Teures Blech
Autodiebe in Russland machen Jagd auf Luxus-Autos.
Jetzt wurde der erste Maybach − eines der teuersten Autos
der Welt − gestohlen. Die Diebe verbringen die Ware
vermutlich in benachbarte GUS-Länder. Der neue
Besitzer könnte allerdings Probleme bei der Wartung bekommen.
Erst vor einem Monat hatte sich Viktor Markow, der Produzent des russischen Musik-Unternehmens Megastar, einen Traum erfüllt. Für eine halbe Million Dollar kaufte er sich einen kraftstrotzenden schwarzen Maybach 57 (12 Zylinder, 550 PS). Doch das 2,7 Tonnenschwere Prachtstück aus der deutschen Manufaktur kam ihm jetzt unverhofft abhanden. Und das kam so: Um zehn Uhr abends begab sich Markow in die Moskauer Bar „De Marco“ zu einer geschäftlichen Verabredung. Die Bar liegt am Smolenski-Sennaja-Platz, in unmittelbarer Nähe des Außenministeriums. Der Fahrer war zum Rauchen ausgestiegen und wartete neben der schwarzen Nobellimousine auf seinen Chef. Da kamen − zumindest nach dem Bericht des Fahrers − zwei Kaukasier. Der eine hielt ihm „so etwas wie eine Pistole“, wie der düpierte Chauffeur sich vage ausdrückt, in den Rücken. Als der Fahrer die hintere Tür öffnete, habe er einen Schlag auf den Kopf bekommen. In seinem Auto sei er dann bewusstlos geschlagen worden. Die ausgeklügelte Alarmanlage des wertvollen Gefährts sprang nicht an, denn sie reagiert nur auf gewaltsamen Einbruch. Als der Fahrer irgendwo im Süden von Moskau wieder aufwachte, sagte man ihm, er solle sich nicht rühren, wenn ihm sein Leben lieb sei. Die beiden Diebe hätten sich, so seine detaillierte Schilderung, auf Georgisch unterhalten. Nach eineinhalb Stunden sei er dann außerhalb der Stadt freigelassen worden. Der Besitzer suchte vor der Bar indessen vergeblich nach seinem Auto und erstattete schließlich frustriert eine Anzeige, doch die Suche der Polizei blieb bisher erfolglos. Auch die Satelliten-Navigation, die in dem gestohlenen Auto installiert ist, sprach nicht auf Signale an. Möglicherweise haben die Diebe das Auto in einer betonierten Garage versteckt. "Man muss verrückt sein, wenn man solch eine Maschine klaut“, meinte der Bestohlene gegenüber dem russischen Fernsehkanal NTW. Jährlich werden in Russland lediglich 15 Maybach verkauft. Jeder einzelne der Wagen fällt also zwangsläufig auf den Straßen auf. Die Ermittler vermuten, dass die Luxuskarre − möglicherweise auch in Einzelteile zerlegt− ins „nahe Ausland“, etwa in die Ukraine oder nach Kasachstan, verbracht wird. Die russischen Grenzen in diese GUS-Länder werden nur schwach kontrolliert. Wenn das Auto erst mal verkauft ist, ist die Rückführung an den Besitzer nur noch schwer möglich, meinen russische Experten. Der neue Besitzer könnte jedoch Probleme mit der Wartung bekommen. Der Maybach ist zwar nur ein modifizierter Mercedes, braucht aber eine spezielle Behandlung in der Werkstatt. Der Diebstahl ist symptomatisch für die dramatische Zunahme dieser Form der Kriminalität: Die Zahl der
Autos in Russland steigt rasant und auch die Diebstähle, besonders bei Luxus-Modellen, steigen. In den ersten neun Monaten dieses Jahres wurden allein in Moskau 10 620 Autos gestohlen, im gesamten Vorjahr waren es 8000. Nach Angaben der Zeitung „Kommersant“ findet die Polizei nur 30 Prozentder gestohlenen Autos wieder. Am häufigsten entwendet werden die Marken Lada, Toyota und Volkswagen. Es war der erste Maybach in Russland, der jetzt gestohlen wurde. Seit Anfang des Jahres wechselten bereits acht Bentleys auf unschöne Art den Besitzer. Auch ein Rolls-Royce Phantom und etwa 50 Porsche-Cayenne wurden entwendet. Keines der gestohlenen Fahrzeuge fand man bisher. Der Besitzer des Maybachs gab sich gelassen. Das Auto war für 300 000 Dollar versichert. Vor dem Maybach wurde ihm schon ein Mercedes und ein Chrysler geraubt. Gegenüber „Kommersant“ erklärteder Bestohlene ruhig „die Hauptsache ist, dass alle am Leben sind. Das Auto ist letztlich nur ein Stück Blech, obwohl es 530 000 Dollar kostet“. Und in seiner Garage ist wieder Platz.
"Thueringer Allgemeine"