Russen mögen Deutsche
70 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 überlagert die Vergangenheit kaum noch das Verhältnis zwischen Russen und Deutschen. Man respektiert sich
„Der hält noch 15 Jahre.“ Zufrieden schlägt Alexej mit der Hand auf das Armaturen-Brett seines Mercedes, Baujahr 1984. Deutsche Autos sind heute in Russland die mächtigen Botschafter eines hoch entwickelten Landes. Alexejs Mercedes rackert trotz rauer russischer Straßen wie ein treues Lasttier.
„Deutschland ist ein tolles Land, das solche Autos baut“, platzt es immer wieder aus dem Besitzer heraus. Und Russland? Hat das größte Land der Erde auch solch mächtige Botschafter? Durchaus, unter anderem die Straßenmusikanten, die direkt aus dem Bolschoj-Theater zu kommen scheinen, oder Dribbel-Künstler wie den Fußballer Andrej Arschawin.
Zuneigung und Ablehnung
Warum soll man die Deutschen in Russland nicht mögen? Man liebt sie vielleicht nicht gerade. Dafür sind sie einfach zu rational und zu pedantisch. Aber man achtet sie eben, solange – ja, solange sie mit Russland Freundschaft schließen wollen. Nach einer Umfrage der Meinungsforscher des Lewada-Instituts in Moskau gelten die Deutschen nach Weißrussen, Kasachen und Chinesen als die Nation, mit denen sich Russland befreundet sieht, während gegenüber Georgien, den USA, der Ukraine und Lettland die größten Vorbehalte bestehen.
Das Ansehen Deutschlands litt allerdings während der vergangenen 20 Jahren zwei Mal erheblich: Als NATO-Flugzeuge Ziele Serbien, besonders Belgrad, bombardierten und als im August 2008 westliche Medien in den Tagen des Georgien-Krieges reflexartig Russland als Aggressor bezeichneten.
Insofern kommt es vielleicht der Wahrheit am nächsten, das Verhältnis zwischen Russen und Deutschen als Mischung aus Zuneigung und Ablehnung beschreiben. Diese Ambivalenz spiegelt sich auch in einer vom deutschen Allensbach-Institut 2008 veröffentlichten Umfrage, wonach 45 Prozent der befragten Russen sagten, dass sie Deutschland „mögen“, aber nur 25 Prozent der befragten Deutschen Russland dieses Prädikat ausstellen wollten.
Nur auf Rang acht
Auch wenn das so ist, scheint doch das Interesse der Deutschen an Russland überdurchschnittlich zu wachsen. Im Vorjahr stellten die Deutschen mit 332.000 Touristen die größte Gruppe unter den insgesamt 2,2 Millionen ausländischen Urlaubern im größten Land der Erde. Den Deutschen folgten Touristen aus den USA (185.000), Italien (143.000) und Finnland (142.000).Von den elf Millionen Russen, die 2008 ihrerseits einen Auslandsurlaub machten, stand Deutschland mit 330.000 Touristen-Reisen nur auf Rang acht im Ranking der Reiseziele. Spitzenreiter waren die Türkei (2,2 Millionen), China (2,0 Millionen) und Ägypten (1,4 Millionen). In Europa ziehen die russischen Touristen Finnland, Italien, Spanien und Griechenland dem schönen aber nicht so warmen Deutschland als Reiseziel vor. Russland hat es nicht einfach mit den Touristen. Die Menschen im Westen fürchten Mafia, schlechten Service und kyrillische Schriftzeichen, doch in den großen Städten hat sich schon Vieles zum Besseren verändert. Wer sich in der Moskauer Metro Hilfe suchend umsieht, findet schnell jemanden, der ihm auf Englisch weiterhilft.
"der Freitag"