4. November 2008

Wahlerwartungen ohne Obama-Fieber und McCain-Ängste

Ulrich Heyden, Moskau.

Von den großen Wahlhoffnungen in den USA und Europa ist in Russland wenig angekommen. Die Mehrheit der Russen findet Obama sympatisch, aber der Kreml würde mindestens ebenso gut mit McCain auskommen.

Vom Obama-Fieber spürt man in Moskau fast nichts. Zu distanziert waren die Bericht im russischen Fernsehen. Obama-Fans auf den Straßen der USA kamen im russischen Fernsehen selten zu Wort. Und auch Massen von jubelnden Amerikanern reißen noch keine Russen vom Hocker. So ist von der großen Erwartung in den USA und Europa fast nichts in Russland angekommen.

Kreml-Jugend: „Wahlen sind reine Show

Die Kreml-nahe Jugendorganisation „Naschi“ („Die Unseren“) hat zu den Wahlen in den USA bereits ihre Meinung kundgetan. Die Wahlen seien eine „reine Show“, so eine bitterernste Sprecherin der Kreml-Nachwuchs-Truppe am Sonntag, als 10.000 Naschi-Anhänger in einem theatralischen Protestzug vor die US-Botschaft in Moskau marschierten. Sie trugen Halloween-Kürbisse mit, auf denen Namen von Opfern der US-Politik, Namen von Toten im Irak und anderen Ländern standen.

Nach einer Umfrage der Meinungsforscher vom Lewada-Institut haben 64 Prozent der Russen den Wahlkampf in den USA nicht verfolgt. Allerdings: Von den Informierten symphatisieren 35 Prozent mit Obama und 14 Prozent mit McCain. 39 Prozent der Befragten glauben, dass die russische Führung mit einem Präsidenten der Demokraten eher eine gemeinsame Sprache findet.

Medwedew schweigt

Der Kreml hat sich zu den Kandidaten bisher nicht geäußert. Nur soviel ließ man verlauten: Man werde mit jedem US-Präsidenten zusammenarbeiten. Moskauer Zeitungen schreiben, die Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten seien sehr gering. Obama sei zwar skeptisch gegenüber der geplanten Raketenabwehr in Polen und Tschechien, aber auch Obama bestreite Russlands Anspruch auf Einfluss in Nachbarstaaten wie der Ukraine und Georgien.

Soft power und Schüttelfrost Obama

In der Moskauer Elite scheint man Obama zu fürchten wie einen Schüttelfrost. Denn der könnte den Kreml mit „soft power“ in unangenehme Situationen bringen, schwant es einem Kommentator der staatlichen Nachrichtenagentur Ria Nowosti, Dmitri Kosyrew.

So könnte Obama von Russland fordern, die Anerkennung von Abchasien und Südossetien zurückzunehmen und im Gegenzug „irgendwelche Zugeständnisse“ anbieten. „Ganz Europa“ werde dann auf den Kreml gucken, der nicht bereit ist, „Europas Liebling in Washington“ Zugeständnisse zu machen.

Warum McCain von Vorteil sein könnte für Moskau


Alexander Konowalow, der Leiter des Instituts für strategische Studien. sagt es gerade heraus: „McCain hat zwar keine besondere Symphatie für Russland, aber er hat Stabilität und ist prognostizierbar.“ Ein Präsident der Republikaner müsse „nicht jeden Tag beweisen, dass er sich nicht an die Kommunisten verkauft hat“.

Mit dem Demokraten John F. Kennedy – so erinnert der Experte - sei es „zur Kuba-Krise gekommen“ (die russischen Raketen auf Kuba erwähnte Konowalow nicht), mit dem republikanischen Hardliner Richard Nixon hingegen habe man die ersten Verträge zur strategischen Abrüstung unterschrieben.

So scheint es fast, dass man im Kreml McCain die Daumen drückt.

Nur einige eingefleischte russische Liberale, nachdenkliche Deutsche und „Democrats abroad“ („Demokraten im Ausland“) haben sich für Mittwoch in aller Herrgottsfrühe zur Wahlparty im Moskauer Starlite-Diner-Club verabredet, um einen Obama-Sieg zu feiern.

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