10. November 2009

Todesstrafe als Wählermagnet

Ein Großteil der politischen Elite Russlands ist gegen die Wiedereinführung der Todesstrafe. Doch Populisten, wie die stellvertretende Duma-Vorsitzende Ljubow Sliska, fordern die Todesstrafe für Kinderschänder und Terroristen.

MOSKAU. Russland wird die Todesstrafe voraussichtlich nicht wieder einführen. Dies ist zumindest der Eindruck, der sich auf der gestrigen Anhörung beim russischen Verfassungsgericht in St. Petersburg ergab, auf welcher der Vertreter der russischen Regierung und andere Experten sich ausnahmslos gegen die Todesstrafe aussprachen.

Bis zum Ende des Jahres will das Verfassungsgericht sein Urteil fällen, ob in Russland wieder die Todesstrafe angewendet werden darf. Dieser Schritt wäre nach Meinung russischer Regierungs-Experten gleichbedeutend mit dem Auszug Russlands aus dem Europarat und deshalb nicht wünschenswert.

Das heutige russische Strafrecht lässt die Todesstrafe zu, doch seit 1999 wird die Strafe nicht mehr verhängt. Präsident Boris Jelzin hatte die Todesstrafe im Mai 1996 mit einem Moratorium ausgesetzt. Dies war eine Bedingung für Russlands Aufnahme in den Europarat im gleichen Jahr. 1997 hatte Russland sich dann mit der Unterzeichnung des Menschenrechts-Protokolls Nr. 6 zur Nichtanwendung der Todesstrafe verpflichtet.

Das Verfassungsgericht prüft nun auf Antrag des Obersten Gerichts Russlands, wie in der Frage der Todesstrafe weiter verfahren werden soll. Wie Regierungsvertreter Michail Barschewski gestern auf der Anhörung des russischen Verfassungsgerichtes erklärte, sei es "ein historischer, juristischer und medizinischer Fakt", dass es in Russland keine Todesstrafe mehr gibt. Die lebenslange Haftstrafe, die bei schweren Straftaten statt der Todesstrafe verhängt wird, sei im Grund "viel härter", so der Regierungsvertreter. Nach Umfragen seien zwar 60 bis 70 Prozent der Bevölkerung für die Todesstrafe, erklärte Barschewski, wenn man sich jedoch die Statistik genauer angucke, sei die Zustimmung geringer. Die Todesstrafe werde vor allem in Korruptions-Fällen, bei Kinderschändern und Terroristen gefordert. Bei der Entscheidung für oder gegen die Todesstrafe gehe es heute für Russland um die "historische Richtung", "um den Platz in Europa".

"Thüringer Allgemeine"

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