22. August 2014

Militärpomp trotz leerer Kassen

Kiew feiert Unabhängigkeitstag mit Truppenparade / Maidan rechtzeitig geräumt
Ihre Erfolge an der Ostfront will die ukrainische Regierung mit einer Militärparade am 23. Jahrestag der Unabhängigkeit feiern. Die Maidan-Besetzer mussten weichen.


Der 23. Jahrestag der Unabhängigkeit der Ukraine wird am Sonntag mit großem Pomp gefeiert. Dabei sind bei den Kämpfen im Osten des Landes nach vorsichtigen Schätzungen der UNO mehr als 2000 Zivilisten getötet und etwa 5000 verletzt worden. Kein Grund zum Feiern, außerdem sind die Kassen leer.

Während die Bürger in Kiew nur noch kalt duschen können - die zentrale Warmwasserversorgung wurde aus Kostengründen bis Oktober abgestellt -, ist für die patriotische Ertüchtigung der Bevölkerung offenbar noch Geld da. Allein die Militärparade am Sonntag auf dem Kiewer Prachtboulevard Kreschtschatik wird fünf Millionen Euro kosten.

An der Truppenparade werden ukrainische Soldaten teilnehmen, die in der Ostukraine kämpfen. Außerdem sollen über den Kreschtschatik - auf dem bis vor kurzem noch Anti-Janukowitsch-Zelte standen - 1500 Offiziers- und Oberschüler marschieren. Bei der Generalprobe im Kiewer Zentrum waren Mittwochnacht Raketenwerfer und taktische Totschka-U-Raketen zu sehen. Ein großer Teil des präsentierten Militärgeräts war noch in der Sowjetunion entwickelt worden. Einige Hummer-Geländewagen zeugten von westlicher Militärhilfe.

Atomraketen werden auf dem Boulevard nicht zu sehen sein. Ihren nuklearen Status hat die Ukraine 1991 aufgegeben. Doch die rechtsradikale Partei Swoboda möchte die nukleare Bewaffnung wieder einführen. Das wird wohl ein Traum bleiben.

Kritik an der Militärparade gab es sowohl von der einst von Viktor Janukowitsch geführten und jetzt arg geschrumpften Partei der Regionen (PR) als auch von Aktivisten der Maidan-Bewegung. Der stellvertretende Sprecher der Parlamentsfraktion der PR Michail Tschetschetow erklärte, es wäre besser, das Geld für die Ausrüstung der Soldaten in der Ostukraine und den Wiederaufbau der Infrastruktur im Donbass auszugeben. Die Forderung nach einem Waffenstillstand wurde von der Partei der Regionen nicht erhoben. 30 Maidan-Aktivisten, die am Donnerstag vor der Präsidialverwaltung in Kiew demonstrierten, erklärten ebenfalls, eine teure Parade sei zur Zeit nicht angebracht.

Gerade noch rechtzeitig vor dem Aufmarsch waren die im Dezember 2013 errichteten Anti-Janukowitsch-Zelte und Barrikaden abgeräumt worden. Hunderte von Maidan-Aktivisten leben seitdem in Hotels und in Zelten auf der Truchanow-Insel, einem Nacherholungsgebiet am Dnjepr. Unter den Bürgern Kiews hatte es in den letzten Monaten zunehmend Kritik an der Besetzung des Maidan gegeben. Kritisiert wurde, dass es dort dreckig sei und Kriminalität herrsche.

Auch in der Kiewer politischen Elite war man parteiübergreifend zu der Entscheidung gekommen, dass der Unabhängigkeitsplatz geräumt und alle Kraft auf den Kampf in der Ostukraine konzentriert werden müsse. Gegen die Räumung des Zeltlagers protestierten nicht einmal mehr die sattsam bekannten rechten Scharfmacher Oleg Tjagnibok (Swoboda-Vorsitzender), Dmitri Jarosch (Vhef des Rechten Sektors) und Oleg Ljaschko (Radikale Partei). Der Kiewer Oberbürgermeister Vitali Klitschko erklärte, dass angesichts des Krieges im Lande ja »nicht irgendwer im Zentrum von Kiew einen Platz privatisieren« könne.

Der Maidan war seit den großen Demonstrationen und dem putschartigen Machtwechsel in Kiew zum nationalen Wallfahrtsort geworden. Hier feierten antirussisch aufgeputschte Ukrainer die Geburt eines neuen Landes. Die eigentliche Ziele des Maidan - Kampf gegen Korruption und Vetternwirtschaft - gerieten immer mehr in den Hintergrund.

Auch in anderen ukrainischen Städten wird es Militärparaden geben. Im ostukrainischen Dnjepropetrowsk kommt es zum »Marsch der Ehre«. Für den Abend sind ein großes Konzert auf dem »Platz der Helden des Maidan« und ein Feuerwerk geplant. In Odessa - wo die Prozesse wegen des Brandes im Gewerkschaftshaus am 2. Mai noch nicht begonnen haben - plant die ukrainische Marine eine Show auf dem Meer.

veröffentlicht in: Neues Deutschland

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