21. July 2007

Polit-Mobbing auf russisch

Seit der Bürgermeister von Archangelsk Präsident von Russland werden will, hat er Ärger mit der Justiz.

Die letzte Runde im Streit mit der russischen Justiz ging an Aleksandr Donskoi. Er siegte überraschend. „Vielen Dank für die Unterstützung“, erklärte der 37-Jährige am Donnerstagabend. Da hatte ein Gericht gerade fünf Stunden lang gegen den Bürgermeister der nordrussischen Stadt Archangelsk verhandelt. Danach wurde er aus der Untersuchungshaft entlassen. Seine Unterstützer waren sichtlich erleichtert.
Seit der junge Politiker im Oktober letzten Jahres angekündigt hat, bei den russischen Präsidentschaftswahlen zu kandidieren, läuft gegen Donskoi ein Verfahren wegen Amtsmissbrauch. Dem Bürgermeister drohen sieben Jahre Gefängnis. Vergangenen Mittwoch erreichte die Affäre ihren vorläufigen Höhepunkt. Maskierte Männer der berüchtigten Omon-Spezialeinheit des russischen Innenministers stürmten die Wohnung des Bürgermeisters, brachen die Türen auf und führten den an Bluthochdruck leidenden Politiker ab–in Unterhose über die Straße, vorbei an zahlreichen Schaulustigen.

Einschüchterungsversuch

Die Staatsanwaltschaft von Archangelsk begründete die Verhaftung mit angeblicher Fluchtgefahr. Sie wirft Donskoi Missbrauch von öffentlichen Geldern vor. Der Bürgermeister soll sich für umgerechnet 115000 Euro auf Kosten der Stadtkasse zwei Jahre eine Leibwache gehalten haben. Donskoi bezeichnet die Anschuldigungen gegen ihn als „Einschüchterungsversuch“.

Hinter seiner Festnahme stehe Ilja Klebanow, Putins Beauftragter für die Nordwest-Region und Gouverneur von Archangelsk, Nikolaj Kiseljow. Dieser ist Mitglied der Kreml-nahen Partei „Einiges Russland“. Gouverneur Kiseljow hat allen Grund auf Donskoi sauer zu sein. Vor einer Woche hatte der Bürgermeister auf seiner Website ein Video veröffentlicht, auf dem zu sehen ist, wie ein unbekannter Mann einer Person, die dem Gouverneur ähnlich sieht, einen Packen Banknoten über den Schreibtisch schiebt. Nun wolle sich der Gouverneur für die Aufdeckung der Schmiergeldzahlungen rächen, meint Donskoi.

Seit der junge Bürgermeister Ambitionen auf die Putin-Nachfolge angemeldet hat, ist man im Kreml offenbar nicht gut auf den parteilosen Politiker zu sprechen. Zumindest wurden unmittelbar nach Donskois Ankündigung, zu kandidieren, drei Strafverfahren gegen ihn veröffentlicht, u.a. wegen einem angeblich gefälschten Hochschulzeugnis und unerlaubter unternehmerischer Tätigkeit.

Die Bürger von Archangelsk sind es gewohnt, dass der 2005 gewählte Bürgermeister mit ungewöhnlichen Maßnahmen von sich reden macht. Um die nordrussische Stadt weltweit bekannt zu machen, ließ Donskoi im Stadtzentrum rund um das Lenin-Denkmal 300 Schneemänner aufstellen. Das erhoffte internationale Echo blieb allerdings aus. Auch eine andere Maßnahme brachte nicht den gewünschten Erfolg. Um Geld für die Stadtreinigung frei zu machen, stellte Donskoi die Finanzierung des bekannten Hockeyteams „Wodnik“ ein. Die Straßen von Archangelsk wurden nicht sauberer, aber die Hockeymannschaft wanderte ab. Sie beteiligt sich auch an Europa-Meisterschaften und spielt jetzt unter der Flagge von „Dynamo Moskau“.

Bisher kein Rüffel aus Moskau


Vergangenen Donnerstag hatte Donskoi nun endlich Erfolg. Das Gericht hob die Untersuchungshaft auf. Seine Verteidiger sprachen von einem „Sieg“. Den Erfolg kann Donskoi erst einmal auskosten. Seine Position sieht nicht schlecht aus, insbesondere nachdem Ilja Klebanow, der Vertreter Putins für die Nordwestregion, erklärt hat, für den „Fall Donskoi“ seien nur die Staatsanwaltschaft und das Gericht zuständig. Zu einer öffentlichen Missbilligung des eigenwilligen Bürgermeisters ließ sich der Kremlchef bisher nicht hinreißen.

Sächsische Zeitung
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