22. October 2008

Der Tod kam nach dem Abpfiff

Während eines Auswärtsspiels klappte Eishockey-Star Aleksej Tscherepanow ohnmächtig zusammen. Nun gibt es bohrende Fragen an die Funktionäre von Avantgard Omsk.

Ganz Russland trauert. Weder die Adrenalin-Spritz noch die Herzmassage half. Aleksej Tscherepanow, Russlands 19jährige Eishockey-Hoffnung aus Omsk starb am Montag nach einem Auswärtsspiels gegen „Witjas“ in Tschechow, 60 Kilometer südlich von Moskau. Drei Minuten vor dem Schlusspfiff sackte der 19jährige Aleksej auf der Ersatzspielerbank plötzlich ohnmächtig zusammen. Die offizielle Todesursache lautet Herzschwäche.

Die Rettungsmaßnahmen gestalteten sich dramatisch. Ein Notarztwagen traf erst nach 20 Minuten ein. Ein Defibrillator, welcher das Herz hätte in Gang bringen können, war an Bord wurde aber nicht benutzt, möglicherweise war er defekt. Im Krankenhaus bemühten sich die Ärzte noch über eine Stunde Tscherepanow wieder zu beleben, doch vergeblich. Eine Ärztin sagte gegenüber dem Fernsehkanal RTR, Tscherepanow sei bereits klinisch tot gewesen, als man ihn einlieferte. Wenn ein Rettungswagen, während des Spiels vor Ort gewesen wäre, dann hätte man Aleksej wohlmöglich retten können, sie die einhellige Meinung der Kommentatoren.Inzwischen gibt es Zweifel an der offiziellen Todesursache. Das Untersuchungskomitee der Staatsanwaltschaft teilte mit, dass man wegen Doping-Verdacht ermittelt. Außerdem werde man untersuchen, ob schon früher „verbotene Mittel“ benutzt worden waren.

Über die Todesursache wird in Russland jetzt heftig gestritten. Die Obduktion ergab Seltsames: Das Herz des Toten wog statt 290 Gramm, wie es die Norm für einen Mann dieses Alters ist, 495 Gramm. Merkwürdig auch, wie ein Spieler mit einer Herzschwäche das Angebot bekommt, in der NHL zu spielen? Vor zwei Jahren war Tscherepanow zu Gast bei den New York Rangers gewesen. Dort hatte man ihn gründlich untersucht. Der Club hatte ein Auge auf den jungen Nachwuchs-Spieler aus Sibirien geworfen. Zum Ende der Saison sollte Aleksej zu den Rangers wechseln.

Der Gesundheitsminister des Moskauer Gebiets, Wladimir Semjonow, beschuldigt den Club Avantgard, man habe einen „kranken Menschen“ ins Spiel geschickt. Das Herz von Tscherepanow sei dreimal größer als normal, die Milz sogar fünfmal größer. Der Manager von Avantgard, Anatoli Bardin, meinte, die Beschuldigungen seien „Unsinn“ und drohte mit einer Anzeige gegen den Gesundheitsminister. Tscherepanow sei am 1. Juli gründlich untersucht worden und habe nie über gesundheitliche Probleme geklagt. Der Direktor der Kontinentalen Hockey Liga, Wladimir Schalajew, unterstützt dagegen die Vorwürfe des Gesundheitsminister und erklärte, man hätte Tscherepanow nicht spielen lassen dürfen, sondern ihn „als Schwerbehinderten einstufen müssen.“

Tscherepanow kam aus dem kleinen Dörfchen Oserki im sibirischen Altai-Gebiet. Sein Vater war Eishockey- und Fußball-Trainer. Als Aleksej drei Jahre alt war, stand er das erste Mal auf Kufen. Mit Zehn hatte er keine Zeit mehr mit anderen Kindern zu spielen. Von nun an war der Puck das Wichtigste in seinem Leben. Mit 12 Jahren wurde er von seinem Club Avantgrad Omsk entdeckt. Für den Verein schoss er in 106 Spielen 40 Tore und machte 29 Vorlagen. Aleksej war bescheiden. Zu der Möglichkeit in der NHL zu spielen meinte er in einem Interview, „natürlich würde ich gerne in der besten Liga der Welt spielen, aber ich fahre dort nur hin, wenn ich weiß, dass ich es wirklich kann.“ Am Mittwoch nahmen Tausende im Eissport-Station von Omsk von dem jungen Nachwuchs-Star Abschied. Eine mit weißen Blumen bedeckte Limousine brachte den Sarg vom Flughafen zur Trauerzeremonie. Trainer, Spieler und Angehörige konnten die Tränen nicht zurückhalten. Die Mutter des Toten weinte laut. Am Grab sprach dann der Gouverneur von Omsk und Vorsitzende des Aufsichtsrates Clubs Avantgard, Leonid Poleschajow. Er erklärte, Aleksej werde in Omsk von allen geliebt. Mannschaftskapitän Aleksandr Switow erklärte, die Nr. 7, unter der Aleksej spielte, werde für die Mannschaft „immer heilig bleiben“. Niemand werde unter dieser Nummer mehr spielen.

In Russland wartet man nun gespannt, was die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft an neuen Details erbringen. Bisher wurden sowohl Sportfunktionäre als auch Ärzte vernommen.

Ulrich Heyden, Moskau, Veröffentlichung nur nach Rücksprache mit dem Autor

Teilen in sozialen Netzwerken
Im Brennpunkt
Bücher
Foto