Sanfte Töne vor dem ersten Rendezvous
Heute treffen sich erstmals Medwedew und Obama. Experten erwarten eine Annäherung der beiden Mächte. Denn Washington braucht Moskau, um die Probleme in Afghanistan, im Iran und rund um den Terrorismus zu lösen.
Von SZ-Mitarbeiter Ulrich Heyden Moskau.
Als George Bush vor acht Jahren das erste Mal Kreml-Chef Wladimir Putin getroffen hatte, erklärte er danach theatralisch, er habe „dem Mann in die Augen“ sehen und dabei „einen Eindruck von seiner Seele“ gewinnen können. Derartige Gefühlsausbrüche wird es zwischen Barack Obama und Dmitri Medwedew, die sich heute in London das erste Mal treffen, wohl nicht geben.
Der 47-jährige Obama ist ein brillanter Redner und Pragmatiker. Der vier Jahre jüngere Medwedew ist ein noch etwas steifer Redner, aber auch er ist Pragmatiker. So hat man schon mal eine gemeinsame Ebene.
Medwedew hat sich öffentlich von jeglichem Anti-Amerikanismus distanziert, was ihn jedoch nicht davon abhielt, Obama unmittelbar nach seiner Wahl im November mit einer kleinen Provokation zu testen. Der Kreml-Chef kündigte an, Russland werde als Antwort auf die geplante amerikanische Raketenabwehr in Polen und Tschechien, die sich angeblich nur gegen Bedrohungen aus den Iran richten soll, Mittelstreckenraketen in Kaliningrad aufstellen. Die Raketenabwehr wird von Russland als Bedrohung gesehen. Eine Rakete aus Polen bräuchte gerade mal zehn Minuten bis Moskau.
Dass sich in den russisch-amerikanischen Beziehungen etwas ändert, ist nach Meinung von Anatoli Torkunow, dem Rektor der Moskauer Diplomaten-Uni MGIMO, durchaus möglich. Die USA bemühten sich um einen neuen Stil in den Beziehungen zu Russland, erklärte Torkunow in der Iswestija, denn Washington brauche Moskau bei der Lösung der Probleme Afghanistan, Iran und Terrorismus. Deshalb hätten amerikanische Russland-Experten empfohlen, Moskau nicht mehr „vor Fakten zu stellen“ und „in der Demokratie zu erziehen“. Russlands Interessen sollten offenbar „nicht mehr ignoriert“ werden, so der russische Außenpolitik-Experte. Nach dem Georgien-Krieg werde es, so Torkunow, den russischen Diplomaten allerdings „nicht leicht fallen, zu der romantischen Welle der russisch-amerikanischen Beziehungen in der Zeit von Gorbatschow und Schewardnadse zurückzukehren“. Unter russischen Diplomaten habe sich seit den 1990er Jahren die Meinung festgesetzt, dass Russland von der Nato eingekreist werde. Man sei besorgt über die Kriege auf dem Balkan, den Bruch in den Beziehungen mit der Ukraine und die „militärische Destabilisierung der russischen Grenzen im Kaukasus“.
Die Beziehungen zwischen Russland und den USA hatten sich in den letzten Jahren immer mehr abgekühlt. Der Höhepunkt war der Krieg in Georgien im August letzten Jahres. Russische Medien hatten für den Angriff der georgischen Armee auf die südossetische Stadt Zchinwali nicht nur den georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili, sondern auch die damalige US-Regierung verantwortlich gemacht, die den georgischen Präsidenten nicht zurückhielt, ihn angeblich sogar ermunterte.
Washington hat bereits die Fühler ausgestreckt, um herausfinden, inwieweit man mit Moskau auf bestimmten Problem-Feldern zusammenarbeiten kann. Henry Kissinger, der die US-Außenpolitik seit den 1960er Jahren – unter anderem als Außenminister – mitprägte, besuchte Moskau zu Expertengesprächen. Anfang März wurde ein Geheimbrief von Obama an Medwedew bekannt. Darin schlug der neue Mann im Weißen Haus dem Kreml-Chef einen Tausch vor. Russland hilft bei der Vereitelung von Irans Atombombenplänen, die USA würden dann ihren Raketenschild zurückziehen.
Gegenüber einem BBC-Korrespondenten schlug Medwedew jetzt einen sehr freundlichen Ton an. „Viele Positionen“ in der Botschaft von Obama, „sind mit meinen Eindrücken identisch“, erklärte der Kreml-Chef mit einem jungenhaften Lächeln. Die Frage sei jetzt, „wie wir unsere Vorstellungen während unseres persönlichen Treffens realisieren können“. Ein Ergebnis scheint zumindest greifbar: Russische Medien gehen davon aus, dass Obama und Medwedew eine Erklärung über die Verlängerung des Start-1-Abrüstungsvertrages unterzeichnen.
"Saarbrücker Zeitung"