30. March 2008

Spekulation um den Mörder

Kurz vor dem Amtsende von Wladimir Putin demonstriert die russische Generalstaatsanwaltschaft Aktivitität. Inzwischen erklärte ein Sprecher, man habe den Namen des Mörders von Anna Politkowskaja ermittelt. Im Interesse der Ermittlungen wollte die Staatsanwaltschaft den Namen jedoch nicht der Öffentlichkeit bekannt geben.

MOSKAU. Angeblich soll die kremlkritische Journalistin Anna Politkowskaja nach Moskauer Medienberichten 2006 von einem 30-jährigen Tschetschenen erschossen worden sein. "Komsomolskaja Prawda veröffentlichte unter Berufung auf informierte Kreise den Namen Rustam Machmudow. Die Staats- anwaltschaft bestätigte lediglich, dass der Verdächtige identifiziert sei.

"Derjenige, der das Verbrechen, den Mord an Politkowskaja, ausgeführt hat, wurde ermittelt. Es werden alle Maßnahmen für die Suche und Verhaftung dieser Person ergrif- fen," das erklärte in Moskau der Vertreter der Generalstaats-anwaltschaft, Wjatscheslaw Smirnow. Um die Ermittlungen nicht zu stören, werde der Name des Mörders der Öffentlichkeit allerdings nicht mitgeteilt.

In dem Mordfall Politkowskaja gibt es neun Verdächtige. Darunter ist auch der Oberstleutnant des russischen Inland-Geheimdienstes FSB, Pawel Rjagusow. Der FSB-Mann hatte einer tschetschenischen Bande, die auf Auftragsmorde spezialisiert ist, den Wohnort der Journalistin mitgeteilt. Insgesamt vier Personen, darunter drei Tschetschenen und der FSB-Mann, befinden sich in Haft. Die Ermittlungen in dem Mordfall, der international Aufsehen erregte, sollen noch bis September fortgeführt werden. Im Rahmen eines Haftprüfungstermins vor einem Moskauer Militärgericht wurde inzwischen die Rechtmäßigkeit der Untersuchungshaft für Pawel Rjagusow bestätigt. Gegen den FSB-Oberstleutnant wird auch wegen eines anderen Kriminalfalls, einer Geiselnahme, weiterhin ermittelt.

Die Redaktion der "Nowaja Gaseta", für welche die Journalistin Reportagen über Kriegsgräuel in Tschetschenien geschrieben hatte, erklärte, die Nachricht über den Mörder sei nicht neu. Bereits im Oktober 2007 hatte Petros Garibjan, der Leiter der Ermittlungsgruppe des staatlichen Ermittlungskomitees, in einem Interview mit der Zeitung erklärt, "wir wissen wer er war". Vermutlich wollen die russischen Sicherheitsorgane mit ihrer Erklärung, man wisse wer der Mörder ist, Aktivität demonstrieren.

Wladimir Putin war nämlich von westlichen Korrespondenten immer wieder auf die Ermittlungen angesprochen worden, zuletzt am 8. März, bei der Pressekonferenz im Rahmen des Merkel-Besuchs in Moskau. Der Kreml-Chef hatte im Beisein der Bundeskanzlerin erklärt, dass die Untersuchungen im Mord an Politkowskaja "bis zu ihrem logischen Ende, bis zum Gericht geführt werden". Er wisse aber nicht, wann das sein werde.

Anna Politkowskaja wurde im Oktober 2006 mit Schüssen aus einer Pistole in ihrem Hausflur im Zentrum von Moskau ermordet. Über Hintermänner des Attentats wurde viel spekuliert. Am naheliegendsten aber scheint die These der "Novaja-Gaseta"-Redaktion, nach der der Auftraggeber des Mordes in Russland sitzt. Möglicherweise sei Politikowskaja einer kriminellen Gruppe von Tschetschenen in die Quere gekommen. Die Journalistin hatte viel über illegale Geschäfte von russischen und tschetschenischen Sicherheitsstrukturen berichtet. Auch hatte sie aufgedeckt, dass der Sicherheitsdienst des von Putin eingesetzten tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow in Fälle von Mord, Folter und Entführung verwickelt ist.

Kreml-Kritiker halten es dagegen für möglich, dass der Mordbefehl direkt aus dem Kreml kam. Doch das Motiv ist unklar, denn es war abzusehen, dass der Mord an der bekannten Journalistin dem Ansehen Putins erheblich schadet. Dass ein FSB-Mann zu den Verdächtigen gehört, spricht eher für die Korruptheit in Teilen des Geheimdienstes als für die Handschrift des Kreml.

Völlig an den Haaren herbeigezogen ist die These des russischen Generalstaatsanwalts Juri Tschaika, nach welcher der Mord von dem nach London geflohenen russischen Oligarchen Boris Beresowski in Auftrag gegeben wurde, um Putin zu Schaden. Auch für diese These gibt es keinen Beweis.

"Thüringer Allgemeine"

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