Moskau trauert um die Opfer der Terroranschläge in der Metro
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Moskau trauert. Einen Tag nach den Selbstmordanschlägen legten gestern viele Fahrgäste in den Metro-Stationen „Lubjanka“ und „Park Kultury“ Blumen nieder und stellren Kerzen für die Opfer auf. Die Trauernden hielten für einige Minute stille Andacht. Viele Frauen weinten still, andere schrien vor Kummer. In der russischen Hauptstadt wehten gestern die Fahnen an offiziellen Gebäuden auf Halbmast. Als Zeichen der Trauer verzichteten Fernsehsender auf Werbung und Unterhaltungsprogramme.
Fahndung auf Hochtouren
Auf Hochtouren läuft unterdessen die Fahndung nach einem Mann und zwei Frauen, die den beiden Attentäterinnen geholfen haben sollen. Steckbriefe der Polizei zeigen neben den unverletzten Gesichtern der toten Bombenlegerinnen die unscharfe Video-Aufnahme eines männlichen Begleiters mit Basecap.
Ministerpräsident Wladimir Putin rief die Sicherheitsbehörden auf, die Drahtzieher der Anschläge „aus den Tiefen der Kanalisation ans Tageslicht zu zerren“. Der Premier forderte eine effizientere Video-Überwachung und den Einsatz von Sprengstoff-Detektoren. Das Justizkomitee des Föderationsrates schlug vor, die Todesstrafe für Personen einzuführen, die Terrorakte vorbereiten.
Wer auf Moskaus Straßen Passanten fragt, wie es im Kaukasus weitergehen soll, bekommt unterschiedliche Antworten. Nach Ansicht von Ira, einer 50-jähriger Ingenieurin, dürfe man keinen Druck auf die Tschetschenen ausüben. Sie würden „schnell entflammen“. Der 45-jährige Wladislaw, der Lebensmittel für Supermärkte ausfährt, ist anderer Meinung. Wie man mit den Kaukasiern verfahren soll? „Alle raus aus Russland.“
Ramsan Kadyrow, den Russland als Präsidenten Tschetscheniens eingesetzt hatte, will größtmögliche Unabhängigkeit für seine Republik – allerdings ohne Austritt aus der Föderation. Kürzlich schlug er vor, die russischen Polizisten aus Tschetschenien abzuziehen. Der Kreml schweigt zu solchen Forderungen. Putin lässt Kadyrow freie Hand, weil er hofft, dass dieser mit den islamistischen Aufständischen kurzen Prozess macht und das Problem der islamistischen Untergrundkämpfer militärisch löst.
Offenbar hat die Moskauer Polizei von bevorstehenden Terrorakten gewusst. Eine Moskauerin sagte der Zeitung „Kommersant“, dass sie in der Nähe der „Lubjanka“ in einer Polizeiwache zufällig Zeugin wurde, wie ein hochrangiger Offizier in den Raum stürmte und schrie: „Wie konntet ihr sie verpassen, wir waren doch informiert.“ (mit dpa)
"Sächsische Zeitung"