Der Kreml-Chef erklärte, er sehe in seinem Wahlsieg "Vertrauen und Hoffnung. Die Hoffnung unserer Menschen darauf, dass wir weiter so angespannt, so verantwortungsvoll und mit noch mehr Ergebnissen arbeiten. Danke, dass wir so eine kräftige Mannschaft von vielen Millionen sind." Der Kreml-Chef rief der Menge zu, es sei sehr wichtig, jetzt "die auf unsere Seite zu ziehen, die für andere Kandidaten gestimmt haben". Man brauche diese Einheit, "damit es weiter vorwärts geht". Damit es weiter vorwärts geht, müsse man "den Ellenbogen von jedem Bürger des Landes spüren".
Nach der Kundgebung erklärte der russische Präsident auf einer Pressekonferenz, dass es nach seinem Amtsantritt Neubesetzungen in der russischen Regierung geben werde. Das betreffe auch die Kandidatur eines neuen Ministerpräsidenten. Eine Verfassungsreform plane er jedoch nicht. Beobachter hatten es für möglich gehalten, dass Putin nochmal die Verfassung ändert, um sich auch nach seiner vierten Amtszeit Einfluss auf die Lenkung Russlands zu sichern, möglicherweise als "nationaler Führer".
Nach Angaben der Zentralen Wahlkommission erhielt Wladimir Putin nach Auszählung von 60 Prozent der Wahlzettel 76 Prozent Stimmen. Der Amtsinhaber hat zugelegt. Denn bei der Präsidentschaftswahl 2012 bekam er nur 63 Prozent der Stimmen.
Warum siegte Putin?
Dieser Sieg hat vor allem zwei Gründe. Natürlich siegte Putin über seine Herausforderer, weil sie alle von einer schwachen Position aus starteten. Bei Straßenumfragen bekam der Autor dieser Zeilen immer wieder zu hören, keiner der Gegenkandidaten habe irgendwelche praktischen Erfahrungen in der Regierungsarbeit. Wozu also auf einen anderen Kandidaten setzen, wenn man bei dem jetzigen Amtsinhaber weiß, was man hat und damit im Großen und Ganzen zufrieden ist?
Außerdem kann man davon ausgehen, dass viele Menschen in Zeiten außenpolitischer Spannungen auf die Person setzen, welche im Innern Stabilität und sozialen Schutz und nach außen hin militärische Abschreckung garantiert. Wladimir hat diese Ziele in seiner Rede vor der Föderalen Versammlung am 1. März deutlich und sehr konkret mit der Beschreibung neuer Waffen beschrieben.
Wie schnitten die anderen Kandidaten ab? Für den KPRF-Kandidaten Pawel Grudinin, der parteilose Chef der am Südrand von Moskau gelegenen "Lenin-Sowchose", stimmten 11,8 Prozent der Wähler. 2012 hatten noch 17 Prozent der Wähler für KPRF-Chef Sjuganow gestimmt. Allerdings war Pawel Grudinin bei der diesjährigen Präsidentschaftswahl einer massiven Gegenkampagne aller staatlichen Medien, vor allem des Fernsehens, ausgesetzt. Es wurde behauptet, Grudinin habe seine Konten in der Schweiz nicht aufgelöst und eines seiner Familienmitglieder besitze eine Villa in Spanien. Das Kalkül der KPRF-Führung mit dem Agrar-Unternehmer Grudinin neue Wählerschichten zu erschließen, ist zumindest nicht aufgegangen. Nun fühlen sich russische Linke wie der Politologe Boris Kagarlitsky bestätigt, dass es ein Fehler war, Grudinin aufzustellen.
Für den Nationalisten Wladimir Schirinowski stimmten 5,66 Prozent der Wähler, 2012 waren es noch sechs Prozent. Auf Platz vier landete Ksenia Sobtschak mit 1,67 Prozent. In Moskau bekam Sobtschak allerdings 4,08 Prozent der Stimmen. Sie überflügelt den Alt-Liberalen Gregori Jawlinski, der landesweit nur 1,04 Prozent der Stimmen bekam.
Noch schlechter waren die Ergebnisse von Boris Titow - Putins Berater für Unternehmerfragen - mit 0,76 Prozent, Maksim Surajkin - Leiter der stalinistischen KPRF-Abspaltung "Kommunisten Russlands" - mit 0,65 Prozent und dem Nationalisten Sergej Baburin mit 0,65 Prozent.
Die Wahlbeteiligung lag nach Angaben der Zentralen Wahlkommission 67,98 Prozent. 2012 lag sie bei 65 Prozent.
Die Präsidentschaftswahlen wurden zu einem vollen Erfolg für Wladimir Putin, sowohl was sein persönliches Stimmenergebnis als auch was die Wahlbeteiligung betrifft.
Das Wahlergebnis wird den Präsidenten Russlands auch deshalb stärken, weil es wenig Meldungen über Wahlfälschungen gab.
Nach den Prosteten gegen Wahlfälschungen 2011 und 2012 in Moskau und St. Petersburg hatte die russische Regierung den Einsatz von Überwachungskameras in Wahllokalen angeordnet, über welche die Stimmabgabe und Stimmauszählung per Internet von interessierten Internet-Usern live mitverfolgt werden können. Fälschungen sind unter diesen Bedingungen mit einem Risiko verbunden und können schnell festgestellt werden.
So wurde am Sonntag in der südlich von Moskau gelegenen Stadt Ljuberzi der Leiter eines Wahllokals entlassen und die Wahlurne versiegelt, weil am Sonntagmorgen um neun Uhr eine Frau einen Packen Wahlzettel in eine Wahlurne werfen konnte, was die Moskauer Wahlkommission per Video-Beobachtung feststellte.
Oppositionspolitiker beanstanden Fälschungen
Die Wahlbeobachter-Organisation "Golos" stellte am Sonntag 859 Verstöße gegen die Wahlordnung fest. Der Großteil der Verstöße (222) betrifft die Ausstattung der Wahllokale. 170 Verstöße betreffen die Rechte der Beobachter, der Mitglieder der Wahlkommissionen und der Journalisten.
Registrierung eines Wählers im Moskauer Wahllokal Nr 2881. Bild: Ulrich Heyden
Der Oppositionspolitiker Aleksej Nawalny der wegen einer Bewährungsstrafe nicht zu den Wahlen zugelassen worden war, sprach am Sonntag von einem "grandiosen Betrug". Die Leiterin der Zentralen Wahlkommission habe mit "mehreren Millionen Stimmen" die Wahlbeteiligung "auf das für Putin nötige Niveau erhöht". Navalny erklärte, er habe mit seinen Anhängern den Test gemacht und herausgefunden, dass sich ein und dieselbe Person mehrere Wahlberechtigungsscheine ausstellen lassen kann, um in anderen Wahlbezirken, außerhalb des eigentlichen Wohnorts abzustimmen.
Die Zentrale Wahlkommission widersprach der Behauptung von Navalny. Das automatisierte System "GAS Vybory" stelle pro Wahlberechtigten nur einen Schein für die wegen Urlaub oder Arbeitsplatzwechsel erzwungene Stimmabgabe außerhalb des ursprünglichen Wohnortes aus.
Überraschende Unterstützung bekam Navalny von dem KPRF-Kandidaten Pawel Grudinin, der auf einer Pressekonferenz nach der Wahl erklärte, "Navalny hat leider Recht". Im Moskauer könne ein Wahlberechtigter "dreimal abstimmen".
Besuch in einem Moskauer Wahllokal
Wahlen sind in Russland traditionell Anlass für Feiern und Musik. So war es auch vor der Schule Nr. 2101 an der Großen Filowski Straße im Westen Moskaus, wo sich die Wahllokale Nr. 2881 und 2880 befinden. Vor dem vierstöckigen Schulgebäude ging es am Sonntag lebhaft zu. Die Stadtverwaltung hatte einiges dafür getan, damit die Stimmabgabe ein feierliches Ereignis wird.
Ein junger Trainer spielte mit Kindern Fußball, drei junge Angestellte der örtlichen Bibliothek verteilten Anstecker und Luftballons mit dem Aufdruck "März 2018. Ich habe den Präsidenten gewählt" und in einem Zelt wurden Wurst und Konserven zu vergünstigten Preise verkauft. Kartoffeln kosteten nicht 30 Rubel wie im Geschäft, sondern nur 20 Rubel. Eine Musikgruppe sang in gold-weißen Kostümen russische Volksmusik und tanzte.
Viele Familien waren zum Wählen fast geschlossen angerückt. Eine junge Mutter, die mit ihrer kleinen Tochter und der Großmutter vor dem Wahllokal stand, sagte, "wir haben Putin gewählt. Wir sind für seinen Kurs. Und wir hoffen, dass er seine Versprechen einhält." Was die wichtigsten Aufgaben für den Präsidenten seien, wollte ich wissen, die sozialen Fragen oder die Sicherheit. "Natürlich die Sicherheit, denn wir sind eine Familie und wir haben Kinder."
Auf die Frage, ob die angespannte internationale Situation die Bereitschaft der Menschen zum Wählen erhöht, meinte die junge Mutter, "nein, zur Wahl zu gehen, das ist unsere zivile Verantwortung und Ausdruck unserer Gefühle und Wünsche. Amerika hat damit nichts zu tun."
Fernseh-Wahl-Debatten "wie im Zirkus"
Ein junger Mann erklärte, Putin werde die Wahl sicher gewinnen, denn die anderen Kandidaten hätten sich bei den Fernseh-Debatten völlig blamiert, indem sie sich versucht hätten sich gegenseitig zu überschreien. Das seien keine Debatten, sondern das sei "ein Zirkus" gewesen. In Russland müsse dringend der soziale Graben beseitigt werden, der sich zwischen wenigen ganz Reichen und dem Rest des Volkes auftut. Sonst werde Russland sich nicht entwickeln können.
Im Wahllokale 2881 mussten sich die Wähler mit ihrem Pass registrieren und bekamen dann einen Wahlzettel, den sie nach dem Ausfüllen in einen Scanner schieben mussten. Der Wahlzettel war auf der Rückseite mit einem Sicherheitssiegel versehen. Die großen Displays der beiden Scanner im Wahllokal 2881 zeigten um 15:30 in großen Ziffern an, dass 700 Menschen abgestimmt haben. 1940 Wahlberechtigte waren im Verzeichnis der örtlichen Wahlkommission registriert.
Die Scanner sind mit der Wahlzentrale nicht verbunden, erklärte mir ein Mitglied der örtlichen Wahlkommission. "Die Daten werden auf einer Flashcard gespeichert. Um 20 Uhr (wenn das Wahllokal schließt, U.H.) schaltet sich der Scanner automatisch ab und der Printer druckt das Ergebnis aus." Das Wahl-Protokoll werde dann mit einem Sicherheitssiegel versehen und an die Zentrale Wahlkommission geschickt. Der Wahlausschuss des Wahllokals 2881 war mit Vertretern verschiedener gesellschaftlicher Organisationen besetzt. Auch ein Mitglied der oppositionellen Partei Jabloko befand sich darunter.
Außerdem gab es im Wahllokal vier Beobachter, von KPRF-Kandidat Pawel Grudinin, der Kandidatin Ksenia Sobtschak, von Wladimir Putin sowie von der Bürgerkammer.
Die Menschen in der Ukraine, die einen russischen Pass haben, konnten ihr Recht auf Teilnahme an der russischen Präsidentschaftswahl am Sonntag nicht ausüben. Die russischen Konsulate in Kiew, Odessa, Charkow und Lviv hatten zwar geöffnet, doch die Konsulate wurden den ganzen Sonntag über von ukrainischen Polizisten und Ultranationalisten blockiert. In Odessa gab es eine Bombenwarnung für den Bezirk in dem das russische Konsulat liegt.
Das ukrainische Innenministerium hatte am Freitag mitgeteilt, man werde Russen nicht gestatten, in den russischen Botschaften ihre Stimme abzugeben. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass Russland die Präsidentschaftswahlen auch auf der Krim durchführen wolle. Nach einer Meldung der Nachrichtenagentur TASS riet das ukrainische Außenministerium den in der Ukraine lebenden Russen, zur Wahl nach Russland zu fahren.
veröffentlicht in: Telepolis