Putins unsicherer Kandidat
Der neue tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow beteuert seine Treue zum Kreml, doch er fordert die Kontrolle über das tschetschenische Öl
Ramsan Kadyrow – von Putin zum neuen Präsidenten Tschetscheniens auserwählt – tritt heute in Grosny feierlich sein Amt an. Für russische Menschenrechtler erhält damit ein Terrorregime seine öffentliche Weihe. Immer noch verschwinden in Tschetschenien Menschen.
Nach Berichten russischer Menschenrechtler leben die Tschetschenen noch heute in Angst vor den "Kadyrowzi", der gefürchteten Leibwache des jungen Präsidenten. Doch die plakative Botschaft in Grosny lautet: In Tschetschenien herrscht Frieden. Diesen Frieden schufen Wladimir Putin und Ramsan Kadyrow. Doch in den Bergen Tschetscheniens wird immer noch gekämpft. Einen Tag vor der Amtseinführung des Präsidenten tötete eine tschetschenische Spezialeinheit den Feldkommandeur Suleiman Imursijew. Das russische Fernsehen zeigte, wie Kadyrow mit Händen in den Taschen neben der Leiche steht und erklärte, Imursijew sei verantwortlich für den Tod seines Vaters.
Ramsans Vater, Ahmed Kadyrow, war von Putin nach der Rückeroberung Grosnys durch föderale Truppen im Jahre 2000 als Verwaltungschef der Kaukasusrepublik eingesetzt worden. Im Mai 2004 wurde er von einer Bombe getötet.
Als der Tschetschenienkrieg 1994 begann, war Ramsan 17 Jahre alt. Damals kämpfte er zusammen mit seinem Vater an der Seite der Separatisten. Ramsan Kadyrow lernte früh sich durchzusetzen. Er war Boxer und leitete die Leibwache seines Vaters, der in der Zeit als die Separatisten in Grosny an der Macht waren, Mufti der Kaukasusrepublik war. Als der Einfluss der radikalen Wahhabiten in Tschetschenien Ende der 90er Jahre immer stärker wurde, sagten Ahmed Kadyrow und seine Söhne sich von den Separatisten los. Die Familie Kadyrow unterstützte von nun an das "föderale Zentrum".
Als Achmed Kadyrow getötet wurde, war Sohn Ramsan 27 Jahre alt, zu jung um die Nachfolge anzutreten, denn für das Präsidentenamt sieht die Verfassung Tschetscheniens ein Mindestalter von 30 Jahren vor. Heute preist sich Ramsan Kadyrow als der Mann, der Tschetschenien wieder aufbaut. Und er kann etwas vorweisen. Ständig zeigt ihn das tschetschenische Fernsehen bei der Einweihung wiederhergerichteter Schulen und Krankenhäuser. Auf dem wiedererrichteten Flughafen von Grosny landete Anfang März nach sechsjähriger Pause wieder die erste Passagiermaschine.
Für Putin ist die Inthronisierung von Ramsan Kadyrow ein riskantes Manöver. In Tschetschenien waren die verschiedenen Teips (Sippen) immer gleichberechtigt. Noch nie in der Geschichte der Kaukasusrepublik lag die Macht in den Händen einer einzigen Familie. Außerdem weiß Niemand, ob Ramsan Kadyrow auch dem Nachfolger Putins die Treue hält. 20 000 Mann hält Kadyrow unter Waffen. Der Großteil dieser Männer sind ehemalige "Bojewiki" (Kämpfer), die in den Bergen für die Unabhängigkeit kämpften und heute in den Reihen der Polizei und Sondereinsatzgruppen ihren Dienst tun. "Er ist der Einzige, der diese Armee an der Kandarre halten kann", schreibt Olga Allenowa, Tschetschenien-Reporterin der Zeitung "Kommersant". "Wenn es Kadyrow nicht gäbe, könnte diese Armee ihre Kalaschnikows gegen Russland richten." Es ist ein Tauschgeschäft. Ramsan Kadyrow garantiert Loyalität gegenüber Russland, der Kreml gibt Kadyrow beim Aufbau der tschetschenischen Nachkriegsordnung freie Hand. Kadyrow verbot das Glücksspiel und rief die Frauen im Lande dazu auf, einen Schleier zu tragen. Die Männer sollen mehrere Ehefrauen haben dürfen.
Die einheimische Ölfirma Grosneftegas will Ramsan Kadyrow unter die Kontrolle der tschetschenischen Regierung stellen. Zur Zeit hält der russische Rosneft-Konzern 51 Prozent der Grosneftegas-Aktien. Tschetschenien könnte unabhängig von Moskauer Zuwendungen leben, rechnete Kadyrow vor. Am tschetschenischen Öl verdiene der russische Rosneft-Konzern im Jahr mehr als 25 Milliarden Rubel (714 Millionen Euro). Der tschetschenische Haushalt umfasse aber nur ein Volumen von 19 Milliarden Rubel.
Märkische Allgemeine