Ukrainische Truppen stoßen auf russisches Territorium vor (Overton-Magazin)
Mit seinem Angriff auf das russische Gebiet Kursk will Kiew offenbar seine Position bei Friedensverhandlungen verbessern. Kiew hoffte offenbar, Russland an einem schwachen Punkt zu erwischen. Aber ob der Plan aufgeht, ist noch nicht sicher.
Am Dienstag früh um acht Uhr begannen nördlich von Charkow, vom ukrainischen Gebiet Sumy aus, massive ukrainische Angriffe mit Drohnen, Artillerie, Raketen und Soldaten auf grenznahe Ortschaften im westrussischen Gebiet Kursk. Die Kämpfe um die russische Ortschaft Sundscha, wo sich die einzig noch verbliebene Pipeline für den Transit von russischem Gas durch die Ukraine befindet, hielten bis Mittwochnachmittag an. Nach Informationen aus russischen Telegramm-Kanälen sind ukrainische Truppen auf russisches Gebiet vorgerückt.
Nach russischen Angaben wurde der Angriff von Soldaten der 21. mechanisierten Brigade der Ukraine, einer gut ausgerüsteten und hochmotivierten Einheit, ausgeführt. Die Brigade setzte nach russischen Angaben elf Panzer und 20 gepanzerte Fahrzeuge ein.
Russische Telegramm-Kanäle berichteten, die ukrainischen Truppen hätten ein Gebiet von 15 Kilometer Durchmesser erobert. Das russische Verteidigungsministerium meldete dagegen, die ukrainischen Truppen seien vor der russischen Grenze gestoppt worden.
Am Mittwochnachmittag trat der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow per Videoschaltung vor dem russischen Präsidenten auf. Gerassimow erklärte, das russische Gebiet Kursk sei am Dienstag von 1.000 ukrainischen Soldaten angegriffen worden. Bei Gegenschlägen der russischen Armee seien 315 ukrainische Soldaten sowie 54 gepanzerte Fahrzeuge, darunter sieben Panzer, vernichtet worden.
Der Generalstabschefs gestand faktisch ein, dass sich ukrainische Soldaten auf russischem Territorium befinden. Gerrasimow erklärte, „die Operation endet mit der Vernichtung des Gegners und seiner Verdrängung vom russischen Territorium.“
Wladimir Putin war während der Stellungnahme des Generalstabschefs anzusehen, dass er über die Entwicklung äußerst besorgt ist.
Es ist unmöglich, die mehrere Tausend Kilometer lange Frontlinie zwischen Russland und der Ukraine konstant mit starken Kräften zu schützen. Diesen Umstand hat sich Kiew zu Nutze gemacht.
Angriffe auf russische Ärzte
Während der Kämpfe im Gebiet Kursk starben nach Mitteilung des russischen Gesundheitsministeriums fünf Russen. 24 Russen wurden verletzt, darunter sechs Kinder. Wie bekannt wurde, griffen ukrainische Drohnen auch Erste-Hilfe-Wagen an. Der Arzt, Aleksandr Tschekalin, und sein Fahrer wurden getötet .
Die Angriffe der ukrainischen Truppen hatten in der Stadt Sudscha schwere Zerstörungen angerichtet, wie ein russischer Reporter in einem Video für den „Fünften“ russische Fernsehkanal dokumentierte.
200 Bewohner seien aus grenznahen, russischen Orten evakuiert worden, berichtete die russische Nachrichtenagentur TASS. Weitere eintausend Bewohner hätten sich mit ihren Privatautos in Sicherheit gebracht. Im Gebiet Kursk habe man Notaufnahme-Einrichtungen eröffnet, in den 600 Personen Zuflucht gefunden haben.
Im Stadtzentrum der Großstadt Kursk, die seit Monaten von ukrainischen Drohnen bedroht wird, eröffnete ein Zentrum für freiwillige Blutspenden.
Geheime Vorbereitung
Attacken von ukrainischen Truppen auf westrussische Grenzgebiete hatte es seit dem Februar 2022 schon mehrere gegeben. Jedes Mal – so auch jetzt – behauptet Kiew, es habe damit nichts zu tun. Die ukrainische Nachrichtenagentur UNIAN berichtete in einem Video, in dem nur russische Aufnahmen zu sehen sind, von einem „angeblichen Angriff auf Sudscha“. Möglicherweise wollte man nahelegen, dass die Russen ihre eigenen Ortschaften beschossen haben.
Gouverneur von Kursk: „Situation angespannt“
Der Gouverneur des russischen Gebietes Kursk, Aleksej Smirnow, erklärte am 6. August, die Situation „bleibe angespannt“. Wladimir Putin sprach am 7. August von einer „sehr großen Provokation“, denn es sei zivile Infrastruktur zerstört worden.
Die Sprecherin des russischen Außenamtes, Maria Sacharowa, erklärte, Kiew schicke Soldaten wieder mal „in einen Fleischwolf“. Unter „dem Lärm“ des Angriffs auf das Kursk-Gebiet versuche Selenskij die Mobilisierung ukrainischer Soldaten „um weitere drei Monate zu verlängern“.
An jeder Front gibt es schwache Stellen
Für das russische Militär war der ukrainische Angriff auf die grenznahen Gebiete des russischen Gebietes Kursk offenbar eine Überraschung. Kiew hatte die Operation sehr gut vorbereit, ohne dass russische Militärs und Medien etwas davon mitbekamen.
Vor dem Angriff war in russischen Medien zu lesen, es könne sein, dass Kiew im Geheimen mit gut motivierten und gut ausgerüsteten Truppen einen Überraschungsangriff vorbereitet. An welcher Stelle dieser Angriff geplant war, darüber wusste die russische Seite aber offenbar nichts.
Wie die russische Nachrichtenagentur TASS meldete, setzte die ukrainische Seite auch ein Fake-Video ein. Die Ansprache des Gouverneurs des Kursk-Gebietes sei gefälscht worden. An das Video wurde eine Audio-Spur montiert, in welcher eine angebliche Stimme des Gouverneurs die Männer des Kursker Gebietes aufruft, „zu den Einberufungsstellen“ zu kommen, „um dort Waffen zu empfangen“.
Kiewer Eroberungen als Verhandlungsmasse bei Friedensgesprächen?
Russische Kommentatoren meinen, durch Angriffe hochmotivierter, gut ausgerüsteter Spezialeinheiten wolle Kiew eine „starke Position“ in Hinsicht auf kommende Friedensgespräche sicherstellen.
Der Kreml-nahe Politologe Sergej Markow erklärte https://t.me/logikamarkova/13311 , Selenskij wolle den Plan von Putin durchkreuzen, nachdem die von Russland in der Ukraine eroberten Gebiete im Laufe von Friedensverhandlungen nicht zur Disposition stehen. ER wolle offenbar jetzt russisches Gebiet erobern, um es danach gegen das von Russland eroberte Gebiete vor Charkow und das Atomkraftwerk von Saporoschje zu tauschen. https://t.me/logikamarkova/13310 Um dieses Ziel durchzusetzen, wolle SelenskiJ jetzt die 22. ukrainische Brigade, die im Gebiet Kursk kämpft, durch die 72., 80. und 82. Elite-Brigade verstärken.
Sollte es so einen Plan geben, sei der riskant, denn wenn Russland diese Ansammlung von hochmotivierten und gut ausgerüsteten Brigaden im und vor dem Gebiet Kursk besiege, verliere die Ukraine die letzte Kraft, um einen weiteren russischen Vormarsch aufzuhalten.
Dass es auch um das Atomkraft im Gebiet Kursk geht, bestätigte indirekt der stellvertretende Leiter der militär-politischen Abteilung des russischen Verteidigungsministeriums, Generalmajor Apty Alaudinow. Er erklärte, für eine Eroberung des Atomkraftwerkes im Gebiet Kursk habe die Ukraine „keine Mittel“.
Von der New York Times befragte Militäranalysten glauben, dass die ukrainische Offensive „keinen Sinn macht“. Der Angriff könnte ein Versuch sein, russische Einheiten von der Frontlinie abzulenken und so den Druck auf die ukrainischen Truppen zu verringern. „Es sieht aus wie eine grobe Verschwendung von Menschen und Ressourcen, die anderswo dringend benötigt werden“, sagte etwa Pasi Paroinen, Experte des finnischen Thinktanks Black Bird Group.
veröffentlicht in: Overton-Magazin