Tiflis fordert vollständigen Abzug
Nach dem Abzug der russischen Truppen aus den Pufferzonen, fordert die georgische Regierung nun auch den Abzug aus Abchasien und Süd-Ossetien.
Russland hat am Mittwoch nach eigenen Angaben alle Truppen aus den „Pufferzonen“ rund um die abtrünnigen georgischen Provinzen Südossetien und Georgien abgezogen. „Die letzte Kolonne mit Technik und Waffen“ habe die Grenze nach Südossetien am Mittwoch um 18:30 MEZ überquert, erklärte Marat Kulachmetow, der Kommandeur der russischen Truppen in Südossetien. Beobachter der EU und der OSZE überprüften am Donnerstag, ob Russland wirklich alle Kontrollposten in den Pufferzonen geräumt hat.
Der Chef der EU-Beobachter, der deutsche Diplomat Hansjörg Haber, äußerte sich am Mittwoch zufrieden über den Abzug der russischen Truppen und erklärte gegenüber Journalisten, die Zusammenarbeit mit den russischen Militärs laufe konstruktiv.
Nach dem von Sarkozy ausgehandelten Friedens-Plan musste Russland seine Truppen aus den Pufferzonen bis Freitag zurückziehen. Russische Truppen waren im August bis nach Zentralgeorgien vorgedrungen. Damit reagierte Russland auf den georgischen Angriff gegen die südossetische Hauptstadt Zchinwali. Südossetien und Abchasien sind seit 1991 defacto unabhängig von Tiflis. Russland hat die beiden Provinzen seitdem unterstützt und nach dem Fünf-Tage-Krieg im August auch als Staaten anerkannt.
Die 225 unbewaffneten EU-Beobachter, die seit Anfang Oktober in den Pufferzonen um Abchasien und Südossetien Patrouille fahren und Kontakt zur einheimischen Bevölkerung aufnehmen wollen nach dem Abzug der russischen Truppen auch die Sicherheitslage jenseits der Provinz-Grenzen überprüfen. Russland hat erklärt, dass die EU-Beobachter für die Territorien von Abchasien und Süd-Ossetien nicht zuständig sind. Die diesbezüglichen Vereinbarungen werden von der EU und Russland unterschiedlich interpretiert.
Der Vorsitzende des georgischen Parlaments, Davit Bakradze, erklärte, die Tatsache, dass Russland seine Truppen aus den Pufferzonen abgezogen habe, bedeute nicht, dass Russland seine Verpflichtungen voll erfüllt habe. Der unter Vermittlung von EU-Ratspräsident Sarkozy ausgehandelte Waffenstillstandsplan sieht nach georgischer Lesart einen Rückzug der russischen Truppen zu ihren Ausgangspositionen vom 7. August, d.h. zum Tag des Kriegsbeginns, vor. Bis zum Ausbruch des Georgien-Krieges war Russland auf Grundlage internationaler Vereinbarungen in Abchasien mit 3.000 und in Südossetien mit 500 Friedenssoldaten präsent. Tiflis hat den russischen Friedenstruppen während des August-Krieges das Mandat entzogen. Russland will in Zukunft in den beiden abtrünnigen Provinzen mit jeweils 3.500 Soldaten präsent sein.
Tiflis fordert jetzt, dass die russischen Truppen sich auch aus den Gebieten in den abtrünnigen Provinzen zurückziehen, die vor dem 7. August unter georgischer Kontrolle standen. Dabei geht es um das Kodori-Tal in Abchasien und die Region um Akhalgori in Südossetien. Präsident Saakaschwili hatte bereits Ende September erklärt, nach der Übernahme der Kontrolle der Pufferzonen durch EU-Beobachter, müsse eine zweite Phase folgen, in der die russischen „sogenannten Friedenstruppen“ aus Georgien vollständig abziehen. Das schaffe dann auch die Voraussetzung für die Rückkehr der georgischen Flüchtlinge nach Abchasien und Südossetien. Solange sich auch nur „ein einziger Okkupant“ in Georgien befinde, sei „der Kampf nicht zuende“, erklärte der georgische Präsident am Wochenende.
In Folge des August-Krieges flüchteten nach Angaben der UNHCR 127.000 Menschen nach Zentral-Georgien. Dazu kommen nocheinmal 220.000 Flüchtlinge, die bereits während der Bürgerkriege Anfang der 1990er Jahre in das georgische Kernland flüchteten. Gestern (Donnerstag) wurde der französische Außenminister Kouchner in Tiflis erwartet. Während seines zweitägigen Besuchs will der französische Außenminister den Waffenstillstand überprüfen und auch die Grenze zu Südossetien inspizieren. Am 15. Oktober soll dann in Genf eine internationale Konferenz stattfinden, auf der es um die Sicherung des Friedens im Kaukasus und die Zukunft der beiden abtrünnigen Regionen geht.
Ulrich Heyden, Moskau (Veröffentlichung nur nach Rücksprache mit dem Autor)