Südkurilen. Bild: public domain
Der japanische Premier erklärte nach den Gesprächen mit Putin, in der Frage der Südkurilen werde man - und das war neu - auf Grundlage der japanisch-sowjetischen Deklaration von 1956 verhandeln. Die Deklaration ebnete damals den Weg für die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern und sah die Übergabe der Inseln Chabomai und Schikotan an Japan vor. Weiter gab der japanische Premier bekannt, dass die nächste Verhandlungsrunde zum Friedensvertrag im Februar in München stattfinden wird.
Ob die Bevölkerung in Japan einen Kompromiss akzeptieren wird, ist eher zweifelhaft. In Japan hat die Rückgabe von vier Inseln Priorität gegenüber einem Friedensvertrag.
Für Russland wird in den Verhandlungen um die Inseln wichtig sein, ob Japan garantieren kann, dass dort nach einer Rückgabe von Inseln keine amerikanischen Militärbasen eingerichtet werden. Das wird Japan aber nur schwer garantieren können.
Das russische Verteidigungsministerium geht auf Nummer sicher. Wie die Zeitung Moskowski Komsomolez berichtete, hat das russische Verteidigungsministerium im letzten Jahr eine Beobachtungsstelle für maritime Ziele vom Typ Mys-1 und eine Schall-Ortung eingerichtet, mit deren Hilfe Objekte unter und über Wasser sowie in der Luft geortet werden können.
In den letzten Monaten hatte es - sehr zum Ärger der mit Außenpolitik befassten russischen Beamten - zahlreiche Information in den Medien gegeben, nach denen Russland zu der Rückgabe von Kurilen-Inseln bereit ist. Diese Meldungen seien von japanischen Medien gestreut worden, meinten russische Medien. Die russischen Außenpolitiker fühlten sich durch diese Meldungen unter Druck gesetzt, wurde berichtet.
Einen Schlusspunkt zu den Spekulationen über die angebliche russische Kompromissbereitschaft setzte der russische Außenminister Sergej Lawrow am 11. Januar bei einer Pressekonferenz für ausländische Journalisten. Lawrow erklärte, Grundlage von Verhandlungen sei, dass Japan die Südkurilen als russisches Territorium anerkennt.
Der russische Fernsehkanal NTV stellte am Dienstag klar, dass nicht Russland, sondern der japanische Ministerpräsident Abe die treibende Kraft für einen Friedensvertrag ist. Abe habe am Grab seinen Vaters versprochen, diesen Vertrag endlich zu realisieren.
Über das Motiv, warum sich die russische Seite auf Verhandlungen über einen Friedensvertrag einlässt, obwohl Japan an den antirussischen Sanktionen beteiligt ist, gibt es in russischen Medien nur Spekulationen. Eine These lautete, dass Russland sich von einem Friedensvertrag den Zugang zu Krediten von ostasiatischen Banken und das Aufbrechen der Isolation im Westen verspreche.
Der japanische Ministerpräsident hatte in einem Interview mit dem Moskauer "Kommersant" darauf hingewiesen, dass es zwischen Russland und Japan bereits zahlreiche erfolgreiche Technologieprojekte im Bereich der Gesundheitsversorgung, der Verkehrslenkung und der Produktion von Flüssiggas gibt. "Die vereinigte Kraft Russlands mit den Technologien und der Erfahrung von Japan können beiden Seiten große Früchte bringen", erklärte der japanische Premier.
Auf dem Presse-Briefing nach Abschluss der Gespräche im Kreml lobte Wladimir Putin die Erfolge der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Das Handelsvolumen sei von Januar bis November letzten Jahres um 18 Prozent auf fast zwanzig Milliarden Dollar gestiegen. Japanische Unternehmen seien am Bau mehrerer russischer Flüssiggas-Anlagen beteiligt. Eine "qualitative Verbesserung" der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gäbe es bisher aber nicht.
Überall in Russland gab es am vergangenen Wochenende kleine Protestaktionen gegen die Rückgabe von Kurilen-Inseln. In Moskau kamen am vergangenen Sonntag 2.000 Menschen zu einem Protestmeeting (Video der Kundgebung) unter der Losung: "Unsere Kurilen geben wir nicht her!"
Auf dem Platz wehten vor allem rote Fahnen der "Linken Front", aber auch die schwarz-weiß-gelben Fahnen der russischen Monarchisten. Auf der Tribüne sprachen Vertreter kleiner linker Organisationen sowie Patrioten und Monarchisten. Die drei Oppositionsparteien in der Duma - KPRF, Gerechtes Russland und Liberaldemokraten - hatten nicht zu der Moskauer Kundgebung aufgerufen. Die KPRF führte aber Kundgebungen in der russischen Provinz durch.
Maksim Kalaschnikow, Vertreter der "Partei der Sache" erklärte auf der Moskauer Kundgebung, schon Gorbatschow sei "im Ausland herumgefahren" und habe dort das Vaterland "verkauft". Ob man das wieder wolle? Warum schweige Putin, während der japanische Ministerpräsident von der Übergabe der Inseln redet? Mit russischer Erde dürfe man "nicht handeln".
Der linke Journalist Konstantin Sjomin fragte, warum man gerade jetzt mit einem Land einen Friedensvertrag schließen soll, welches seine Armee wiederaufbaut, 150 F35-Kampfflugzeuge von den USA erwerben und Systeme der US-Raketenabwehr auf seinem Territorium zulassen will.
Erzpriester Wsjewolod Tschaplin, von 2009 bis 2015 Sprecher der russisch-orthodoxen Kirche in Moskau, erklärte, "Markt-Fundamentalisten" wollten russische Erde "einfach verkaufen". Russland dürfe sich keinen westlich geprägten Kapitalismus aufzwingen lassen.
Ulrich Heyden
veröffentlicht in: Telepolis