Weggeschaut, als die Entführer kamen?
Schwere Vorwürfe von Russlands bekanntestem Schwulen-Aktivisten Nikolaj Aleksejew: Die Schweizer Airline Swiss habe seine Entführung zugelassen
Moskau – Am vergangenen Freitag passierte in Moskau Unerhörtes. Das erste Mal seit den 1990er Jahren durften Schwule und Lesben im Zentrum von Moskau eine Kundgebung abhalten. Anlass des Protests waren nicht abfällige Äußerungen russischer Politiker sondern das angeblich rechtswidrige Verhalten der Lufthansa-Tochter Swiss.
Die etwa 15 Demonstranten hielten aufblasbare Flugzeuge mit dem Emblem der Fluggesellschaft und riefen zum Boykott auf. Die Schweizer Fluglinie – so die Demonstranten – hätten es zugelassen, dass Russlands bekanntester Schwulenaktivist, Nikolaj Aleksejew, am 15. September aus dem Sicherheitsbereich des Moskauer Flughafens Domodedowo von Unbekannten entführt wurde. Der Aktivist wollte seinen Freund in Genf besuchen. Doch nachdem er die Pass-, Körper- und Gepäckkontrolle passiert hatte, sei er von fünf Unbekannten, die aussahen „wie Ermittlungsbeamte“ zwei Tage lang entführt worden. Man werde zum Boykott der Lufthansa aufrufen, wenn er sein Gepäck nicht bis diesen Dienstag zurückbekomme, gab Aleksejew bekannt.
Die Vorwürfe klingen ungeheuerlich. In der Zentrale der Fluggesellschaft in Zürich gibt man sich alle Mühe, den Verdacht zu entkräften, man habe zugesehen, wie ein bekannter Aktivist entführt wurde. Eine Sprecherin erklärte: „Herr Aleksejew ist bei uns nach wie vor ein gern gesehener Kunde“. Bei dem Passagier habe es aber „ein Problem bei der Sicherheitskontrolle gegeben“, sagt sie. „Das liegt außerhalb unseres Verantwortungsbereichs.“ Herr Aleksejew müsse sich sein Gepäck bei der Flughafenverwaltung persönlich abholen.
Nikolaj Aleksejew sieht das ganz anders. Er habe bereits einen Ausreisestempel im Pass gehabt und sich im Sicherheitsbereich des Flughafens befunden. Dort trage die Fluggesellschaft für ihn die Verantwortung. In der Presse tauchten Meldungen auf, Aleksejew habe seine Klage gegen das Verbot eines Schwulenumzugs in Moskau beim Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg zurückgezogen und Asyl in Weißrussland beantragt. Nach seinem Wiederauftauchen in Moskau widersprach Aleksejew diesen Meldungen. Unbekannte hätten Falschmeldungen von seinem Telefon aus verschickt. Er sei in Polizeiwachen in Kaschin und Tula festgehalten worden. Man habe ihn als „Kinderschänder“ beschimpft und verlangt, er solle die Klage gegen das Verbot der Homo-Parade zurückziehen. Wo er sich eigentlich befand, habe er nur durch sein iPad herausgefunden.
Aleksejew selbst hält es für möglich, dass er von Leuten entführt wurde, die Bürgermeister Luschkow diskreditieren wollten. Möglich sei aber auch, dass die Entführer aus dem Umfeld des Ex-Bürgermeisters kommen. Luschkow hatte die Homo-Demonstrationen als „satanisches Treiben“ bezeichnet.
"Südkurier"