat nominierte Präsidentschaftskandidat Boris Nemzow.
Gegenüber Journalisten berichtete er per Telefon über seine Verhaftung. „Ich stand auf dem Schlossplatz und unterhielt mich mit Rentnern und Lehrern. Wir waren absolut friedlich und unterhielten uns über die Preissteigerungen für Lebensmittel und Wohnungsbetriebskosten. Plötzlich kamen die Omonzy, stießen die Leute zur Seite, ergriffen mich und warfen mich in einen Gefangenentransporter.“ Nach einiger Zeit wurde Nemzow wieder freigelassen. Noch am Sonnabend hatte der frühere Vizeregierungschef Putin vorgeworfen, ein „Feigling“ zu sein, der Angst vor friedlichen Menschen habe.
Die liberalen Oppositionsparteien SPS und „Jabloko“ sowie die von Garri Kasparow geführte „Vereinigte Bürgerfront“ beklagen zunehmende Behinderungen im Wahlkampf. Im Moskauer Büro der SPS – die Partei bekommt nach Umfragen nur zwei Prozent der Stimmen – schlugen Unbekannte die Scheiben ein. Außerdem beschlagnahmten Sicherheitskräfte Werbematerial für den Wahlkampf.
Die SPS, deren Vertreter unter Jelzin noch in der Regierung saßen, seit 2003 aber nicht mehr im Parlament vertreten sind, sieht sich auch vermehrt mit Verleumdungen konfrontiert. Nach Aussagen von Spitzenkandidat Nikita Belych gäbe es Flugblätter, in denen SPS-Wahlkampfhelfer als Aids-Kranke bezeichnet werden, die man nicht in die Wohnung lassen dürfe.
Spitzenkandidat erschossen
Außerdem waren Flugblätter mit SPS-Logo aufgetaucht. Darin war die Ausgabe von Rabattkarten für Rentner im SPS-Büro angekündigt worden. Über die Karten gäbe es angeblich Preisnachlässe bei Stromrechnungen, Supermärkten und in Apotheken.
Der schwerste Zwischenfall am Wochenende ereignete sich jedoch im kaukasischen Dagestan, wo der Spitzenkandidat von Jabloko, Farid Babajew, am Sonnabend von Unbekannten mit vier Kugeln erschossen wurde. Babajew hatte sich in der russischen Teilrepublik Dagestan mit seinem Kampf gegen Polizeiwillkür und Korruption einen Namen gemacht.
"Sächsische Zeitung"
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