"Ich nehme in Russland nicht wahr, dass die Leute groß Fragen über den Krieg stellen" (Overton-Magazin)
Ulrich Heyden, der seit 1991 in Russland als Journalist lebt und arbeitet, über die Stimmung in Russland nach Beginn des Gaza-Kriegs, warum für Russland die Einnahme der Stadt Awdejewka so wichtig ist und welche Kriegsziele der Kreml verfolgt.
"Der Hype, den die westlichen Medien nach der russischen Invasion gemacht haben, geht nun zu Ende", sagt Heyden. "Selenskij soll ja gesagt haben, der Westen schaue sich das nur noch an eine Show, die läuft und läuft, aber die dritte Folge will man nicht noch mal sehen. Das ist der Nachteil von einem übermäßigen Kriegshype, der irgendwann zusammenbricht, wenn sich der Erfolg, den man verspricht, nicht kommt. Und dann fragt man sich natürlich, was der Westen oder die Amerikaner mit Selenskij vorhaben."
Frage: Man hört immer mal wieder, dass in Russland von der Möglichkeit von Friedensverhandlungen gesprochen wird, aber auf realistischer Basis. Das heißt, die jetzt besetzten Gebiete müssten bei Russland bleiben. Ist das in etwa die Position der russischen Regierung, falls es zu Gesprächen kommt?
Ulrich Heyden: "Die Russen sagen eigentlich vor allen Dingen, dass Selenskij nicht verhandeln will. Er hat sogar ein Gesetz erlassen, in dem er das verboten hat. Putin wiederum sagt, man könne verhandeln, aber die gesamte russische Intonation, die ich hier mitkriege, ist so, dass man das Ziel der Entmilitarisierung und Neutralität der Ukraine weiterverfolgt. Von der Entnazifizierung höre ich in letzter Zeit weniger.
Frage: Demilitarisierung würde nicht heißen, Russland die ganz Ukraine besetzt - oder doch? Ulrich Heyden: Nein. Also es gibt Debatten, dass man Galizien, also die Westukraine, die bis 1939 zu Polen gehörte und wo man besonders ukrainisch national eingestellt ist, nicht will. Das wäre dann der Puffer zwischen der NATO. Aber man möchte das gesamte Gebiet zumindest nicht erobern, aber sicher sein, dass dort eine Regierung ist, die nicht in die NATO geht und normale diplomatische Beziehungen mit Russland hat. Das ist das, was die Russen nach wie vor wollen.
Das gesamte Video-Interview wurde veröffentlicht von Overton-Magazin