Weshalb Putin zwei Klöster im Kreml wieder aufbauen lässt
In der Nähe des Amtssitzes des russischen Präsidenten sind Baumaschinen aufgefahren. Bereits 10 000 Tonnen Bauschutt werden durch das Spasski-Tor weggefahren. Ein Präsident im Renovations-Fieber.
Im Kreml wurde in den letzten 20 Jahren viel renoviert; erst die Gebäude mit ihren goldenen Verzierungen von innen, dann die Türme mit ihren roten Sternen und Wetterfahnen. Dann bekamen die Mauern und Zinnen einen neuen Anstrich. Doch was jetzt passiert, hat es in den letzten 25 Jahren noch nicht gegeben. Das «14. Gebäude», ein 1934 im neoklassizistischen erbautes Verwaltungsgebäude, wird im Eiltempo demontiert.
An dessen Stelle sollen zwei 600 Jahre alte Klöster wieder errichtet werden. Das Wosnesenski (Himmelfahrt-) und das Tschudow (Wunder-)Kloster hatten 1929 dem Verwaltungsgebäude weichen müssen.
Vor eineinhalb Jahren hat Präsident Wladimir Putin sich dafür ausgesprochen, die beiden Klöster wieder zu errichten. Das sei nur ein «Vorschlag», hatte der Präsident damals erklärt. Aus dem Vorschlag wird dann aber Ernst. Die Absicht ist eindeutig: Putin will die Bedeutung des Kreml als historisches und religiöses Zentrum Russlands weiter erhöhen.
«Kratzt du an einem Russen»
Doch wer sich die Geschichte des Wunder-Klosters, das nun wieder aufgebaut werden soll, genauer anschaut, trifft auf mongolisch-tatarische Wurzeln. Viele russische Fürstentümer – so auch Moskau – befanden sich vom 13. bis zum 15. Jahrhundert unter der Herrschaft der mongolisch-tatarischen «Goldenen Horde», die damals bis nach Ungarn vordrang. Das Gelände für das Wunder-Kloster im Kreml hatte der «Chan», der Vertreter der «Goldenen Horde» in Moskau, der russisch-orthodoxen Kirche geschenkt, weil deren damaliger Metropolit der Mutter des «Chan» durch Gebete angeblich die Sehkraft wiedergegeben hatte. Die Herrschaft der Goldenen Horde führte zur Völkervermischung, was auch Putin eingestand. Wirklich reine Russen gäbe es nicht, erklärte der Kreml-Chef schon 2007 und zitierte das russische Sprichwort: «Kratzt du an einem Russen, kommt ein Tatare zum Vorschein.»
Grosser Teil schon demontiert
Seit Mitte November wird nun unmittelbar neben dem Gebäude, wo Putin tätig ist, Tag und Nacht gearbeitet. 10 000 Tonnen Bauschutt werden durch das Spasski-Tor wegfahren. Um unnötigen Lärm zu vermeiden, wird das Gebäude mit Flex-Maschinen und Kränen in Handarbeit zerlegt. Wie vom Internet-Portal lenta.ru veröffentlichte Fotos belegen, sind grosse Teile des «14. Gebäudes» schon demontiert. Um die Staubentwicklung zu verhindern, setze man Wasser ein. Wie das alles bei 15 Grad minus funktioniert, schreibt das Portal nicht. Bis zum März soll das Verwaltungsgebäude, das einst in Ockergelb strahlte, bis auf die Grundmauern demontiert sein. Dann wollen Archäologen das Gelände untersuchen und herausfinden, wo genau die beiden Klöster standen.
Einen Wiederaufbau der beiden Klöster könne man nur begrüssen, meinte der Koordinator der Nichtregierungsorganisation «Archnadsor», Konstantin Michailow, gegenüber lenta.ru. Die Bewegung kämpft gegen den Abriss denkmalgeschützter Gebäude in Moskau. Beim Wiederaufbau der Klöster müsse man sich streng an die «Vorschriften der wissenschaftlichen Restaurierung und der Unesco» halten, meinte Michailow. Die in Moskau gängige Praxis, alte Gebäude im Auftrag eines Investors abzureissen und dann ein völlig neues Gebäude zu errichten, das die alte Fassade schmückt, dürfe sich im Kreml nicht wiederholen.
Als die sowjetische Regierung 1918 ihren Sitz von St. Petersburg in den Moskauer Kreml verlegte, mussten Mönche und Nonnen die Klöster im Kreml räumen. Von nun an wohnten dort Mitarbeiter der Regierung. Im Kreml wurden Wohnungen und Sozialeinrichtungen hergerichtet, wie die Kooperative «Kommunist» und der Kindergarten «Roter Stern». Aus dem vom italienischen Baumeister Marco Ruffo im 15. Jahrhundert errichteten «roten Vorbau», durch den die Zaren zur Krönung schritten, wurde eine «Stolowaja», eine Speisehalle. Nach Stalins Tod im Jahre 1953 setzte ein umgekehrter Prozess ein. 1962 verliess das letzte Mitglied des Politbüros der KPdSU seinen Wohnort im Kreml.
Putin kommt per Helikopter
Zusätzlich zum Wiederaufbau der beiden Klöster hat Putin vorgeschlagen, das Haupt-Tor, das sogenannte Spasski-Tor, welches am Roten Platz liegt, für Besucher zu öffnen. Der Taijnizki-Garten bleibt für Besucher wegen strenger Sicherheitsvorkehrungen jedoch weiter geschlossen. Denn dort befindet sich ein Landeplatz für den russischen Präsidenten. Um Verkehrsstaus zu vermeiden, fliegt Wladimir Putin seit 2013 mit einem Helikopter zu seinem Amtssitz.
(Nordwestschweiz)
veröffentlicht in BZ Basel