13. October 2009

Moskaus ewiger Bürgermeister

Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau Um sage und schreibe 20 Prozent konnte Partei „Geeintes Russland“ mit ihrem Spitzenkandidaten Juri Luschkow ihren Stimmenanteil in Moskau steigern. Die Partei, deren Vorsitzender Wladimir Putin ist, bekam bei den Kommunalwahlen in der russischen Hauptstadt am Sonntag laut offiziellem Ergebnis 66,2 Prozent der Stimmen. Mit den Kommunisten gelang nur noch einer weiteren Partei der Sprung in das Stadtparlament – mit schlappen 13,2 Prozent der Stimmen.
Dieses Wahlergebnis sichert die Position des 73-jährigen Bürgermeisters Luschkow, gegen den es diverse Korruptionsvorwürfe gibt. Der ebenso rustikale wie selbstherrliche Luschkow, der die Hauptstadt seit 1992 regiert, hat sich aus einer Arbeiterfamilie hochgearbeitet. Zu Sowjetzeiten leitete er ein Chemiekombinat.

Kritische Medien berichteten wiederholt, dass Luschkow als Bürgermeister seiner Frau Jelena Baturina Bauaufträge in Milliarden-Millionen-Höhe zuschanzte. Frau Baturina, Anfang der 1990er-Jahre Sekretärin in der Moskauer Stadtverwaltung, ist inzwischen eine überaus erfolgreiche Bau-Unternehmerin, mit geschätzten rund drei Milliarden Euro die reichste Frau Russlands und soll auch sündhaft teure Villen unter anderem in Bayern und London besitzen.

Kritiker ausgeschaltet

Die Stadt Moskau hat ein Jahresbudget von mehr als 24 Milliarden Euro – und Luschkow ist der Mann, der letztlich über dessen Verwendung befindet. In der Stadt selbst hat Luschkow trotz aller Korruptionsvorwürfe einen festen Stand. Der Kreml, so heißt es, würde ihn zwar gerne durch einen weniger selbstbewussten Mann ersetzen, doch Luschkow, der sich gerne mit einem Leder-Käppi auf den städtischen Baustellen zeigt, versteht es glänzend, die verschiedenen Machtgruppen der 14-Millionen-Stadt unter Kontrolle zu halten. Das gilt für Banken und Unternehmen ebenso wie etwa die örtlichen Vereinigungen der Aserbaidschaner und Armenier.

Viele Kritiker mussten schon im Vorfeld der Wahl klein beigeben. Die Wahlkommission verweigerte Luschkows Gegnern aus formellen Gründen die Registrierung im Rennen um die 35 Sitze in der Stadtduma. Und Luschkow gilt als so gut vernetzt, dass ihm selbst Präsident Dimitri Medwedjew nach Einschätzung von Kommentatoren nichts anhaben kann. Das ist wichtig: Der Moskauer Bürgermeister wird vom Präsidenten eingesetzt.

Doch dem widersetzt sich Luschkow nur gar zu gerne. Ungeachtet der Forderungen Medwedjews nach Demokratisierung verbietet die Stadt weiterhin Demonstrationen von Regierungskritikern. Und nachdem Medwedjew für das ganze Land einen rigorosen Kampf gegen die Korruption angeordnet hatte, reagierte Luschkow in seinem Rathaus an der Twerskaja betont gelassen: „Wir leben in einer realen Welt, Korruption ist auch eine Realität“. Luschkow sprach süffisant von „übertriebenem Alarmismus“, der nur die Arbeit behindere.

Für das liberale Spektrum in Moskau endeten die Wahlen mit einer katastrophalen Niederlage. Die Partei Jabloko, die bisher im Moskauer Stadtparlament vertreten war, bekam nur 4,7 Prozent der Stimmen. Der Sprung über die Sieben-Prozent-Hürde blieb auch den von Ultranationalist Schirinowski geführte Liberaldemokraten und der linksnationalen Partei Gerechtes Russland verwehrt.

„Einheit von Macht und Volk“

Bis auf eine klagten alle Parteien besonders in Moskau über massive Wahlfälschungen. Nur der Vorsitzende des Parteirates von „Geeintes Russland“, Boris Gryslow, erklärte, das Wahlergebnis sei „ein Beweis der Einheit des Volkes mit der herrschenden Macht.“

Um diese „Einheit“ herzustellen, wurden vielfach Vertreter anderer Parteien oder Medien von Wahlkommissionen und Stimmenauszählungen ausgeschlossen. Busse mit Kennzeichen der russischen Armee fuhren Wähler zu verschiedenen Wahllokalen, wo die Passagiere mehrmals hintereinander abstimmten. In Moskau unter Juri Luschkow wird eben nichts dem Zufall überlassen. (mit dpa)


"Saechsische Zeitung"
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