9. December 2022

Tauziehen um Viktor Bout (Spiegelfechter)

Viktor Bout nach seiner Ankunft auf Flughafen in Moskau - Screenshot ТВ МИР
Foto: Viktor Bout nach seiner Ankunft auf Flughafen in Moskau - Screenshot ТВ МИР

Der russische Waffenhändler Viktor Bout ist laut russischen Medien ein Opfer der US-Justiz. Das russische Außenministerium will den Verurteilten nach Russland zurückholen.
ein Gastartikel von Ulrich Heyden, Moskau (veröffentlicht am 11. April 2012) 

Am 5. April wurde der Waffenhändler Viktor Bout von einem Bundesgericht in New York zu 25 Jahren Haft verurteilt. Nach der Urteilsverkündung rief Bout, der vier Jahre in Einzelhaft saß, „ein stolzer Waräger ergibt sich dem Feind nicht“. Die Waräger waren Krieger und Händler, die im 8. Jahrhundert an den Flüssen Osteuropas lebten. 

Waffen für alle Parteien

Das Operationsgebiet von Viktor Bout war wesentlich größer. Der heute 45jährige belieferte in den letzten zwanzig Jahren ganze Kontinente mit Waffen.

Der 45jährige Bout, der sechs Fremdsprachen spricht und Ende der 1980er Jahre eine Militärakademie in Moskau absolvierte, arbeitete von 1989 bis 1990 Übersetzer der sowjetischen Militärmission in Mozambique. Durch seine Fremdsprachenkenntnisse und guten Kontakte in russische Militärkreise gelang es ihm, sich als internationaler Waffenhändler zu etablieren. 

Bout baute aus Antonow-Transportmaschinen eine Flugzeugflotte auf. In Hochzeiten verfügte der am 5. April in New Verurteilte über 60 Flugzeuge und 300 Piloten. Bout verkaufte Waffen in Konfliktgebiete nach Asien und Afrika. Er lieferte Waffen an die Taliban, absolvierte über 1.000 Transportflüge für die US Army nach Bagdad und beförderte britische Soldaten in den Kosovo.

Am vergangenen Donnerstag wurde der 45jährige Bout von einem amerikanischen Bundesgericht in New York zu 25 Jahren Haft verurteilt. Außerdem soll Eigentum des ehemaligen Waffenhändlers in Höhe von 15 Millionen Dollar beschlagnahmt werden. Alla Bout, die Ehefrau des Verurteilten erklärte, dem Gericht lägen keinerlei Dokumente über das Eigentum ihres Mannes vor. Was da beschlagnahmt werden solle, sei ihr rätselhaft.

„Unsichere Beweis-Basis“

In den russischen Medienberichten haftet Bout etwas von einem russischen Helden an. Wen dieser Russe da mit was belieferte wird nicht groß thematisiert. Da schmorte ein russischer „Geschäftsmann“ jahrelang in einer amerikanischen Gefängniszelle in Einzelhaft. Das ist der Grundtenor der Berichte.

Das russische Außenministerium veröffentlichte nach der Urteilsverkündung eine scharfe Erklärung. Darin hieß es, das Urteil gegen Bout sei „unbegründet und tendenziös“. Das Gericht habe auf „unsicherer Beweis-Basis“ einen „politischen Auftrag“ erfüllt. Lange vor dem Urteil sei der jetzt Verurteilte als „Händler des Todes und fast als internationaler Terrorist“ bezeichnet worden. Im Gefängnis habe man zudem versucht, den Angeklagten „psychisch und psychologisch  unter Druck zu setzen“.

Pläne für Rückhol-Aktion

Der russische Außenminister Sergej Lawrow erklärte, man werde ein von Bouts Anwälten angestrengtes Berufungsverfahren gegen das Urteil unterstützen. Dabei lasse man sich nicht „vom Gefühl der Rache leiten“. Es gäbe aber den Wunsch „die Rechte unseres Landsmannes zu sichern“. Russland werde auf jeden Fall versuchen, Bout in die Heimat zurück zu holen. „Juristische Instrumente“ dafür gäbe es, erklärte der Außenminister. Nach russischen Medienberichten hofft Moskau offenbar, dass man Bout über die Konvention des Europarates zur Übergabe von Gefangenen nach Russland holen kann. Die Konvention wurde von Russland und den USA unterzeichnet und bereits einmal genutzt. Ende 2008 wurde Wladimir Kusnezow, ein ehemaliger russischer Mitarbeiter der UNO, der in den USA wegen Geldwäsche zu vier Jahren Haft verurteilt wurde, an Russland ausgeliefert.

Verschwörung gegen amerikanische Staatsbürger

Bereits im November letzten Jahres war Bout von einem Geschworenengericht in New York für schuldig gesprochen worden. Das Gericht erhielt es für erwiesen, dass Viktor Bout 2008 versucht hatte, Waffen an die linksradikale kolumbianische Guerilla Farc zu verkaufen. Außerdem sei Bout an einer Verschwörung zum Mord von amerikanischen Staatsbürger und einer Verschwörung zum Mord an amerikanischen Beamten und Militärs in Kolumbien beteiligt gewesen sein.

Bouts Anwalt, Albert Dayan, argumentierte in dem Verfahren vor dem Bundesgericht in New York, sein Mandant habe keine Waffen, sondern nur zwei alte Flugzeuge verkaufen wollen. Mit seiner Bereitschaft Waffen zu verkaufen, habe Bout nur das  Vertrauen der potentiellen Käufern wecken wollen.

Richterin spricht von Ungereimtheiten

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Waffenhändler lebenslänglich gefordert. Doch die Richterin Shira Scheindlin sah Ungereimtheiten im Fall Bout als strafmildernd an. Es sei unklar, warum die amerikanische Drogenbehörde DEA in den Fall verwickelt sei. Bout haben zudem nicht aus ideologischer Überzeugung gehandelt sondern, weil er eine Gelegenheit nutzen wollte, um Geld zu verdienen. Nichtsdestotrotz seien Möglichkeiten des Waffenhändlers Bout, sein Wissen und seine Kontakte auf dem grauen Waffenmarkt eine ernste Gefahr für die USA.

Es gäbe zwar „keine Beweise“, dass Bout sich aktiv in einer terroristischen Vereinigung engagiere wollte, erklärte die Richterin, Bout habe aber in der Vergangenheit an „die grausamsten und gewalttätigsten Regime der Welt verkauft“. Die Richterin erklärte, „25 Jahre sind genug“.

Verteidigung spricht von „Sieg“

Die Verteidigung und Alla But, die Ehefrau des Verurteilten, bezeichneten das Verfahren vor dem New Yorker Gericht als „Sieg“, da die Richterin der Empfehlung der Staatsanwaltschaft auf lebenslänglich nicht gefolgt sei. Es seien keine Dokumente vorgelegt worden, welche die Schuld ihres Mannes beweisen, sagte Bouts Ehefrau.

Alla Bout war sichtlich erregt, als sie nach dem Gerichtsurteil vor die Presse trat. Sie sprach von einem Gesinnungsurteil. Die Geschworenen, welche ihr Urteil bereits im November fällten, seien voreingenommen und durch den Film „Händler des Todes“ beeinflusst gewesen. Alla Bout zog eine Parallele zu den Schauprozessen  unter Stalin im Jahre 1937.

Operation „Erbarmungslos“

Das angebliche Waffengeschäft zugunsten der Farc, welches Bout zum Verhängnis wurde, war im März 2008 von Agenten der amerikanischen Anti-Drogenbehörde DEA als  Operation Relentless („Erbarmungslos“) eingefädelt worden. Die Agenten gaben sich als Vertreter der kolumbianischen Guerilla aus. Bei den Gesprächen im Hotel Sofitel in Bangkok äußerten sie Kaufinteresse an 100 Boden-Luft-Raketen zum Abschuss von Passagiermaschinen. Der Staatsanwalt erklärte unter Berufung auf Mitschnitte der Gespräche im Hotel, Bout habe den Unterhändlern sogar 800 Boden-Luft-Raketen angeboten. Nach US-Gesetzen steht auf Handel mit diesen Raketen eine Mindeststrafe von 25 Jahren Haft. Unmittelbar nach Verhandlungen mit den angeblichen Abgesandten der Farc wurde Bout von der thailändischen Polizei verhaftet und 2010 an die USA ausgeliefert.

„Diese Wahrheit kennt Gott und diese Leute“

Der Angeklagte selbst erschien zu seinem letzten Wort im Gericht in sandfarbener Gefängniskluft und sichtlich abgemagert. Bout beteuerte seine Unschuld. „Ich bin nicht schuldig“, wiederholte der ehemalige Waffenhändler mehrere Male. Er habe Niemanden töten wollen und Niemandem Waffen verkaufen wollen. „Diese Wahrheit kennt Gott und diese Leute“. Dabei zeigte der Angeklagte auf die drei DEA-Agenten, die ihn 2008 in das fingierte Waffengeschäft zugunsten der Farc verwickelt hatten. Er werde sich vor seinem „Vaterland“ verantworten und Russland werde sich für ihn verantworten, erklärte der Angeklagte.

veröffentlicht in: Internetportal "Spiegelfechter", 11.04.12

 

 

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