Wladimir Putin braucht Europa
Öffnung. Der russische Regierungschef will das Land mithilfe europäischer Unternehmen modernisieren.
Ulrich Heyden Moskau (SN). Beim Treffen von Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel mit dem russischen Regierungschef Wladimir Putin stand der geplante Rückzug des deutschen Energieriesen Eon aus dem Gazprom-Konzern auf der Themenliste. Nach vorerst unbestätigten Meldungen will Eon seinen 3,6-prozentigen Gazprom-Anteil verkaufen.
Wenn Eon sich tatsächlich aus Gazprom zurückzieht, ohne gleichzeitig in ein anderes russisches Energieunternehmen zu investieren, wird das Putin kaum gefallen. Denn es könnte der Eindruck entstehen, die Zusammenarbeit von Russland und Deutschland im Energiebereich verliere an Schwung. Putin wird sich wohl bemühen, Eon in Russland zu halten, denn Europa ist für Moskau der wichtigste Wirtschaftspartner. Die angestrebte Modernisierung der russischen Unternehmen mit neuen Technologien ist nur mit westlichen Unternehmen möglich.
Erst am Donnerstag hat der russische Regierungschef in einem Gastbeitrag für die „Süddeutsche Zeitung“ die Vision eines gemeinsamen Wirtschaftsraums „von Lissabon bis Wladiwostok“ und die Idee einer Freihandelszone vorgestellt. Gerade auch im Energiebereich müsse die Zusammenarbeit verstärkt werden, meinte Putin. Unternehmen in Russland und Europa sollten verstärkt ihre Aktiva tauschen. Es gehe darum, „in allen Phasen“ – von der Erkundung von Energieressourcen über die Förderung bis hin zu den Lieferungen an die Endverbraucher – zusammenzuarbeiten.
Die dringend nötige Modernisierung der russischen Unternehmen – so schwelgt Putin in dem Zeitungsbeitrag – könnte „eine neue Industrialisierungswelle über den europäischen Kontinent rollen lassen“. Und natürlich gehe es um Produktion auf ökologisch sauberem Niveau.
Seit Amerika in einer tiefen Wirtschaftskrise steckt, hofft Putin offenbar verstärkt darauf, dass die Europäer die Vorteile eines Wirtschaftsbündnisses mit Russland endlich erkennen. Putin mahnt zur Eile und führt ganz geschickt Helmut Kohl als Kronzeugen an. Dieser habe 1990 nicht abgewartet, „bis die DDR bereit sein würde, Teil eines vereinigten Deutschlands zu werden“. Heute biete sich die Chance, „ein einheitliches, prosperierendes Europa aufzubauen“.
Die russische Regierung meint es ernst mit der Öffnung der russischen Wirtschaft für ausländische Investoren. Letzte Woche verabschiedete sie ein gigantisches Privatisierungsprogramm, wonach bis zum Jahre 2015 insgesamt 900 Staatsbetriebe ganz oder teilweise privatisiert werden sollen. Auf der Privatisierungsliste stehen auch Giganten wie die Sperbank, Rosneft und die staatliche Eisenbahn. Die Verkäufe sollen 42 Milliarden Euro einbringen und den Staatshaushalt auffüllen, der 2008 durch die Finanzkrise das erste Mal seit zehn Jahren ins Minus rutschte.
Als Investoren will die russische Regierung vor allem westliche Unternehmen gewinnen. Die westlichen Investoren werden in Russland, so hofft die Regierung, einen kräftigen Modernisierungsschub auslösen. Bisher ist Russland nur auf wenigen Gebieten auf dem Weltmarkt konkurrenzfähig – Rüstungsgütern und Atomkraftwerken. Die russischen Konsumenten versorgen sich, wenn das nötige Kleingeld vorhanden ist, lieber mit westlichen Konsumgütern als mit russischen Produkten. Nur im Lebensmittelbereich haben die russischen Produzenten noch eine starke Stellung.
veröffentlicht in: Salzburger Nachrichten