Schlagkraft gegen kritische Stimmen
In Russland häufen sich die Überfälle auf Bürgerrechtler.
MOSKAU. Während in Moskau gestern der Prozess um den Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja nun doch öffentlich und nicht hinter verschlossenen Türen begann, bleibt die Situation für unbequeme Stimmen in Russland höchst gefährlich.
Gleich drei Überfälle auf bekannte Vertreter der russischen Bürgerrechts- und Sozial-Aktivisten-Szene machten in den vergangenen Tagen Sorgen. Am Donnerstag wurde der französischen Soziologin und Links-Aktivistin Carine Clement in Moskau auf dem Weg zu einem Gespräch über die Folgen der Finanzkrise von zwei Unbekannten mit einer Spritze eine Flüssigkeit ins Bein gespritzt.
Der Inhalt der Spritze wird noch untersucht. Am selben Tag wurde der Journalist Michail Beketow von einer Anwohnerin bewusstlos vor seinem Haus gefunden. Der Journalist erlitt eine schwere Kopfverletzung und mehrere Brüche. Beketow hatte sich mit verschiedenen Artikeln bei den örtlichen Behörden unbeliebt gemacht.
So schrieb er über die unsachgemäß durchgeführte Verlegung von Soldatengräbern und die geplante Abholzung von 60 Hektar Wald. Die Bäume sollen der neuen Autobahn Moskau-St. Petersburg weichen.
Der dritte Fall war ein Angriff auf Aleksej Etmanow, den Leiter der unabhängigen Gewerkschaft im Ford-Werk bei St. Petersburg. Etmanow kam gerade von der Spätschicht, als er vor seinem Haus von zwei Unbekannten mit Schlagringen überfallen wurde. Als der Gewerkschafter einen Schuss aus seiner Luftdruckpistole abgab, flüchteten die Angreifer.
Am nächsten Tag bekam der stellvertretende Leiter der Gewerkschaft im Ford-Werk einen Anruf von einem Unbekannten. Der Anrufer drohte: „Wenn Sie uns weiter stören, verlieren Sie Ihr Leben.“ ULRICH HEYDEN, MOSKAU