18. January 2010

Müde Revolutionäre

Auch nach den Präsidentschaftswahlen bleibt die Ukraine ein Sorgenkind. Seit der orangenen Revolution, deren Hauptfiguren Julia Timoschenko – heute Ministerpräsidentin - und Viktor Juschtschenko – heute Präsident - Demokratie, Pressefreiheit und ein Ende der Korruption versprachen, ist nur die Pressefreiheit als Plus geblieben. Die Korruption ist weiter extrem hoch, das Vertrauen der einfachen Bürger in das als Club von Lobbyisten verschriene Parlament äußerst gering.

Im Gegensatz zu Russland, hat das Parlament in der ukrainischen Verfassung zwar wesentlich mehr Rechte. Doch diese Vollmachten hat die Volksvertretung nicht zu einer Modernisierung des Landes genutzt. Stattdessen hat sich die politische Elite in einem Stellungskrieg verbissen. Zunächst tobte im Parlament ein Kampf zwischen „Orangenen“ und „Weiß-Blauen“, wie die Anhänger von Viktor Janukowitsch heißen. Nachdem das Lager der Orangen zerfiel und sich Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und Präsident Viktor Juschtschenko unerbittlich bekämpfen, ist es mit der politischen Stabilität in der Ukraine völlig vorbei.
Die internationale Finanzkrise hat das Land 2008 nun auch noch an den Rand des Staatsbankrotts gebracht. Die nationale Währung Grivna verlor seit 2008 gegenüber dem Dollar 80 Prozent ihres Wertes. Der IWF zahlt einen Notkredit, knüpfte die Teilzahlungen jedoch an Bedingungen, die keiner der bekannten Präsidentschaftskandidaten erfüllen will. Die Wähler in der Ukraine sind für finanzielle Sparprogramme nur schwer ansprechbar.
Wie geht es nun weiter in der Ukraine? Nach den Wahlumfragen, wird Janukowitsch im ersten Wahlgang 30 Prozent der Stimmen bekommen, Timoschenko nur die Hälfte. Beide werden sich deshalb am 7. Februar in einer Stichwahl noch einmal gegenüberstehen. Doch bis dahin sind noch erhebliche Probleme zu bewältigen. Zunächst müsste man sich auf eine klare Wahlordnung verständigen. Zudem fehlt der politischen Elite die Einsicht, dass für das Funktionieren eines Staatswesens ein gewisser Grad von Kompromissbereitschaft nötig ist. Die Dauer-Fehde zwischen Präsident Juschtschenko, Ministerpräsidentin Timoschenko und dem Führer der Partei der Regionen, Janukowitsch, schiebt die Lösung der finanziellen und sozialen Probleme auf, treibt die Bevölkerung weiter in die Hoffnungslosigkeit und schreckt ausländische Investoren ab. In dieser Situation könnte sich der ehemalige Wahlfälscher Viktor Janukowitsch, der mit Hilfe amerikanischer Polit-Technologen sein Image aufgepäppelt hat, den Knoten der Handlungsunfähigkeit durchschlagen. Janukowitsch hat seine Anhänger zwar vor allem unter der russischsprachigen Bevölkerung in der Ost- und Südukraine. Doch er kann damit punkten, dass in der Ostukraine die wichtigsten Industriebetriebe angesiedelt sind und damit auch die größten Finanz-Ressourcen, die das Land überhaupt hat.
Janukowitsch ist ein ukrainischer Pragmatiker, kein Satellit des Kreml. Er plädiert für eine Öffnung nach Westen, ist aber gegen einen Nato-Beitritt, womit er faktisch die Stimmungslage in der Ukraine widerspiegelt, denn zwei Drittel der Bevölkerung sind gegen einen Nato-Beitritt.
Warum könnte Janukowitsch in der gespaltenen Ukraine – der Osten spricht Russisch, der Westteil des Landes will von Moskau nichts wissen - der neue starke Mann sein? Offenbar ist die Enttäuschung über die orangenen Revolutionäre so groß, dass sich auch Menschen in der Zentral- und Westukraine - wo Timoschenko und Juschtschenko ihre Anhänger haben - vorstellen können, dem ehemaligen Ministerpräsidenten und Wahlfälscher Janukowitsch ihre Stimmen zu geben. Janukowitsch hat die Industriebetriebe im Osten des Landes im Rücken. Das zählt viel in einem armen Land, das auch noch von Energieimporten aus Russland abhängig ist.

"Südkurier"

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