Ein gewandter Redner
Von SZ-Korrespondent Ulrich Heyden, Moskau
Kirill I. steht als Patriarch an der Spitze der russisch-orthodoxen Kirche.
Er liebt die direkte, schnörkellose Rede. Kirill I., der neue Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, hatte sich bei der Wahl am Dienstagabend mit 72 Prozent der Stimmen gegen seinen Konkurrenten Kliment klar durchgesetzt.
Kirill war als Favorit in das Konzil gegangen. Seine Widersacher hatte er während der Wahlkampagne geschickt eingebunden. Während er gegenüber den Liberalen einen Wandel andeutete, ereiferte er sich gegenüber den Fundamentalisten.
Einmal pro Woche trat er im ersten russischen Fernsehkanal ORT mit einem „Hirtenwort“ auf. Mit der Wahl von Kirill ist offensichtlich, dass die russisch-orthodoxe Kirche in der Öffentlichkeit auf einen neuen Stil setzt.
Als der Metropolit am Sarg des verstorbenen Patriarchen die Trauerrede hielt, horchten viele Russen auf. Der Auftritt des 62-jährigen Geistlichen erinnerte in seiner Direktheit an die eines Politikers. Die schnörkellose Rede machte zugleich deutlich: Das Moskauer Patriarchat will zwar an ihren konservativen Standpunkten festhalten, zugleich aber auch die modernen Formen der Kommunikation nutzen. Mit dem neuen, offenen Stil, bei dem das Fernsehen eine wichtige Rolle spielt, folgt die russisch-orthodoxe Kirche dem Vatikan.
Angesichts der Finanzkrise, die auf Russland hart durchschlägt, kommt der Kirche in Russland eine wichtige Rolle zu, glauben Kommentatoren. Sie müsse „die Opfer der Krise trösten“ und sie „von radikalen Gesten abhalten“. Der neue Patriarch, der mit bürgerlichem Namen Wladimir Michailowitsch Gundjaew heißt, wurde 1946 in Leningrad, dem heutigen St. Petersburg, geboren. Dort trat er 1965 in das Priesterseminar ein. Seit 1971 ist Kirill offizieller Vertreter des Moskauer Patriarchats im Weltkirchenrat. 2006 weihte Kirill die erste russisch-orthodoxe Kirche in Rom ein. Aus diesem Anlass kam es auch zu einem Treffen mit Papst Benedikt XVI. Im Dezember 2007 empfing der Papst den Metropoliten Kirill zu einer Privataudienz.
In der Vergangenheit hatte Kirill über eine Versöhnung zwischen katholischer und russisch-orthodoxer Kirche gesprochen. Die Hoffnung auf eine Einladung des Papstes nach Russland sei jedoch verfrüht, meinen Kirchenexperten. Unter Kirill wird die russisch-orthodoxe Kirche ihren partnerschaftlichen Kurs gegenüber dem Staat beibehalten. Über die Vorwürfe russischer Journalisten, das Außenamt der Kirche sei Ende der 1990er Jahre mit Genehmigung des Kreml in den zollfreien Handel mit ausländischen Zigaretten eingestiegen, hat sich Kirill immer souverän hinweggesetzt.
"Sächsische Zeitung"