An Lenins Anzug muss gespart werden
Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
In der Finanzkrise wird das Geld für die Aufbewahrung des toten russischen Revolutionsführers knapp.
Am 22. April, pünktlich zum 139. Geburtstag von Wladimir Iljitsch Lenin, war das Mausoleum am Roten Platz wieder geöffnet. Zwei Monate lang war der rot-schwarze Palast aus Granit und Marmor für Besucher geschlossen. In dieser Zeit hatte das „Allrussische Wissenschaftliche Institut für Heil- und aromatische Pflanzen“ den Leichnam in einer speziellen Kräuterlösung gebadet. Mit der Geheimlösung aus verschiedenen Substanzen hält man den balsamierten Leichnam ansehnlich. Dank der „einzigartigen Technologie“ könne man Lenin noch 100 Jahre lang zeigen, erklärte Jurij Denisow-Nikolskij, der Direktor des für die Lenin-Konservierung zuständigen Instituts gegenüber der Zeitung „Trud“.
Die Kommunisten kleideten die berühmte Mumie je nach politischer Konjunktur. 17 Jahre trug der tote Lenin eine Uniformjacke. Dann verpasste man ihm einen Anzug aus feinem Schweizer Lüstergewebe. Diesen leicht glänzenden Anzug aus feiner Wolle soll Lenin zu Lebzeiten besonders gern getragen haben. Weil die Balsamierungsmittel aber den Stoff angreifen, muss die Jacke eigentlich alle drei Jahre gewechselt werden. Nachdem sie zuletzt 2003 gewechselt wurde, war eine neue dieses Jahr überfällig. Doch da die Mittel wegen der Finanzkrise knapp sind, beschränkte man sich erneut damit, den Lüster-Zwirn mit Dampf zu Reinigen und mit einem Bügeleisen zu Glätten.
„Der Staat hat seit 1992 keine Kopeke mehr bezahlt. Alles wird von der Stiftung ,Lenin-Mausoleum‘ und privaten Förderern aufgebracht“, erklärte Denisow-Nikolskij. Die Reinigung des Anzugs ist das Mindeste, was gemacht werden muss, denn jeder Dreckfleck könne das Balsamierungsexperiment zunichte machen. Zum Geburtstag von Lenin zog wie jedes Jahr der Führer der russischen Kommunisten, Gennadij Sjuganow, mit mehreren Hundert Anhängern – darunter einer Schar „Junger Pioniere“ – zum Mausoleum. Ein Event-“Kreuz-Zug“, der eigentlich unter Führung von Ultranationalist Wladimir Wladimir Schirinowski und unter Beteiligung von Musikern der Gothic-Rock-Gruppe „Excorzist“ sowie Priestern und Mönchen unter der Parole „Weg mit dem Idol von der Kreml-Mauer“ um den Roten Platz und den Kreml ziehen wollte, wurde von der Polizei am Sammelplatz aufgehalten. Das Mausoleum sei ein „Kirche des Teufels“. Man müsse es vernichten, hieß es in einer Erklärung der „Kreuz-Zug“-Organisatoren.
Lenin landet auf Platz sieben
Liberale und Menschenrechtler fordern seit Jahren, Lenin zu beerdigen. Nach einer Umfrage eines Meinungsforschungsinstituts unterstützen zwei Drittel der Russen diese Forderung. Aber solange es noch eine beträchtliche Zahl von Anhängern des Revolutionsführers gibt, will niemand die Verantwortung für eine Beerdigung übernehmen – bei der Abstimmung des Staatsfernsehens über die „größten Russen“ landete Lenin im Dezember – nach dem Fürsten Aleksandr Newski (Platz 1) und Josef Stalin (Platz 3) –immerhin noch auf Platz sieben.
"Sächsische Zeitung"