17. August 2009

Attacke mit dem Schlauchboot

Wurde die Arctic Sea gekapert, um Russland zu warnen? – Noch immer herrscht völlige Unklarheit über den Verbleib des Frachters. Über den verschwundenen Holzfrachter Arctic Sea kursieren unterschiedliche Meldungen. Moskau beruhigt und erklärt, es habe die Situation unter Kontrolle.

Von SZ-Mitarbeiter Ulrich Heyden

Moskau. Die Suche nach dem Frachtschiff Arctic Sea hat das Zeug zum Agenten-Thriller. Nach russischen Medienberichten wird die Arctic Sea mit ihren 15 russischen Besatzungsmitgliedern von Schiffen und U-Booten der russischen Marine gesucht.

Russlands Nato-Botschafter Dmitri Rogosin erklärte, man habe die Situation um das Schiff, welches angeblich schon zweimal – vor der schwedischen Küste und später im Atlantik – von mysteriösen Piraten gekapert wurde, vollständig unter Kontrolle. Ausländische Hilfe wurde nicht angefordert. Ein Sprecher der EU-Kommission hatte erklärt, die Arctic Sea sei zweimal attackiert worden, das zweite Mal vor der portugiesischen Küste. Es gäbe Funkkontakte, die das belegen. Bisher weiß niemand genau, wo sich der Frachter mit einer Ladung Holz im Wert von 1,3 Millionen Euro an Bord befindet. Die Funkverbindungen zu dem Schiff waren am 28. Juli abgebrochen, als sich der Frachter im Ärmelkanal befand. Nikolaj Karpenkow, der Direktor der Schifffahrtsgesellschaft, die den unter der Flagge von Malta fahrenden Frachter betreibt, erklärte gestern, bisher gebe es offizielle Information weder über den angeblich letzten Aufenthaltsort des Schiffes im Golf von Biskaya noch über die angebliche Lösegeldforderung in Höhe von 1,5 Millionen Dollar (1,04 Millionen Euro). Die finnische Polizei hatte eine Lösegeldforderung gemeldet.

Der Chefredakteur der russischen Zeitschrift „Meeres-Bulletin“, Michail Bojtenko, vermutete in einem Interview, dass mit den Piraten bereits Verhandlungen laufen. Nach Meinung des Experten gehen die Kraftstoffreserven des mit einem Dieselmotor angetriebenen Frachters zu Ende.

Russlands Nato-Botschafter Dmitiri Rogosin erklärte gegenüber dem russischen Fernsehkanal Westi, die Such-Aktion nach der Arctic Sea „läuft auf Hochtouren und ist erfolgreich“. Russland habe „alle Informationen“ um „die nötigen, abgewogenen Entscheidungen“ zu treffen.

Über den Aufenthaltsort des Schiffes gibt es widersprüchliche Informationen. Am Samstag meldete das „Meeres-Bulletin-Sovfracht“ ein Ortungs-Signal der Arctic Sea aus dem Golf von Biskaya. Experten meinten allerdings, der Sender des Schiffes sei möglicherweise schon ausgebaut worden und befinde sich auf einem anderen Schiff. Dann gab es die Meldung, die Arctic Sea sei vor der Küste Afrikas, südlich der Kapverden, von einem Flugzeug der portugiesischen Luftwaffe umflogen worden. Schließlich hieß es am Samstagabend aus Militärkreisen in London, die Arctic Sea sei auf dem Weg nach Brasilien.

Am 21. Juli lief die Arctic Sea aus dem finnischen Hafen Pietarsaari aus, wo sie 6700 Kubikmeter Holz geladen hatte. Am 4. August sollte das von einer Firma in Helsinki gemanagte Schiff in dem algerischen Hafen Bejaia ankommen. Die russische Jornalistin Julia Latynina vermutet, dass sich an Bord des Schiffes, das auf der Pregol-Werft in Kaliningrad zwei Wochen lang repariert worden war, eine geheime Ladung befindet, die in Kaliningrad geladen wurde. Möglicherweise handele es dabei sich um Ausrüstungsteile für eine atomare Anlage. Russland werde mit den Kaper-Aktionen von „dritter Seite“ ein Warnsignal gegeben, da Russland den Weg durch die Ostsee nicht das erste Mal für den Transport hochsensibler Ware benutze. „Dem Land, welches das (die geheime Ware) transportierte, wollte man auf diesem Wege andeuten, dass es sich nicht richtig verhält“, vermutete die Journalistin. Um wen es sei bei dieser „dritten Kraft“ handelte, sagte die Journalistin nicht. Vermutlich sind aber westliche Geheimdienste gemeint.

Am 24. Juli war die Arctic Sea zwischen den schwedischen Inseln Öland und Gotland von einer zwölfköpfigen Gruppe bewaffneter Männer gekapert worden, die mit einem Schlauchboot anlegten und sich als Mitarbeiter der schwedischen Drogenpolizei ausgaben. Die Gruppe hatte das Schiff zwölf Stunden lang abgesucht, Besatzungsmitglieder mit Gewehrkolben misshandelt und den Frachter dann verlassen.

"Saarbrücker Zeitung"

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