15. January 2025

Drei Fragen an Ulrich Heyden (Overton-Magazin Newsletter)

Drei Fragen an Ulrich Heyden

Nimmt man in Russland eine Entspannung wahr, weil es im Moment danach aussieht, dass der Krieg in der Ukraine ein Ende finden könnte?

Eine baldige Entspannung in der Ukraine sehen russische Medien und Politiker nicht. Russland ist auf dem Schlachtfeld in der Fläche erfolgreich. Mit dem Einsatz von Raketen und Lenkwaffen gegen Heizkraftwerke, Rüstungsfirmen und Militärstützpunkte versucht man die Ukraine zu zermürben. Verhandeln will man nur, wenn es Aussichten gibt, einen neutralen Status der Ukraine und eine Nicht-Mitgliedschaft der Ukraine in der NATO zu vereinbaren. Der Plan, westliche Staaten könnten eine Waffenstillstandslinie entlang der jetzigen Front in der Ukraine absichern, steht der russischen Forderung nach einer neutralen Ukraine außerhalb der NATO, diametral entgegen, weshalb russische Politiker den Plan mit Schweigen übergehen.

Lange hieß es, dass man von den Sanktionen des Westens in Russland nichts spüre. Trifft das noch immer zu?

Ich sehe zurzeit keinen Wirtschaftsbereich, in dem Russland existenzielle Probleme bekommen könnte. Die russische Wirtschaft wuchs im letzten Jahr um 3,9 Prozent. Es gibt einen Mangel an Arbeitskräften. In der russischen Zivilluftfahrt, die vor allem Boing- oder Airbus-Flugzeuge nutzt, hilft man sich mit Ersatzteilen aus, die über Drittländer aus der EU oder aus China geliefert werden. Aber die Inflation ist auf 9 Prozent gestiegen und viele Importwaren, sind wegen verlängerter Lieferwege nur noch gegen einen Aufschlag von 30 Prozent zu bekommen. Bei Reisen ins Ausland und der Nutzung des Internets müssen Russen harte Einschränkungen hinnehmen. Renten und Löhne werden aber regelmäßig gezahlt. Niemand muss hungern.

Nehmen wir an, der Krieg endet wirklich demnächst: Wie wird Russland das Kriegsende interpretieren?

Das würde von den einfachen Russen als Niederlage aufgefasst. »Dafür haben unsere Jungs nicht gekämpft, dafür sind nicht so viele gefallen. Der Westen hat unsere Führung mal wieder an der Nase herumgeführt«, würde man sagen. Aber einige russische Milliardäre, die mit Rohstoffexporten reich wurden und jetzt Sanktionen zu spüren bekommen, wären mit einem schnellen Ende des Krieges wohl einverstanden. Russland ist in den letzten drei Jahren stärker zusammengerückt. Die westlichen Sanktionen werden – trotz mancher Einschränkungen – spöttisch belächelt. Putin ist der unangefochtene Führer der Nation.

 

Ulrich Heyden schreibt häufig für das Overton Magazin. In seinem aktuellen Buch erzählt er, wie er seinen Weg nach Russland fand.

Teilen in sozialen Netzwerken
Im Brennpunkt
Video
Bücher
Foto