10. May 2007

"Das ist psychologischer Krieg"

Der estnische Verteidigungsminister Jaak Aaviksoo leitete den Abbau des sowjetischen Soldaten-Denkmals in Tallinn. Die Verlegung des "bronzenen Soldaten" von einem öffentlichen Platz auf einen Militärfriedhof war von heftigen Protesten der russischen Minderheit begleitet. Jetzt wurden aus Anlass des Kriegsendes vor 62 Jahren Kränze zum Gedenken an die "Opfer des Zweiten Weltkrieges" niedergelegt, auch vor dem "bronzenen Soldaten". Mit dem Minister sprach Ulrich Heyden.

Herr Minister, Sie haben an den Kranzniederlegungen teilgenommen. Welche Botschaft geht damit von Estland aus?

Aaviksoo: Die Geschichte des estnischen Volkes im 20. Jahrhundert war sehr widersprüchlich. Ungeachtet des Sieges der Länder, die an der Koalition über das faschistische Deutschland beteiligt waren - dazu gehörte auch die Sowjetunion -, bedeutete das für Estland eine Okkupation durch sowjetische Truppen über eine Zeit von über 50 Jahren. Wir müssen die historischen Ereignisse berücksichtigen unter dem Gesichtspunkt aller Toten des Zweiten Weltkrieges.

Wie fühlten Sie sich, als vor dem "bronzenen Soldaten" Kränze niedergelegt wurden?

Aaviksoo: Ich fühlte mich nicht schlecht. Der "bronzene Soldat" stand über 50 Jahre auf dem Tynnismagi-Platz. Ich lebte in Frieden mit ihm. Aber in den letzten Jahren nahmen die Emotionen zu. Es gab organisierte Provokationen von den Leuten, die sich nicht mit der Unabhängigkeit Estlands und der Zerstörung der Sowjetunion abfinden können. Vor einem Jahr waren dort rote Fahnen zu sehen und die estnische Trikolore wurde zerstört. Nach diesen Ereignissen war klar, dass der bronzene Soldat an einem ruhigeren Platz stehen muss.

Was müsste passieren, damit Russland und Estland gemeinsam gedenken?

Aaviksoo: Von dem Tag an, an dem Russland die Okkupation Estlands anerkennt, wäre ich einverstanden an jedem beliebigen Tag Blumen niederzulegen, um dieses historische Eingeständnisses zu ehren. Aber zur Zeit ist es nicht realistisch, solch ein Eingeständnis zu erwarten.

Hängt der Konflikt auch damit zusammen, dass Estland sich von Russland bedroht fühlt?

Aaviksoo: Das ist keine direkte militärische Bedrohung, das ist ein psychologischer Krieg. Das sind komplizierte innerrussische Probleme. Einen Tag sind sie gegen Georgien dann gegen Moldawien, Lettland und Polen.

Schweriner Volkszeitung

Teilen in sozialen Netzwerken
Im Brennpunkt
Bücher
Foto