21. July 2009

Tschetscheniens Präsident schlägt zurück

Von SZ-Korrespondent Ulrich Heyden, Moskau

Ramsan Kadyrow attackiert russische Bürgerrechtler. Es geht um Mordvorwürfe im Fall Estemirowa.

Moskaus Statthalter in Tschetschenien schlägt zurück. Ramsan Kadyrow hat angekündigt, gegen den Chef der russischen Menschenrechtsorganisation „Memorial“, Oleg Orlow, gerichtlich vorzugehen, um seine Ehre zu verteidigen. Orlow hatte den tschetschenischen Präsidenten persönlich für den Tod der Menschenrechtlerin Natalja Estemirowa verantwortlich gemacht. Sie war am Mittwoch vergangener Woche in Grosny entführt und erschossen worden. Estemirowa hatte in Tschetschenien zu verschwundenen Zivilisten recherchiert und das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte dokumentiert.

Die Chancen für eine erfolgreiche Klage gegen „Memorial“-Chef Orlow schätzen Menschenrechtler als gering ein. Doch dem Präsidenten Tschetscheniens geht es vor allem darum, sich in der internationalen Öffentlichkeit als Saubermann darzustellen. In den 90er Jahren hatte er noch auf der Seite der Separatisten gegen die russischen Truppen gekämpft und dann mit Moskaus Segen ein autoritäres Regime errichtet. Er wird von Kreml-Chef Medwedjew unterstützt, der Fragen nach der Schuld von Kadyrow als „primitiv“ abtut.

Ramsan Kadyrow war 2007 vom damaligen russischen Präsidenten Putin als Staatschef Tschetscheniens eingesetzt worden. Dass die Kaukasusrepublik heute praktisch von der Außenwelt abgeschnitten ist und die Sicherheitskräfte von Kadyrow alle gnadenlos verfolgen, die im Verdacht stehen, dass sie im Kontakt mit Untergrundkämpfern stehen, stört den Kreml offenbar nicht. Und so war es auch kein Wunder, dass Kadyrow kürzlich Gast des traditionellen Moskauer Galopp-Rennens war. Dazu hatte Kreml-Chef Medwedjew die Präsidenten der zentralasiatischen GUS-Staaten sowie die Präsidenten von Tschetschenien, Abchasien und Südossetien eingeladen. Kadyrows Rennpferd, der vierjährige Vollblüter „Bronze Cannon“, den der Präsident Tschetscheniens vom ehemaligen De-Beers-Diamanten-König Anthony Oppenheimer gekauft hatte, brachte es allerdings nur auf den vierten Platz.

Da die Menschenrechtsorganisation „Memorial“ keine Hoffnung hat, dass der Mord an Estemirowa schnell aufgeklärt wird, entschied sich die 1987 von ehemaligen Gulag-Häftlingen und Dissidenten gegründete Menschenrechtsorganisation, ihr Büro in Grosny vorerst zu schließen. Das Leben der 40 „Memorial“-Mitarbeiter in Tschetschenien sei in Gefahr, „solange hohe Beamte Menschenrechtler mit Terroristen gleichstellen und sie bedrohen“, heißt es in einer Erklärung von „Memorial“. Mit der Schließung des Büros gibt es in Tschetschenien keine Organisation mehr, die der Außenwelt über Menschenrechtsverletzungen in der Kaukasusrepublik berichtet. Dass der Kreml-Chef Medwedjew die Arbeit der ermordeten Natalja Estemirowa in allgemeinen Worten würdigte, sahen die Mitarbeiter von „Memorial“ offenbar nicht als ausreichenden Schutz für ihre weitere Arbeit in Tschetschenien.

Wie ein persönlicher Feind

„Memorial“-Chef Oleg Orlow hatte unmittelbar nach dem Tod der Menschenrechtlerin erklärt, Kadyrow habe Estemirowa wie einen persönlichen Feind behandelt. Man wisse nicht, ob Kadyrow für den Mord an der Menschenrechtlerin selbst den Befehl gegeben habe, oder einer seiner Berater, „der ihm gefallen wollte“. Als Präsident von Tschetschenien trage Kadyrow die Verantwortung für das, was in der Kaukasusrepublik passiert.

"Sächsische Zeitung"
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