Die Claas-Niederlassung, die er 2003 aufbaute, hat heute 100 Mitarbeiter. Vor der Finanzkrise waren es noch 150. Die Arbeitsqualität sei sehr gut. Mit der Arbeitsdisziplin gäbe es in Krasnodar keine Probleme.
"Es gibt nicht viele Kündigungsgründe, aber Restalkohol ist schon einer."
Im Jahr werden in Russland etwa 8000 Mähdrescher verkauft. Claas muss sich diesen Markt mit sieben Anbietern aus Russland und dem westlichen Ausland teilen. Claas hat Mähdrescher extra für die großen Flächen entwickelt. Mit 200 000 Euro kosten diese 500 PS-Monster, die ein Schneidwerk von zwölf Meter Breite haben können, mehr als die Mähdrescher des russischen Konkurrenten Rostselmasch. Doch die zuverlässige deutsche Technik ist bei den Russen begehrt. Seit der Werksgründung 2003 wurden in Krasnodar 2 000 Claas-Mähdrescher montiert und verkauft.
Die russischen Claas-Arbeiter verdienen im Schnitt 475 Euro im Monat. Doch der Hauptgrund das Werk in Südrussland zu bauen, waren nicht die niedrigen Löhne sondern die Marktnähe. Befürchtungen, Arbeitsplätze könnten von Deutschland nach Russland verlagert werden, lässt Bendisch nicht gelten. "Wenn ein deutsches Unternehmen heute wachsen will, dann muss es im Ausland wachsen." Claas sei von seiner Struktur her so aufgebaut, dass ein hoher Anteil der Einzelteile in Deutschland gefertigt werde. Außerdem gäbe es "bisher noch kein einziges Beispiel, dass ein Unternehmen seinen Sitz von Deutschland nach Russland verlegt hat."
Eine Gewerkschaft gibt es im Claas-Werk von Krasnodar nicht, aber einen Betriebsrat. Die russische Maschinenbaugewerkschaft habe ihn schon mehrmals angeschrieben, wie es denn mit einer Gewerkschaftsgründung aussieht. Aber Initiative müsse schon von den Mitarbeitern kommen. Bendisch werde die Gewerkschaft nicht gründen.
Bis die Einzelteile der Mähdrescher in Krasnodar montiert werden, legen sie einen langen Weg zurück. Aus Westfalen werden sie per Schiff über das Mittelmeer und das Schwarze Meer transportiert. Der lange Weg ist noch profitabel. Denn die russische Regierung hat die Einfuhrzölle für komplette Mähdrescher seit der Finanzkrise auf 15 Prozent erhöht. Auch andere westliche Konkurrenten von Claas haben, um die hohen Einfuhrzölle für komplette Mähdrescher zu umgehen, eigene Produktionsstandorte in Russland aufgebaut. Doch die russische Regierung will mit ihrer Politik, die Schaffung von Arbeitsplätzen in Russland zu fördern, noch einen Schritt weiter gehen, sie plant ein Gesetz, welches ausländischen Firmen die zollfreie Einfuhr von Waren erlaubt, wenn bei der Endfertigung mindestens 30 Prozent der Zulieferungen aus Russland kommen. Das Claas-Werk in Krasnodar bereitet sich auf das neue Gesetz vor. Man wolle eine neue Halle für die Fertigung von Einzelteilen bauen.
Doch glücklich ist Bendisch über die Zollpolitik der russischen Regierung nicht. Schutzzölle seien kurzsichtig, meint er. Sie behindern die Modernisierung der Landwirtschaft und die freie Wahl des Kunden.
Zum Baden ans Schwarze Meer kommt Ralf Bendisch nur selten, er hat einfach zu viel um die Ohren. Bendisch lehrt nebenbei noch an der Agrar-Uni von Krasnodar. Außerdem ist er stellvertretender Vorsitzender der örtlichen Association of European Businesses und berät westliche Firmen, die sich in der Region niederlassen wollen. Nicht immer waren die Zeiten so günstig wie jetzt, wo der Kreml erkannt hat, wie wichtig ausländische Investitionen für Russland sind. Außerdem gab es in der russischen Provinz viele Ängste gegenüber ausländischen Investoren. Als der deutsche Baumaterial-Hersteller Knauf Mitte der 1990er-Jahre ein Gips-Werk im Bezirk Krasnodar aufbaute, besetzten Kosaken die Zufahrtswege. Die Demonstranten protestierten gegen den deutschen Investor und verglichen ihn mit der Wehrmacht. In zahlreichen Gerichtsverfahren musste die Firma Knauf ihr Eigentumsrecht durchsetzen. Unter diesen Bedingungen verstehe man, dass Top-Manager sich für Leibwächter entscheiden, meint Bendisch, er selbst kommt ohne aus.
Warum hat Claas sein erstes Werk in Russland ausgerechnet am Fuß des Kaukasus gebaut? Der Grund sei einfach, meint Bendisch. Das Krasnodar-Gebiet sei eines der fruchtbarsten in Russland. Wegen des günstigen Klimas seien die Ernteerträge dreimal so hoch wie im Durchschnitt. Deshalb seien die Absatzchancen für Mähdrescher in der Region am besten. Man liefert aber auch in andere Regionen. Die Mähdrescher gehen an Einzelbauern, die neuen privaten Agro-Holdings aber auch an regionale Verwaltungen. Die Verwaltung der sibirischen Stadt Blagoweschtschensk habe seit 2008 jährlich zwischen 20 und 50 Mähdrescher gekauft. Dort, an der Grenze zu China, werden die umgerüsteten Mähdrescher bei der Reisernte eingesetzt.
Dass Ralf Bendisch aus Ostdeutschland kam, hat ihm bei seiner Karriere geholfen. Bendisch, im brandenburgischen Greiffenberg geboren, gehörte zu den 600 Studenten der DDR, die in der Sowjetunion studieren durften. Natürlich musste man fachlich sehr gut sein und auch "politisch stabil", erzählt Ralf Bendisch.
Eigentlich hatte er gehofft, dass man ihn zum Studieren nach Ungarn, Tschechien oder Bulgarien schickt. Nachdem er Russisch von der fünften Klasse an gelernt hatte, empfand er für die Sprache "eher Hass als Liebe." Doch dass er dann zum Studium nach Kiew geschickt wurde, hat er "nie bereut". Von 1976 bis 1982 studierte er dort Werkzeugmaschinenbau. Daran schloss sich noch eine dreijährige Promotion an.
Zurück in der DDR wurde Bendisch Leiter der Arbeitsvorbereitung im Landmaschinenwerk "Fortschritt" in Rostock. Aus dieser Zeit stammen die ersten Kontakte zu westdeutschen Betrieben. Weil das Landmaschinenwerk nicht ausgelastet war, suchte er nach Aufträgen. Doch als dann die Sowjetunion zusammenbrach und das Landmaschinenwerk seinen Markt im Osten verlor, musste er sich nach einer neuen Arbeit umsehen. Als Familienvater sei er froh gewesen, als man ihm 1991 das Angebot machte, einen kleinen Maschinenbaubetrieb in Westfalen zu leiten. Er zog mit seiner Familie in den Westen.
1998 heuerte Bendisch dann bei Claas an und wurde als Geschäftsführer eines Joint Ventures in die Ukraine geschickt. "Da passte wohl keiner so gut hin, wie ich", erklärt er stolz. Und als Claas ein Werk in Russland eröffnete, war Bendisch mit seiner Kenntnis von Land und Leuten wieder der am meisten geeignete Mann.
Noch denkt der Chef von Claas in Krasnodar nicht daran, nach Deutschland zurückzukehren. Seine drei Kinder sind schon aus dem Haus. Seine Frau kommt ihn regelmäßig besuchen und einmal im Monat fliegt der Manager auf Heimaturlaub. Über Einsamkeit kann der Deutsche in Krasnodar nicht klagen.
In der Region haben sich schon viele westliche Firmen niedergelassen. Es gäbe genug Leute, mit denen man sich treffen könne, um gemeinsam die Freizeit zu verbringen. Am liebsten ist Bendisch jedoch mit russischen Freunden zusammen, meist Kollegen, die selbst irgendwo eine leitende Stellung haben. Mit denen geht er dann in die Banja, das russische Schwitzbad. In Südrussland hat der Brandenburger so etwas wie eine Lebensaufgabe gefunden.