25. January 2007

Die Kultur der reichen Russen

Oligarchen. Der Milliardär Michail Prochorow, der in Nickel macht, verteidigt seine lustigen Partys im Ski-Ort Courchevel.

Das will Michail Prochorow nicht auf sich sitzen lassen. „Ich habe keine ethischen und moralischen Normen verletzt“, erklärte der Milliardär, der Mitte Januar von der französischen Polizei wegen des Verdachts auf Zuhälterei vier Tage lang festgehalten wurde. Jetzt rechtfertigt sich der Jung-Oligarch in einem großen Interview in der „Komsomolskaja Prawda“, einer der auflagenstärksten Zeitungen des Landes.

Tagelang hatte die internationale Presse über mögliche Verbindungen des 41-Jährigen zu internationalen Callgirl-Ringen spekuliert. Das war ein schwerer Schlag für Prochorow, der Generaldirektor von Norilsk Nickel ist, dem weltgrößten Nickel-Produzenten im hohen russischen Norden. Der Reputation des Unternehmens sei ein Schaden zugefügt worden, erklärt Prochorow. In der russischen Presse war schon spekuliert worden, ob der Unternehmer jetzt seinen Posten verliert.7,6 Milliarden Dollar schwerDer Nickel-Oligarch, dem auch ein Unternehmen zur Goldschürfung gehört, steht mit seinem Vermögen von 7,6 Milliarden Dollar auf der Skala der reichsten Russen auf Platz zehn und liebt es – so das Wirtschaftsblatt „Wedomosti“ – im französischen Ski-Ort Courchevel „große und laute“ Partys zu feiern.Die Reaktionen der Russen auf den Skandal waren gespalten. Man hörte die Meinung, „toll, dass unsere Leute es so weit gebracht haben“. Andere ärgerten sich, dass in den französischen Alpen Geld verprasst wird, während es in Russland große soziale Probleme gibt.Prochorow war am 9. Januar in Courchevel während einer Razzia gegen einen Callgirl-Ring festgenommen worden. Ihm drohten wegen Zuhälterei sieben Jahre Gefängnis. Insgesamt wurden 26 Personen festgenommen, darunter Vertreter des österreichischen Reiseveranstalters VIC Travel und zehn russische Prostituierte. Elf der Festgenommenen, darunter Prochorow, landeten in Untersuchungshaft. Schließlich wurden alle Festgenommenen wieder freigelassen.Den jungen Frauen konnte man keine gewerbliche Tätigkeit nachweisen. Man hatte sie in Courchevel nicht mit Geld, sondern teuren Geschenken aus den Luxusboutiquen vor Ort bedacht. Eine Anklage wurde nicht erhoben, weitere Zeugenvernehmungen sind nach Angaben der Anwälte jedoch durchaus möglich.Flucht von der PisteIn den Medien war darüber spekuliert worden, dass der französische Innenminister Nicolas Sarkozy hinter der Aktion stecke. Westliche Nachrichtenagenturen zitierten ihn mit einer hämischen Bemerkung über Prochorow. „Leider können sich solche Partys nicht alle leisten.“ Die Razzia hatte in Courchevel für erhebliche Unruhe gesorgt. An den Skiliften ging das Gerücht um, alle Russen würden verhaftet. Die stille Post funktionierte offenbar gut. Einige Skifahrer sollen sich – so berichtete die Zeitung „Kommersant“ – mit Skiern in andere Täler abgesetzt haben. Dann ließen sie sich mit Hubschraubern nach Österreich „evakuieren“.Die Ermittlungen der französischen Polizei liefen schon seit sechs Monaten. Den Sicherheitsbehörden war aufgefallen, dass junge Russinnen in ganzen Gruppen in Courchevel anreisten. Die französische Zeitung „Le Figaro“ berichtete, ihnen sei ein kostenloser Urlaub versprochen worden. Die Damen hatten alle über den österreichischen Reiseveranstalter VIC Travel gebucht.

Prochorow spielt jetzt den Unschuldigen und beklagt anti-russische Ressentiments. „Freien, unabhängigen und gut ausgebildeten Russen“ begegnete man im Ausland „nicht selten mit Befremden, Neid und Aggression“. Auf der ganzen Welt begeistere man sich für den Karneval in Brasilien, wenn die Russen aber in Courchevel feiern, würden sie „diskreditiert“.

Der Oligarch spricht dem einfachen Volk aus der Seele: „Nach vielen Jahren der Erniedrigung und Tragödie haben die russischen Menschen das Recht auf ein schönes und lustiges Leben.“ Natürlich sei es „schade“, dass sich solche Partys „nicht alle leisten können“. Die Feiern in dem französischen Luxusort – so behauptet Prochorow – seien „Teil der russischen Kultur“.

Hundert Kondome dabei

Im Übrigen, so Prochorow, werde in Courchevel nicht nur gefeiert. Der Winterkurort habe sich im Laufe der Jahre zu einem „informellen Davos“ entwickelt, „wo sich über spielerische und theatralisierte Unterhaltung die russische Geschäftswelt konsolidiert“. Die französischen Ermittler hatten da erhebliche Zweifel. In dem Koffer eines der angereisten jungen Mädchen fanden sie über hundert Präservative. Die Dame konnte partout nicht erklären, warum sie eine solche Menge mit sich führte.
Ulrich Heyden, Sächsische Zeitung

Teilen in sozialen Netzwerken
Im Brennpunkt
Bücher
Foto