Moskauer Siegesparade mit neuen Gästen
Von Ullrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Über 10000 Soldaten, darunter erstmals auch aus Polen, den USA, England und Frankreich, haben gestern an der Siegesparade zum 65. Jahrestag des Sieges über Hitler-Deutschland auf dem Roten Platz in Moskau teilgenommen. Auf der Ehrentribüne standen viele ausländische Repräsentanten, darunter Bundeskanzlerin Angela Merkel, Tschechiens Staatschef Vaclav Klaus, Polens Interimspräsident Bronislaw Komorowski und Chinas Staats- und Parteichef Hu Jintao. „Die Parade ist keine Drohgeste“, sagte Klaus. „Schade, dass dies einige Länder immer noch so sehen.“
In seiner Rede erklärte der russische Präsident Dmitri Medwedjew, der Frieden auf der Welt sei immer noch zerbrechlich. Nur auf Grundlage guter Nachbarschaft könne man die Probleme der globalen Sicherheit lösen. Über den Zweiten Weltkrieg sprach Medwedjew in starken Worten. „Es gab die Wahl zu siegen oder Sklaven zu werden. Dieser Krieg machte uns zu einer starken Nation.“ Die Sowjetunion hatte mit 27 Millionen Toten die größte Opferzahl im Zweiten Weltkrieg. In einem Zeitungsinterview ließ Medwedjew auch neue Töne anklingen. So distanzierte er sich ausdrücklich von Stalin. Den Krieg habe nicht Stalin, sondern „unser Volk“ gewonnen. Das Regime in der Sowjetunion könne man „nicht anders als totalitär“ bezeichnen.
Medwedjew versucht einen gewagten Spagat. Er will russischer Patriot und trotzdem weltoffen sein. Das ist nicht einfach, gerade wenn es um Stalin geht. Über ein Drittel der Russen hegen positive Gefühle für Stalin. Ein Grund dafür ist der Sieg im Zweiten Weltkrieg. Medwedjew setzt nun auf langsame Änderungen in der Feiertags-Symbolik – zum Beispiel indem er Nato-Soldaten zum Mitmarschieren einlud.
Immer wieder zeigte das russische Fernsehen die Bundeskanzlerin, so auf der Ehrentribüne im Gespräch mit Ministerpräsident Wladimir Putin oder mit Medwedjew am Grabmal des Unbekannten Soldaten. Russische Kommentatoren hoben hervor, dass die Kanzlerin trotz Euro-Krise nach Moskau kam. Merkel hatte die Teilnahme an den Feierlichkeiten zuvor als eine Ehre bezeichnet. Die Geste mache deutlich, dass Russland und Deutschland aus der Geschichte gelernt hätten und nun in Frieden und Freundschaft lebten. (mit dpa)
"Sächsische Zeitung"