Ulrich Heyden - Von Umbrüchen im russichen Alltagsleben (Weltnetz TV)
Ulrich Heyden erzählt zunächst von seinen ersten, ihn als deutschen Linken verwirrenden Erfahrungen im russischen Alltag der Neunziger: Männer und Frauen strebten den Lebensstil amerikanischer Filme an: Feminismus galt als überholt „sowjetisch“ und das Fahrrad stellte keine Alternative zum Auto dar. Zugleich gerieten viele in Armut. Jenseits des sowjetischen Systems gegenseitiger Unterstützung musste in Jelzins Russland nun jeder gegen jeden kämpfen. Laut Umfragen in Schulen war der von Mädchen meist angestrebte Beruf ´Prostituierte` und bei den Jungen: ´Banker`.
Für die Wohnungsnot war die einzige Lösung: Familiensolidarität. Der Zusammenbruch der Industrie zwang die Menschen, unter Qualifikation zu arbeiten. Viele Qualifizierte verließen das Land. Die Ausbildung der Zurückgebliebenen wurde vernachlässigt. Konsumgüter wurden über Zwischenhändler aus China, Dubai und Polen eingeführt. Erst als Putin den Steuerstaat rekonstruierte, wurden beeindruckende staatlichen Investitionen in die öffentliche Infrastruktur und die Ausbildung der Jugend möglich. Besonders Moskau, aber eigentlich alle Landesteile erlebten eine enorme Modernisierung.
Seit dem Ukrainekrieg verließen erneut viele Menschen das Land. Aber es kehrten auch viele zurück, so auch im Westen sanktionierte Oligarchen mit ihren Geldern - was der Wirtschaft ebenfalls hilft. Meinungsfreiheit ist, laut Heyden, in den einflussreichen staatlichen Medien besonders in Fragen des Ukraine-Kriegs begrenzt. Daneben stehen den Bürgern zahlreiche kritische Internetplattformen zur Verfügung, die allerdings offenzulegen haben, ob sie Gelder aus dem Ausland erhalten. Zuletzt wird erörtert, ob es – angesichts der deutschen Position im Ukraine-Krieg – in Russland einen Hass auf Deutschland gibt. Im nächsten und letzten Teil des Gesprächs wird es um die Probleme des Vielvölkerstaates gehen, der die Russische Föderation nach wie vor ist.