14. December 2011

Riesenräder werden immer größer

In Moskau soll das größte Riesenrad der Welt entstehen. Es soll zun den Olympischen Winterspielen 2014 eröffnet werden. Andere Riesenrad-Projekte sind gescheitert.

von Ulrich Heyden und Jochen Wittmann

Die Tage des Riesenrad-Enthusiasmus sind lange vorbei. Aus Höhenflügen wurden Bauchlandungen. Dennoch soll in Moskau bis zu den Olympischen Winterspielen 2014 das größte Riesenrad der Welt gebaut werden. Bis auf 220 Meter Höhe soll es sich in den Himmel erheben. Eine Moskauer Firma hat das Projekt „Moscow View“ jetzt vorgestellt, doch will sie es nicht allein stemmen.

Firmenvertreter verlangen die Unterstützung der russischen Hauptstadt. Die Pläne für das Riesen-Riesenrad hat die Moskauer Stadtverwaltung bereits vor neun Jahren beschlossen.

Die architektonische Grundidee von „Moscow View“ sind zwei Kreise: ein Riesenrad ohne Speichen sowie ein kreisförmiges Gebäude am Boden, in dem Restaurants, Läden und ein Standesamt einziehen sollen. Zu dem Ensemble gehört auch eine 320 Meter hohe Betonnadel als Aussichtsturm. In dem Riesenrad sollen 48 Kabinen kreisen. Eine beeindruckende Idee. Doch muss sie bezahlt werden. Die Baukosten von 300 Millionen Dollar sollen sich bald auszahlen, wenn wie geplant nicht vier, sondern sieben Millionen Touristen jährlich nach Moskau kommen.

„Moscow View“ ist nicht auf russischen Zeichenbrettern entstanden, sondern wurde in San Francisco vom Architektenbüro Gensler entwickelt. Das hat auch den Shanghai Tower (632 Meter) entworfen, der sich noch im Bau befindet. Kaum wurde die erste Projekt-Skizze im Internet veröffentlicht, hagelte es Proteste von Denkmalschützern. Denn die Firma „Group 12“ will das Riesenrad am Vernadski-Prospekt bauen. Der liegt in einem gutbürgerlichen Wohngebiet, nicht weit von der berühmten Lomonossow-Universität. Die Häuser dort werden heute in der obersten Preisklasse gehandelt.

Die Stadtverwaltung hat jedoch noch nicht entschieden, wo das Riesenrad endgültig stehen soll. Der legendären Gorki-Park im Stadtzentrum steht genauso zur Debatte wie ein Ausstellungsgelände im Norden der Stadt.

Vertreter des Moskauer Architekten-Gremiums, das den Bürgermeister berät, sprachen sich kategorisch gegen den Bau des Riesenrades am Vernadski-Prospekt aus. Das Riesenrad wäre eine „Katastrophe“ für den Wohnbezirk, heißt es. Zum einen würde das Riesenrad das Wohngebiet zerstören, zum anderen seien die Bewohner des Bezirks bei starken Winden einer realen Gefahr ausgesetzt. Man befürchtet, das Rad könne kippen. Überhaupt sei Moskau nicht geeignet für Mega-Riesenräder, denn im Gegensatz zu New York habe Moskau zu wenig hohe Gebäude, die man aus der Luft bestaunen könne.

Insgesamt stehen die Zeichen für Riesenräder nicht günstig, seit ein Anlegerfonds gefloppt ist, der Räder in Peking, Florida und Berlin finanzieren sollte. 2006 hatte das Bankhaus Delbrück Bethmann Maffei den Fonds aufgelegt, und die Deutsche Bank sammelte unter ihren Kunden Geld dafür, insgesamt 160 Millionen Euro. Sie selbst hielt sich als Finanzier zurück. Am Ende wurde nichts gebaut, das Kapital ging allein für Planungen drauf, laut „Spiegel“ ermittelt die Berliner Staatsanwaltschaft.

An der Rad-Euphorie hat das „London Eye“ großen Anteil. Das Riesenrad, das sich ursprünglich als „Millennium Wheel“ bei der Jahrtausendwende drehen sollte, wurde im März 2000 eröffnet. Es zog sogleich riesige Menschenmassen an. Das damals größte Riesenrad der Welt erwies sich auch nach der ersten Begeisterung als ein Publikumsmagnet. Rund 3,5 Millionen Besucher zahlen pro Jahr mindestens 16 Pfund (rund 19 Euro) für eine Fahrt und machen damit das London Eye zur größten bezahlten Touristenattraktion des Königreichs. Ursprünglich sollte sich das Rad nur fünf Jahre drehen – eine Entscheidung, die nach dem großen Zuspruch rückgängig gemacht wurde.

Die 32 Glasgondeln fassen jeweils 25 Personen und brauchen für eine vollständige Umdrehung rund 30 Minuten. Am Südufer der Themse liegt das London Eye gleich gegenüber dem Palast von Westminster und bietet mit seiner Panorama-Aussicht eine einzigartige Perspektive auf die Stadt. Der Stararchitekt Richard Rogers pries das Riesenrad als ein neues Wahrzeichen, das für London die Bedeutung habe, die der Eiffelturm für Paris hat. Wer mitgondeln will, sollte vorbestellen: Wer kein Ticket hat, muss geduldig Schlange stehen.

veröffentlicht in: Südkurier

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