29. October 2012

Janukowitschs Partei gewinnt Parlamentswahl

Von Paul Flückiger und Ulrich Heyden

Die Ukrainer haben ein neues Parlament gewählt. Die Machtverhältnisse im Land ändern sich nicht.

Über 36 Millionen Ukrainer waren gestern aufgerufen, die 450 Abgeordneten für das Parlament, die Werchowna Rada, zu wählen. Insgesamt 21 Parteien traten an, echte Chancen hatten aber von vornherein nur wenige. Ersten Prognosen zufolge musste die Partei der Regionen um Präsident Viktor Janukowitsch mit rund 30 Prozent zwar herbe Verluste hinnehmen, kann wie bisher mit den Kommunisten regieren, die auf mehr als zehn Prozent kamen.

Die Hoffnungen der Opposition auf einen Machtwechsel schwanden: Die Parteien der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko und von Boxweltmeister Vitali Klitschko blieben zusammen unter 40 Prozent. Die nationalistische Freiheitspartei Swoboda erhielt etwa zwölf Prozent.

Trotz Zehntausender Wahlbeobachter der Parteien berichtete die Opposition am Sonntag erneut von Stimmenkauf und der schon aus früheren Wahlen bekannten Karussell-Methode: Dabei werden „Wähler“ mit gefälschten Wahlberechtigungsscheinen in Autobussen von Wahllokal zu Wahllokal gefahren.

Tiefes Misstrauen

„Im Vergleich zur Sowjetunion haben sich nur die Papierqualität und Parteilistenlänge geändert“, kommentiert die Lehrerin Tatjana Moissenko, die bereits zu Sowjetzeiten in der Wahlkommission ihrer Heimatstadt Dnepropetrowsk saß. Immerhin waren diesmal jedoch fünf Wahlbeobachterinnen im Saal, auch hatte die Presse freien Zutritt. Zudem gab es erstmals eine Videoüberwachung. Allerdings wurde bei der Abstimmung wieder nach dem bis 2002 (ebenfalls unter Janukowitsch) gültigen Wahlrecht gewählt. Das heißt, 225 Mandate werden über Direktkandidaten vergeben, 225 Kandidaten über Parteilisten gewählt. Das nützt der Partei des Präsidenten, denn die Direktkandidaten arrangieren sich erfahrungsgemäß mit der Macht in Kiew. Daher misstraut die Mehrheit der Ukrainer ihren Politikern. Es ist allgemein bekannt, dass Abgeordnete in der Werchowna Rada von Lobby-Gruppen für mehrere Millionen Dollar buchstäblich gekauft werden.

Zudem wurde in dem von Finanz- und politischen Krisen geplagten Land schon viel versprochen – und nichts davon gehalten. Auch in Dnepropetrowsk ignorieren viele die Wahl – und damit das kleine Buffet mit Tee, billigem Mohngebäck und Butterbroten im Wahllokal. „Leider fehlt die Kundschaft“, klagte die Frau am Tresen. In der Hauptstadt Kiew hat das Stadtgericht vorsichtshalber alle Demonstrationen bis Mitte November verboten. Vor ziemlich genau acht Jahren hatten Wahlfälschungen bei den Präsidentenwahlen zur „Orangen Revolution“ geführt.

veröffentlicht in: Sächsische Zeitung

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