Putin zieht Bilanz: Acht Jahre wie ein Sklave geschuftet
Am Ende seiner Amtszeit blickt Russlands Präsident noch einmal zurück. Was hat die Ära Putin gebracht? Eine Analyse.
Würde man die Länge von Pressekonferenzen zum Maßstab nehmen, dann wäre Russland das demokratischste Land der Welt. Vier Stunden und 40 Minuten antwortete Wladimir Putin gestern im Kreml auf Fragen von über 1000 Journalisten aus dem In- und Ausland. Putin erklärte, Russland sei nach den Zerfallserscheinungen in den 90er Jahren heute ein stabiler Staat mit einer zufriedenen Bevölkerung. Er selbst habe acht Jahre lang „wie ein Sklave auf einer Galeere“ gearbeitet und „kein normales, menschliches Leben“ geführt. Aber er sei „zufrieden“ mit seinem Resultat.
Die Wirtschaftslage hat sich verbessert
Mit einem Wirtschaftswachstum von 8,1 Prozent belegt Russland weltweit einen Spitzenplatz. Der Anteil der Russen, die in Armut leben, sei in den letzten acht Jahren von 30 auf 14 Prozent gesunken. Die realen Einkommen seien um 10,4 Prozent gestiegen, sagte Putin. Der Kreml-Chef räumte ein, dass sich die guten ökonomischen Zahlen noch nicht bei allen Bürgern auswirken. Selbstkritisch gestand er ein, dass der Kampf gegen die Inflation (zurzeit 11,9 Prozent), „effektiver“ hätte geführt werden können. Mit einem Stabilitätsfond von 153 Milliarden Dollar (110 Milliarden Euro) und Goldreserven von 500 Milliarden Dollar besitzt Russland genug Mittel, um Wirtschaftskrisen abzufedern.
Fazit: Die wirtschaftliche Situation in Russland hat sich unter Putin verbessert. Es bleiben Risiken für die Zukunft.
Die Geburtenförderung war erfolgreich
Putin kündigte an, dass Russland die „nationalen Programme“ zur Bildungs- und Gesundheitspolitik. Rückschritte auf einigen Gebieten seien auch eine Chance, weil man jetzt für Krankenhäuser „die modernste Ausrüstung“ kaufe und dabei „mehrere Entwicklungsstufen überspringen“ könne. Als erfolgreich bewertete Putin die Programme zur Familienpolitik. Im letzten Jahr habe man die höchste Geburtenziffer seit 15 Jahren erreicht.
Fazit: Es gibt Ansätze, die soziale Situation zu verbessern, doch für die Rentner und abgelegene Regionen sieht die Lage nach wie vor düster aus.
Demokratie-Standards des Westens abgelehnt
Putin erklärte, er achte die Führer der beiden Oppositionsparteien, den Nationalisten Wladimir Schirinowski und den KP-Chef Gennadi Sjuganow – beide kandidieren zu den Präsidentschaftswahlen. Dass sie „Patrioten“ sind, hätten die beiden Politiker beim Kampf gegen den Terrorismus bewiesen. Dass eine Vielzahl von Parteien zu Instabilität führt, sähe man in der Ukraine. Offenbar seien die Menschen in Russland zufriedener mit ihrer Regierung als in Deutschland, wie die Wahlerfolge der Ex-Kommunisten dort zeigten. Russland werde sich bei der Wahlbeobachtung der Präsidentschaftswahlen an die Verpflichtungen halten, die man im Rahmen der OSZE eingegangen sei. Man werde sich aber nicht vorschreiben lassen, wie viele Wahlbeobachter für welchen Zeitraum eingeladen werden.
Fazit: Putin möchte selbst bestimmen, was Demokratie ist. Die im Westen üblichen Demokratie-Standards lehnt er ab.
Das Verhältnis zu den USA ist angespannt
Wegen des Streits mit den USA um das Projekts eines Raketenabwehrschirms haben sich die Beziehungen verschlechtert. Niemand habe die Polen und Tschechen gefragt, ob sie eine Raketen-Abwehr wollen, erklärte Putin und beschuldigte „bestimmte Kräfte“ im Westen, eine „antirussische Stimmung“ zu schüren. Russland verfolge keine „aggressive Politik“, sei aber „verpflichtet“, auf die amerikanische Raketen-Abwehr zu reagieren. Russland werde seine „Interessen schützen“, bekräftigte Putin.
Fazit: In der Sicherheitspolitik spricht Putin eine andere Sprache als der Westen. Den Konflikt um das Raketenabwehrsystem will er aber nicht ausufern lassen.
Putin will auf den Posten des Premiers wechseln
Nach der Wahl des neuen Präsidenten am 2. März will Putin auf das Amt des Regierungschefs wechseln. Zu seinem Nachfolger Dmitri Medwedjew habe er „volles Vertrauen“. Über die genaue Arbeitsverteilung werde er sich mit ihm einigen, sagte Putin.
Fazit: Konflikte zwischen Putin und seinem wahrscheinlichen Nachfolger sind nicht zu erwarten. Möglicherweise wird Putin aber 2012 wieder für das Präsidentenamt kandidieren.
Sächsische Zeitung