Was tun mit dem Diktator?
Zum 60. Todestag von Stalin schweigen der Kreml und das Staatsfernsehen. Doch die Popularität des „Führers“ steigt
Stalins Name hat in Russland wieder einen guten Klang. Nach einer zum 60. Todestag des Diktators veröffentlichten Umfrage des Lewada-Meinungsforschungszentrums sind 49 Prozent der Befragten der Meinung, dass Stalin für das Land eine eher positive als negative Rolle gespielt habe. 32 Prozent sind der Meinung, dass die Rolle von Stalin negativ war.
Die Heroisierung von Stalin läuft schleichend. Dass mit dem Namen des Diktators nur noch eine Minderheit Angst und Schrecken verbindet, hängt nicht nur damit zusammen, dass viel Zeit vergangen ist, sondern auch damit, dass Berichte über die Opfer des Stalin-Terrors in den russischen Medien fast gar nicht mehr auftauchen. Und es gibt nur ein einziges Gulag-Museum, in einem Straflager für ehemalige politische Häftlinge nicht weit von Perm im Ural.
Die Nachrichtensendungen der staatlichen russischen Fernsehkanäle haben den Todestag des Diktators (5. März) übergangen. Im Abendprogramm brachte der „Erste Kanal“ die Tolstoi-Verfilmung „Anna Karenina“.
Auch der Kreml schwieg. Nur die Kommunistische Partei der Russischen Föderation gedachte dem „Woschd“ (Führer). Mehrere Hundert Aktivisten, darunter Partei-Chef Gennadi Sjuganow, legten an Stalins Grab an der Kreml-Mauer rote Nelken nieder.
Über die Erschießungen und Verbannungen vermeintlicher Spione, Trotzkisten und Saboteure reden Russlands Kommunisten nicht gerne. Für sie ist Stalin „Patriot und Revolutionär“, Symbol für die Industrialisierung und den Sieg über die Hitler-Wehrmacht. Mit Lenin und Stalin sei man auf dem richtigen Weg. Das zeige das Wirtschaftswachstum in China, meinte der russische KP-Chef während der Gedenkveranstaltung am Stalin-Grab.
Einen Stalin-Hype gibt es nicht. Eher eine Unentschiedenheit des Kreml, wie mit dem Thema umzugehen ist. Diese Unentschiedenheit fördert das Unwissen und eine schleichende Glorifizierung. Es ist nicht nur der Sieg im Zweiten Weltkrieg, den die Russen mit Stalin verbinden, sondern auch die stille Sehnsucht nach einer „starken Hand“, die mit der Korruption aufräumt.
Stalin scheint inzwischen gar als Werbe-Objekt zu taugen. Der für die Rüstungsindustrie zuständige Vizepremier Dmitri Rogosin twitterte einen Tag vor dem Jahrestag der deutschen Kapitulation in Stalingrad, er sei dafür, Wolgograd in Stalingrad zurückzubenennen. „Ich habe niemals meine eindeutig positive Haltung dazu verschwiegen, insbesondere von dem Gesichtspunkt der Wirtschafts-Investitionen.“
Eine Ausnahme im heutigen Russland sind Stalin-kritische Initiativen von Privatpersonen. So wurden gestern auf Initiative von Leonid Wolkow, einem Abgeordneten der Duma von Jekaterinenburg, in den örtlichen Fernseh-Kanälen Videos gezeigt, die an die Verbrechen von Stalin erinnern.
Wie eine Umfrage des Lewada-Meinungsforschungszentrums ergab, ist die Zahl der „harten“ Stalin-Anhänger beachtlich. 18 Prozent der Befragten verbinden mit dem Todestag von Stalin den „Verlust eines großen Führers (Woschd) und Lehrers“.
veröffentlicht in: Südkurier