30. August 2008

Immer in Anspannung

67 Prozent der Russen bezeichnen die Beziehungen zu den USA als "kühl" und "gespannt" , acht Prozent als "feindlich". Die Stimmung ist nach dem Waffengang im Südkaukasus nicht besser geworden.

MOSKAU. Irina, eine 40-jährige Mitarbeiterin einer PR-Agentur, die gerade im Westen Moskaus zum Einkaufen unterwegs ist, meint, dass sie die angespannte Lage zwischen Russland und dem Westen beunruhigt. "Auf der Arbeit diskutieren wir, ob es besser ist Geld in Rubel, Dollar oder einer anderen Währung anzulegen. Natürlich sorgen sich die Menschen um ihre Kinder und Familien." Aber Irina ist schon Einiges gewohnt. In den letzten 17 Jahren gab es häufig Spannungen, die beiden Tschetschenienkriege, Terror-Anschläge, die Finanzkrise. Die Russen rechnen - einfach aus Erfahrung - immer mit allem Möglichen. "Ich bin immer in einer Anspannung", meint Irina. "Man sieht das vielleicht nicht so nach außen." Dann grinst sie und sagt: "In der Sowjetzeit wussten wir Vieles nicht, deshalb war alles ruhig und schön."

Kurz vor der Anerkennung von Abchasien und Südossetien glaubten bei einer Umfrage Lewada noch 48 Prozent der Befragten, dass die Spannungen wieder abklingen. Doch schon zu diesem Zeitpunkt meinten 35 Prozent, dass es jetzt eine "neue Runde im Kalten Krieg" gibt. Das Verhältnis zu den USA ist nach Meinung der Russen so schlecht wie schon lange nicht mehr. Nach einer Umfrage von Mitte August waren im August 2004 - also auf dem Höhepunkt des weltweiten Anti-Terror-Krieges - 66 Prozent der Befragten der Meinung, dass es zwischen Russland und den USA "normale" bis "freundschaftliche" Beziehungen gebe. Mitte August 2008 waren es nur noch 22 Prozent.

Dass der Einmarsch russischer Panzer in Georgien in Europa Ängste auslöste, können sich viele Russen nur sehr abstrakt vorstellen. Kein Wunder, denn die eigene Geschichte ist kaum bekannt. 55 Prozent wissen nichts über den "Prager Frühling" und den Reformer Alexander Dubcek, der 1968 einen Sozialismus mit menschlichem Gesicht für sein Land wollte. Und sie wissen nichts darüber, dass am 21. August russische Soldaten und Panzer in Prag dem ein Ende machten.

Nur bei den Kindern gibt es offenes Mitleid für die Georgier. "Ich bin dagegen, dass man sich gegenüber der Bevölkerung so brutal verhält," meint die 12-jährige Lisa. Wer angefangen hat? "Ich glaube Georgien". Und die Georgier? "Die Georgier sind auch Menschen. Nicht alle von ihnen kämpfen."

"Thüringer Allgemeine"

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