Blondine in Schokolade
Von Ulrich Heyden, SZ-Korrespondent in Moskau
Als reizende Moderatorin machte Ksenia Sobtschak Karriere. Als Sprecherin der Opposition geriet sie nun in die Fänge der Ermittler.
Anfang des Jahres sah man die populäre russische Fernsehmoderatorin Ksenia Sobtschak als Sprecherin auf Großkundgebungen der Opposition in Moskau. Vor Zehntausenden Demonstranten warb sie für einen moderaten Kurs der Protestbewegung. Man müsse auf den Kreml „Einfluss nehmen“ erklärte die 30-Jährige immer wieder. Nun ist Ksenia in die Fänge der Ermittler geraten.
Bei einer Hausdurchsuchung fanden Ermittler in ihrem Safe eine Million Euro, 480.000 Dollar und 480.000 Rubel (12.000 Euro) fein aufgeteilt in 121 Briefumschläge.
Die Kreml-nahe Presse spekulierte, Sobtschak sei wohl die Finanzabteilung der Protestbewegung und das Geld aus dem Ausland. Ihr droht ein Verfahren wegen Steuerhinterziehung. Doch Ksenia Sobtschak sagt, alles Geld sei ehrlich erarbeitet.
Russlands TV-Publikum kennt eine andere Ksenia – aus Shows wie: „Blondine in Schokolade“. Üppige blonde Locken, tiefer Ausschnitt, goldene Kettchen und Ohrringe. Für Männermagazine räkelte sie sich schon mal aufreizend auf weißem Fell oder im knappen Latex-Höschen auf nächtlichem Asphalt. Doch Russlands Mittelschichts-Jugend steht heute nicht mehr so auf goldige Kettchen und Löckchen. Man interessiert sich wieder für Politik. So ging auch Ksenia neue Wege – auf den Protestkundgebungen.
Geboren wurde sie in einer Familie der sowjetischen Bildungs-Elite. Ihr Vater, der Jura-Professor Anatoli Sobtschak, wurde 1991 Bürgermeister von St. Petersburg und leitete dort damals den Widerstand gegen den Putsch der Altkommunisten gegen Gorbatschow. Vielleicht ist es das Vorbild des Vaters, das Ksenia bewogen hat, bei der Protestbewegung mitzumischen.
Dass sie dabei einen eher moderaten Ton anschlägt, hängt wohl damit zusammen, dass sie sich in der russischen Elite bestens auskennt. Gerüchten zufolge ist Wladimir Putin gar ihr Patenonkel. Die Familien Putin und Sobtschak kennen sich – Russlands Präsident begann seine nach-sowjetische Karriere als Abteilungsleiter unter Bürgermeister Sobtschak.
Als die Ermittler im Juni am frühen Morgen ihre Wohnung durchsuchten, wurde sie drangsaliert, durfte sich stundenlang nicht anziehen und musste sich auch noch Sätze anhören wie diesen: „Du hättest einen ordentlichen Geheimdienstler heiraten sollen, dann wäre das nicht passiert.“
Ihre Jobs bei staatlichen Fernseh-Anstalten hat Ksenia alle verloren. Jetzt arbeitet sie für das Kreml-kritische Internet-Fernsehen „Doschd“.
veröffentlicht in: Sächsische Zeitung