3. January 2009

Moskau und Kiew werden sich schnell einigen müssen

Beim Gas-Streit mischen sich wirtschaftliche und politische Interessen

Von SZ-Mitarbeiter Ulrich Heyden

Moskau. In der Moskauer Gazprom-Zentrale herrscht eine eisige Atmosphäre. Wenn Kiew den „Vorzugspreis“ von 250 Dollar für Tausend Kubikmeter Gas ablehne – das ist weniger als Russland von Europa verlangt –, werde man an die Ukraine jetzt nur noch Gas zum „Marktpreis“ von 418 Dollar liefern, schnarrte der Chef des halbstaatlichen Konzerns Aleksej Miller in die Fernsehkameras. Das ukrainische Unternehmen Naftogaz wollte aber nur 201 Dollar bezahlen.

Offenbar gäbe es in der Ukraine politische Kräfte, „die sehr daran interessiert sind, dass es zwischen unseren beiden Ländern einen Gas-Konflikt gibt“, sagte Miller. Und Russland ist daran interessiert, dass die Russland-freundlichen Kräfte in der Ukraine Oberwasser bekommen, müsste er hinzufügen. Der Kreml hofft offenbar auf Julia Timoschenko, die bei den zwischen Moskau und Kiew strittigen Fragen wie Gas-Preis und Südossetien einen versöhnlicheren Ton anschlug als der ukrainische Präsident.

Bei Ländern wie Weißrussland und Armenien zeigt sich Gazprom bei der Preisgestaltung immer noch geschmeidig, nicht jedoch gegenüber der Ukraine, die Georgien Panzer und Raketen lieferte und deren Präsident einen Nato-Beitritt anstrebt. Unerbittlich, jedes Jahr aufs Neue fordert Moskau die Bezahlung von Gas-Schulden und die schrittweise Erhöhung des Preises auf Markt-Niveau. In einem Brief an Gazprom erklärte Naftogaz, da es für 2009 keinen Vertrag gebe, sei das von Russland in die ukrainischen Pipelines eingespeiste Gas „herrenlos“ – eine Formulierung, die andeutet, dass man wie 2006 von dem Transit-Gas nach Europa etwas für den Eigenbedarf abzweigen will. Ein Vorhaben, das Gazprom „Erpressung“ nennt.

Damit wiederholt sich der Streit von vor drei Jahren. Wegen eines nicht zustande gekommenen Liefervertrages drehte Gazprom der Ukraine am 1. Januar 2006 den Hahn ab. Die Ukraine begann für Europa bestimmtes Gas für den eigenen Gebrauch abzuzwacken, weshalb es in mehreren Ländern zu einem leichten Sinken des Gasdrucks kam.

Panik kommt in Europa wegen des Gas-Streits nicht auf. Zum einen sind die Speicher gefüllt und können im Krisenfall Lücken überbrücken. Außerdem wurde an den Grenzen Deutschlands kein Gas-Mengenverlust festgestellt. Der Vertreter Tschechiens in der EU, Jiri Potuznik, erklärte, solange der Druck in den Leitungen nicht stark sinke, werde man sich aus dem Konflikt raushalten.

Moskau erklärt wie 2006, beim Streit mit der Ukraine gehe es um nichts außer um Marktwirtschaft. Kiew beschwört dagegen „russische Machtpolitik“.

Geflunkert wird auf beiden Seiten. In Kiew ist die Kasse leer und man weiß beim besten Willen nicht, woher die 1,8 Milliarden Euro kommen sollen, um die Schulden für 2008 zu bezahlen. Die Ukraine wurde von der Finanzkrise hart getroffen und musste vom Internationalen Währungsfonds schon einen Kredit über 14,5 Milliarden Dollar aufnehmen, um Wirtschaft und Währung zu stabilisieren.

Wer den „Krieg der Worte“ gewinnt, entscheidet sich letztlich nicht bei den Preis-Verhandlungen, sondern in der internationalen öffentlichen Meinung, die die beiden Widersacher mit ihren Argumenten füttern. Vor drei Jahren einigte man sich schon drei Tage, nachdem Russland den Hahn zugedreht hatte. Einen langen Gas-Streit können sich auch diesmal weder Moskau noch Kiew leisten. Das würde dem Image beider Länder gegenüber der EU zu sehr schaden.

"Saarbrücker Zeitung"

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