23. May 2023

Bachmut: Russland feiert Erfolg – Kiew bestreitet Niederlage

Der russische Fernsehkanal Rossija 24 brachte am Montag erste Bilder vom Alltag in Artjomowsk (https://www.vesti.ru/article/3364287). Schüsse waren nicht zu hören. Russische Soldaten patrouillierten auf einer Straße. Man sah Häuser-Ruinen. Zivilisten waren nicht zu sehen. Die Stadt Artjomowsk, deren Einnahme russische Militärs am Wochenende verkündeten, heißt in der Ukraine „Bachmut“.

Der Leiter der Volksrepublik Donezk Denis Puschilin erklärte, dass man die Stadt jetzt nach Minen absuchen werde.  Außerdem werde man nach Zivilisten in Kellern der Großteils zerstörten Wohnhäusern suchen, die dort noch vermutet werden. Bewohner der Stadt Artjomowsk wurden und werden weiter evakuiert berichtet der Fernsehkanal. Eine Sammelunterkunft gäbe es in der östlich von Donezk gelegenen Stadt Schachtjorsk. Von dort werden die Evakuierten auf andere Orte der Volksrepublik Donezk verteilt oder - wenn der Wunsch besteht -, in andere Gebiete Russlands gebracht.

Russische Flaggen

In der Nacht auf Sonntag — um 00:00 MEZ — beglückwünschte Wladimir Putin die «Wagner Sturmbrigaden» sowie alle Soldaten der russischen Streitkräfte, welche die Wagner-Brigaden „durch Flankenschutz unterstützen, zur Befreiung der Stadt Artjomowsk». Die Soldaten würden für die „Befreiung von Artjomowsk“ mit Orden ausgezeichnet werden.

Am Samstag um 14 Uhr hatte Jefgeni Prigoschin, der Leiter der Sícherheitsfirma Wagner, in einem auf Telegram veröffentlichten Video erklärt, man habe die Stadt Artjomowsk „vollständig befreit“. Auch aus dem letzten noch umkämpften Bezirk „Flugzeug“ im Südwesten der Stadt seien die ukrainischen Truppen vertrieben worden. 

Das russische Verteidigungsministerium meldete erst am Sonntag in einem allgemeinen Lagebericht https://t.me/mod_russia/26733 zur Ukraine über die Einnahme von Artjomowsk.

Am Samstag und Sonntag wurden auf dem Telegram-Kanal der Wagner-Brigaden Soldaten gezeigt, welche die Flagge Russlands und die Flagge der Wagner-Brigaden auf hohen Gebäuden schwenkten und aus automatischen Waffen Salutschüsse abgaben https://t.me/prigozhin_2023_tg/1206 . Auch auf nach eigenen Angaben gerade erst eroberten Gebäuden im Südwesten von Artjomowsk hissten https://t.me/prigozhin_2023_tg/1211 Wagner-Soldaten russische und Wagner-Flaggen.

Prigoschin erklärte https://t.me/prigozhin_2023_tg/1225 via Telegramm, seine Soldaten würden das eroberte Territorium der Stadt Artjomowsk am 25. Mai den russischen Streitkräften übergeben. „Wir kämpfen schon 428 Tage.“ Man werde sich „zur Umgruppierung und zum Training“ in ein Feldlager zurückziehen. Ab 1. Juni werde keine Wagner-Soldat mehr in Artjomowsk sein.

Bemerkenswerte Glückwünsche von Putin

Die Glückwünsche von Putin für die Wagner-Brigaden waren bemerkenswert, denn Prigoschin hatte den russischen Generalstabschef Valery Gerassimow und den russischen Verteidigungsminister Sergej Schoigu wegen angeblich schleppender Munitionslieferungen scharf kritisiert und erklärt, sie seien durch die verschleppten Lieferungen für den Tod und die Verwundung von Tausenden von Wagner-Soldaten verantwortlich. Erst in den letzten Tagen erklärte Prigoschin wieder in drohendem Ton, Gerassimow und Schoigu würden «zur Verantwortung gezogen». Außerdem erklärte der Wagner-Chef, er befürchte, dass hohe russische Militärs für die Einnahme von Artjomowsk Orden bekommen, nicht aber die Soldaten der „Wagner“-Brigaden. 

Der Wagner-Chef beließ es jedoch nicht bei scharfer Kritik an der russischen Militärführung. Er nannte namentlich auch hohe russische Militärs, die sich bei der Munitionsbeschaffung für die Wagner-Brigaden erfolgreich bemüht hätten und denen man dankbar sei. 

Sprecher der ukrainischen Armee: „Wir halten  die  Stellung“

Die Sprecher der ukrainischen Streitkräfte gestehen zwar ein, dass der Großteil der Stadt in russischer Hand ist, doch die völlige Kontrolle der Stadt durch russisches Militär wird bestritten. Der Sprecher der Ost-Gruppe der ukrainischen Streitkräfte, Sergej Tscherewaty, erklärte am Sonnabendmittag, „unsere Einheiten stehen im Südwesten der Stadt. Sie verteidigen unsere Stellung und verhindern, dass der Feind sie einnimmt.“ https://www.unian.net/war/situaciya-v-bahmute-20-maya-gorod-ne-zahvachen-rossiey-chto-tam-seychas-proishodit-12263577.html

Am Sonnabendabend hieß es im Lagebericht des ukrainischen Generalstabs, „Es gibt schwere Kämpfe um die Festungs-Stadt Bachmut.“ https://www.unian.net/war/u-genshtabi-rozpovili-de-sogodni-vedutsya-nayzapeklishi-boji-na-fronti-12263931.html

Am Montag erklärte der ukrainische Kommentator Alexander Kowalenko, „die russischen Okkupations-Streitkräfte“ würden die Zufahrtsstraße 0504 nach Bachmut nicht kontrollieren. „Wenn man das Eingangstor nicht kontrolliert, wie kann man dann von der vollen Kontrolle über die Stadt sprechen.“ Außerdem hätten die ukrainischen Streitkräfte die Höhen um die Stadt zurückerobert. „Die „Wagner-Leute“ in der Stadt seien „wie Zielscheiben.“ https://www.unian.net/war/boi-za-bahmut-vagnerovcy-kak-misheni-a-u-vsu-preimushchestvo-ekspert-12265782.html

Am Montagmittag erklärte https://www.unian.net/war/vsu-prodolzhayut-kontrolirovat-nebolshuyu-chast-bahmuta-malyar-12265542.html die stellvertretende Verteidigungsministerin der Ukraine, Anna Maljar, im Tele-Marathon des ukrainischen Kanals1+1, die ukrainischen Streitkräfte kontrollierten „bestimmte Infrastruktur- und Industriegebiete und den Wohnbezirk im südwestlichen Bezirk „Flugzeug““. Zurzeit führe der Feind „Säuberungen in den von ihm eroberten Territorium der Stadt durch.“ Der Feind suche nach ukrainischen Diversionsgruppen, die Widerstand leisten können. In den monatelangen Kämpfen um Bachmut seien viele feindliche Soldaten vernichtet worden. “Von der Gruppe Wagner ist praktisch nichts mehr übrig,“ behauptete Maljar.

Unklare Äußerung von Selenski

Als der ukrainische Präsident Selesnki auf dem G7-Gipfel in Japan von Journalisten gefragt wurde, ob Artjomowsk  von den  Russen erobert wurde, antwortete er nach einem Bericht https://www.unian.net/war/krepost-bahmut-v-vsu-obyasnili-zayavlenie-zelenskogo-i-rasskazali-chto-seychas-proishodit-v-bahmute-12264540.html?utm_source=unian&utm_medium=read_more_news&utm_campaign=read_more_news_in_post der ukrainischen Nachrichtenagentur Unian, „ich glaube nicht“. Weiter sagte er, „Heute ist Bachmut nur in unseren Herzen“. Die ukrainische Nachrichtenagentur, fügte hinzu, eine Reihe westlicher Medien hätten die Worte des ukrainischen Präsidenten „falsch interpretiert“, wenn sie schrieben „Selenski bestätigt den Verlust von Bachmut“.

Der ukrainische Präsident erklärte https://www.unian.net/war/zelenskiy-bahmut-ne-ohvachen-rf-ukrainskie-voennye-nahodyatsya-v-gorode-1264693.html außerdem, die Stadt sei „nicht von den  Russen erobert.“ Ukrainische Soldaten befänden sich noch in der Stadt. Sie führten eine „sehr wichtige Aufgabe aus“.

Ukrainische Angriffe auf Donezk und das Gebiet Belgorod

Die Situation in der Volksrepublik Donezk war am Montag äußuerst angespannt. Mehrere Städte der Volksrepublik Donezk, wie Donezk und Gorlowka, wurden von den ukrainischen Streitkräften mit Raketen beschossen. Eine ukrainische Diversionsgruppe fiel zudem in das grenznahe russische Gebiet Belgorod ein.

Der Gouverneur des Gebietes, Wjatscheslaw Gladkow, berichtete, eine ukrainische „Diversionsgruppe“ sei in den Grajworonski Bezirk des Gebietes vorgedrungen.  Der russische Grenzschutz ergreife zusammen mit der russischen Armee „Maßnahmen zur Liquidierung des Gegners.“ Das Zivilisten zu Schaden gekommen seien, bezeichnete der Gouverneur als „Informationsattacke“.

Man erinnert sich: Schon am 2. März wurden die Dörfern Suschani und Ljubetschane im russischen Brjansk-Gebiet von einem aus der Ukraine operierenden „Russischen Freiwilligen Korpus“ angegriffen.

Der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, teilte mit, der Präsident sei über „den Versuch einer ukrainischen Diversionsgruppe auf das Gebiet Belgorod durchzubrechen, informiert.“

Der bekannte russische Kommandeur im Ruhestand, Igor Strelkow, der 2014 Verteidigungsminister der Volksrepublik Donezk war, erklärte https://t.me/strelkovii/4991 am Montag, mit der Attacke auf das Gebiet Belgorod versuche die ukrainische Armee von ihrer Niederlage in Artjomowsk abzulenken. 

Eine weitere kritische Lage gab es um das von Russland kontrollierte Atomkraftwerk Saparoschje, dessen Stromversorgung auf Eigenversorgung umgeschaltet werden musste. Durch ukrainische Angriffe auf Stromkabel sei die Stromversorgung von Außen unterbrochen worden.  Alle sechs AKW-Reaktoren seien auf Null gefahren worden, berichtete der russische Fernsehkanal Rossija 24.

Ulrich Heyden,  Moskau, 22. Mai  2023

Fotos von Ria Novosti über die Situation in Artjomowsk nach der Eroberung durch die Wagner-Truppen https://ria.ru/20230522/artemovsk-1873350222.html 

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